Graz, 45 Sparbersbachgasse 22/10 85
Der unglückselige Heyne! lieber Freund! Als Sie am zweiten Tage meines Würzburger Aufenthaltes mich abzuholen kamen, da hatte ich vor die Bilder aus meinem Koffer zu nehmen und sie Ihnen zu zeigen und wenn sich eine ruhige Viertelstunde ergeben hätte, so hätte ich gerne einen oder den andern Correcturbogen aus der Tasche gezogen. Nun müssen Sie auch so das Buch nicht unfreundlich aufnehmen, wenn es in etwa 14 Tagen sich bei Ihnen einstellt. Sie thun am besten, es Ihrer Braut zu Weihnachten zu schenken und einen freundlichen Gruß von mir dabei [a]uszurichten. Denn die Bilder sind in der That sehr schön, besonders die nach Handzeichnungen wie die Stein und die Hertz. Der Text besteht aus Vorträgen, die ich vor 4 Jahren in Lemberg gehalten habe. Der Plan des lange und still gehegten Buches rührt von meiner vers[tor]benen Lemberger Freundin her, über die ich Ihnen einmal geschrieben habe und der das Buch gewidmet ist. Und vielleicht muß es von dieser Widmung aus begriffen werden. Es macht keinen Anspruch wissenschaftlich [zu] sein; ist aber mit dem wärmsten Herzensantheil geschrieben, den niemand verkennen wird.
Und nun das andere! Glauben Sie mir, es versteht Ihre Qualen vielleicht keiner Ihrer Freunde so gut wie ich; denn seit 6 Jahren habe ich sie selber zu bestehen und am Anfang dieser Zeit bin ich auch durch zwei Jahre verlobt gewesen. Das Verhältnis löste sich eben deswegen, weil ich so rasch die erwünschte Versorgung nicht bieten konnte und freilich hat sich dadurch das Mädchen und ihre Familie der Liebe unwürdig erwiesen, die ich an sie verschwendete. Ich sehe es auch ein, daß Scherer und Schmidt Ihre Anstellung mehr am Herzen liegen muß als die meinige und ich weiß, daß sich beide jetzt [gr]oße Mühe gegeben haben, Prag für Sie zu gewinnen. Ob es ihnen geglückt ist, weiß ich nicht, höre aber auf Umwegen daß Kelle zunächst an ein Provisorium denkt und sich mit Lambel eine Zeit lang begnügen will. Hier wird vielleicht die Facultät wieder eine Eingabe für mich machen. Aber wenn ich ganz aufrichtig schreiben sollte, so müßt[e] ich Ihnen einen Einblick in eine selten egoistische Natur gewähren, an die mein Schicksal leider gebunden ist. Und das kann ich aus anderen Gründen nicht, weil ich dieser Persönlichkeit trotz alledem zu großem Danke mich verpflichtet fühle. Bei mir hat sich aber die Erbitterung, die mich in den letzten zwei Jahren beseelte, etwas gelegt in der Einsamkeit des Sommers, in dem ‚Bade der Stille‘ (mit Frau von Kalb zu reden) und ich bin so froh, wieder Herr über meinen Willen und meine Arbeitskraft zu sein, daß mir die Zukunft momentan gleichgiltig ist. Ich habe auch keinen Menschen auf der Welt, dem zu Liebe ich vorwärtsstreben sollte und wollte; und alles nur seinetwegen zu thun, dazu geht einem die Lust endlich aus.
Also, lieber Freund, fürchten Sie [in] mir keinen Rivalen und thun Sie für Prag, was Sie thun können.
Ich habe Ihnen am Montag zwei Hefte WND. gesandt; auch Nr. 10 ist für Sie bestimmt, aber noch nicht eingetroffen. Über sonstige geschäftliche Dinge ein andres mal. Ich wollte nur in persönlicher Beziehung kein M[is]verständnis zwischen uns aufkommen lassen.
Herzlich grüßend
Ihr
treulichst ergebener
Sauer
Graz, 45 Sparbersbachgasse 22/10 85
Der unglückselige Heyne! lieber Freund! Als Sie am zweiten Tage meines Würzburger Aufenthaltes mich abzuholen kamen, da hatte ich vor die Bilder aus meinem Koffer zu nehmen und sie Ihnen zu zeigen und wenn sich eine ruhige Viertelstunde ergeben hätte, so hätte ich gerne einen oder den andern Correcturbogen aus der Tasche gezogen. Nun müssen Sie auch so das Buch nicht unfreundlich aufnehmen, wenn es in etwa 14 Tagen sich bei Ihnen einstellt. Sie thun am besten, es Ihrer Braut zu Weihnachten zu schenken und einen freundlichen Gruß von mir dabei [a]uszurichten. Denn die Bilder sind in der That sehr schön, besonders die nach Handzeichnungen wie die Stein und die Hertz. Der Text besteht aus Vorträgen, die ich vor 4 Jahren in Lemberg gehalten habe. Der Plan des lange und still gehegten Buches rührt von meiner vers[tor]benen Lemberger Freundin her, über die ich Ihnen einmal geschrieben habe und der das Buch gewidmet ist. Und vielleicht muß es von dieser Widmung aus begriffen werden. Es macht keinen Anspruch wissenschaftlich [zu] sein; ist aber mit dem wärmsten Herzensantheil geschrieben, den niemand verkennen wird.
Und nun das andere! Glauben Sie mir, es versteht Ihre Qualen vielleicht keiner Ihrer Freunde so gut wie ich; denn seit 6 Jahren habe ich sie selber zu bestehen und am Anfang dieser Zeit bin ich auch durch zwei Jahre verlobt gewesen. Das Verhältnis löste sich eben deswegen, weil ich so rasch die erwünschte Versorgung nicht bieten konnte und freilich hat sich dadurch das Mädchen und ihre Familie der Liebe unwürdig erwiesen, die ich an sie verschwendete. Ich sehe es auch ein, daß Scherer und Schmidt Ihre Anstellung mehr am Herzen liegen muß als die meinige und ich weiß, daß sich beide jetzt [gr]oße Mühe gegeben haben, Prag für Sie zu gewinnen. Ob es ihnen geglückt ist, weiß ich nicht, höre aber auf Umwegen daß Kelle zunächst an ein Provisorium denkt und sich mit Lambel eine Zeit lang begnügen will. Hier wird vielleicht die Facultät wieder eine Eingabe für mich machen. Aber wenn ich ganz aufrichtig schreiben sollte, so müßt[e] ich Ihnen einen Einblick in eine selten egoistische Natur gewähren, an die mein Schicksal leider gebunden ist. Und das kann ich aus anderen Gründen nicht, weil ich dieser Persönlichkeit trotz alledem zu großem Danke mich verpflichtet fühle. Bei mir hat sich aber die Erbitterung, die mich in den letzten zwei Jahren beseelte, etwas gelegt in der Einsamkeit des Sommers, in dem ‚Bade der Stille‘ (mit Frau von Kalb zu reden) und ich bin so froh, wieder Herr über meinen Willen und meine Arbeitskraft zu sein, daß mir die Zukunft momentan gleichgiltig ist. Ich habe auch keinen Menschen auf der Welt, dem zu Liebe ich vorwärtsstreben sollte und wollte; und alles nur seinetwegen zu thun, dazu geht einem die Lust endlich aus.
Also, lieber Freund, fürchten Sie [in] mir keinen Rivalen und thun Sie für Prag, was Sie thun können.
Ich habe Ihnen am Montag zwei Hefte WND. gesandt; auch Nr. 10 ist für Sie bestimmt, aber noch nicht eingetroffen. Über sonstige geschäftliche Dinge ein andres mal. Ich wollte nur in persönlicher Beziehung kein M[is]verständnis zwischen uns aufkommen lassen.
Herzlich grüßend
Ihr
treulichst ergebener
Sauer
Ich sehe es auch ein, daß Scherer und Schmidt Ihre Anstellung mehr am Herzen liegen muß als die meinige und ich weiß, daß sich beide jetzt [gr]oße Mühe gegeben haben, Prag für Sie zu gewinnen. Ob es ihnen geglückt ist, weiß ich nicht [...] Also, lieber Freund, fürchten Sie [in] mir keinen Rivalen und thun Sie für Prag, was Sie thun können.
An der Universität Prag wurde 1885 ein Extraordinariat für Neuere deutsche Literaturgeschichte frei (Nachfolge Jakob Minor). Sowohl Bernhard Seuffert als auch August Sauer waren dafür im Gespräch. Sauer signalisierte Verständnis dafür, wenn Seuffert die Stelle bekommen sollte.
Schreibort: Graz
Empfangsort: Würzburg
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur:
Autogr. 422/1-73
Umfang: 6 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8334 [Druckausgabe Nr. 53]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8334/methods/sdef:TEI/get
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