Würzburg 20.X 85
Lieber freund,
Sie hatten mir allerdings flüchtig gesagt, dass Sie für Kürschner noch weitere bände übernommen haben, wol auch berührt, dass es lyrik sei, aber das nähere verrieten Sie mir nicht. So kommt meine bitte betr. der Musenalmanache viel zu spät. Denn so reiflich ich mirs überlegt habe und so ungern ich von meinem plane abweiche, Sie als herausgeber zu wünschen, so kann ich mich doch der einsicht nicht verschliessen, dass Sie durch, wenn auch nur halbe, doppeltherausgaben Ihrer tätigkeit schaden könnten – wozu ich Sie nicht verleiten darf – und auch dass es meiner sammlung nicht wol anstehen möchte, mit dem gleichen bearbeiter der Nationallitteratur scheinbare konkurrenz zu machen. Ich werde also zu früheren personalplänen zurückgreifen oder auch die sache selbst erledigen müssen.
Was Sie mir über Kürschner schreiben, war mir sehr interessant. Es ist jammerschade, dass er den Götz nicht aus den händen lässt. Jetzt ist gerade diese partie der litteratur an der reihe der bearbeitung – tatsächlich wendete sich ein auswärtiger wegen einer arbeit über die ältere anakreontik an mich – und so werden diese studien unvollständig und andererseits die spätere publikation Kürschners verspätet.
Auch Ihr übriger reisebericht fesselte mich sehr. Schüren Sie am Hölderlin. Ich empfange ihn mit offenen armen. Ueber Koch habe ich mich gegen Sie schon geäussert. Ich halte ihn für geistig bedeutender als Muncker, nur war dieser und ist es wol noch der kenntnisreichere und solidere arbeiter nach meiner meinung.
Einen artikel über Wieland-Uz zu schreiben, brenne ich jetzt nicht; äusserlich das thema zu fassen, wäre leicht und rasch getan, aber eine innerliche behandlung der sache zieht mich jetzt in andere jahrzehnte als die briefe, die ich hier habe und kopieren muss. Auch meine vorlesung liegt zeitlich weiter herab. Da Sie den artikel nicht schreiben wollen, so werde ich überlegen, was ich tun kann, um Ihnen das material bequem zum benützen vorzulegen.
Entschuldigen Sie das zerhackte des briefes. Ich fühle mich nicht frisch und habe so viel jagendes vor mir: massenhaft Wielandiana, deren perlschrift den kopisten in eine aufreibende hast bringt. Immer noch korrekturen am Iffland, dessen einleitung – eheu!! fast so gross wird als der text, was mir sehr, sehr gegen den willen ist und gewiss nicht wider vorkommen soll. Den nahen beginn des semesters und dazu die nagende sorge, es könne mein letztes sein. Ich glaube ja nicht im entferntesten an das rosige bild, das Ihnen und mir die Allg. ztg. vormalte, d. h. wol in bezug auf Sie, aber nicht auf mich. Wie steht Ihre sache in Graz oder Prag? Will denn Werner nicht nach Prag? Ich muss die zurückhaltung, die ich mir darüber auferlegte, weil mir nichts peinlicher ist, als mit freunden zu rivalisieren und ich weiss, dass dabei jedes wort der umdeutung preis gegeben ist, aufgeben. Meine seele zehrt sich auf. Ich bin ja allerdings vom minister wider ins bairische budget eingesetzt, aber die ultramontane kammermajorität wird, zumal sie noch extremer auftritt als in der letzten session, auch diesmal den posten verweigern. Auch darüber fallen die würfel erst im januar. Sie gestehen mir wol zu, dass ich qualen des langens und bangens zu tragen habe. Und darnach le deluge sehe. Im frühjahr muss ich bezahlter extraordinarius sein oder einen andern lebensweg einschlagen. Dass ich unter solchen umständen nach Oesterreich hinüberschiele, trotz aller unwahrscheinlichkeit, finden Sie begreiflich.
Auch die sache gehört zu den dingen, über die ich gerne schweigen würde: dass ich eine annonce von Titze durch meinen sortimenter erhalten habe, die Ihren namen trägt. Wenn das einer der punkte, die ich wie Sie schreiben aus Ihnen hätte herauslocken sollen, war, so tut es mir leid, das wie das übrige unterlassen zu haben. Aber es entspricht nicht meiner natur auszufragen, was andere treiben; ich denke, was sie gerne sagen, offenbaren sie auch so. U. was sie geheim halten wollen, werde ich ihnen gewiss nicht abringen. In dem speciellen falle wäre es doppelt unanständig von mir gewesen zu fragen, da ich Ihnen einen druckbogen von Drugulin – wie ich auf der adresse lesen musste – übergab. Der anlass war gegeben, aber mir war verboten, ihn zu benützen.
Ich schreibe nicht aus empfindlicher seele. Wollte ich nicht dass Sie mein wesen richtiger beurteilten, so würde ich auch jetzt darüber kein wort haben verlauten lassen. Aber ich möchte meine zurückhaltung nicht misdeutet wissen. – Vergessen wir, was in anderthalb tagen verschwiegen wurde und behalten freundlich im sinne was wir sprachen!
Mit treuen grüssen und wünschen
Ihr
ergebenster
BSeuffert
Würzburg 20.X 85
Lieber freund,
Sie hatten mir allerdings flüchtig gesagt, dass Sie für Kürschner noch weitere bände übernommen haben, wol auch berührt, dass es lyrik sei, aber das nähere verrieten Sie mir nicht. So kommt meine bitte betr. der Musenalmanache viel zu spät. Denn so reiflich ich mirs überlegt habe und so ungern ich von meinem plane abweiche, Sie als herausgeber zu wünschen, so kann ich mich doch der einsicht nicht verschliessen, dass Sie durch, wenn auch nur halbe, doppeltherausgaben Ihrer tätigkeit schaden könnten – wozu ich Sie nicht verleiten darf – und auch dass es meiner sammlung nicht wol anstehen möchte, mit dem gleichen bearbeiter der Nationallitteratur scheinbare konkurrenz zu machen. Ich werde also zu früheren personalplänen zurückgreifen oder auch die sache selbst erledigen müssen.
Was Sie mir über Kürschner schreiben, war mir sehr interessant. Es ist jammerschade, dass er den Götz nicht aus den händen lässt. Jetzt ist gerade diese partie der litteratur an der reihe der bearbeitung – tatsächlich wendete sich ein auswärtiger wegen einer arbeit über die ältere anakreontik an mich – und so werden diese studien unvollständig und andererseits die spätere publikation Kürschners verspätet.
Auch Ihr übriger reisebericht fesselte mich sehr. Schüren Sie am Hölderlin. Ich empfange ihn mit offenen armen. Ueber Koch habe ich mich gegen Sie schon geäussert. Ich halte ihn für geistig bedeutender als Muncker, nur war dieser und ist es wol noch der kenntnisreichere und solidere arbeiter nach meiner meinung.
Einen artikel über Wieland-Uz zu schreiben, brenne ich jetzt nicht; äusserlich das thema zu fassen, wäre leicht und rasch getan, aber eine innerliche behandlung der sache zieht mich jetzt in andere jahrzehnte als die briefe, die ich hier habe und kopieren muss. Auch meine vorlesung liegt zeitlich weiter herab. Da Sie den artikel nicht schreiben wollen, so werde ich überlegen, was ich tun kann, um Ihnen das material bequem zum benützen vorzulegen.
Entschuldigen Sie das zerhackte des briefes. Ich fühle mich nicht frisch und habe so viel jagendes vor mir: massenhaft Wielandiana, deren perlschrift den kopisten in eine aufreibende hast bringt. Immer noch korrekturen am Iffland, dessen einleitung – eheu!! fast so gross wird als der text, was mir sehr, sehr gegen den willen ist und gewiss nicht wider vorkommen soll. Den nahen beginn des semesters und dazu die nagende sorge, es könne mein letztes sein. Ich glaube ja nicht im entferntesten an das rosige bild, das Ihnen und mir die Allg. ztg. vormalte, d. h. wol in bezug auf Sie, aber nicht auf mich. Wie steht Ihre sache in Graz oder Prag? Will denn Werner nicht nach Prag? Ich muss die zurückhaltung, die ich mir darüber auferlegte, weil mir nichts peinlicher ist, als mit freunden zu rivalisieren und ich weiss, dass dabei jedes wort der umdeutung preis gegeben ist, aufgeben. Meine seele zehrt sich auf. Ich bin ja allerdings vom minister wider ins bairische budget eingesetzt, aber die ultramontane kammermajorität wird, zumal sie noch extremer auftritt als in der letzten session, auch diesmal den posten verweigern. Auch darüber fallen die würfel erst im januar. Sie gestehen mir wol zu, dass ich qualen des langens und bangens zu tragen habe. Und darnach le deluge sehe. Im frühjahr muss ich bezahlter extraordinarius sein oder einen andern lebensweg einschlagen. Dass ich unter solchen umständen nach Oesterreich hinüberschiele, trotz aller unwahrscheinlichkeit, finden Sie begreiflich.
Auch die sache gehört zu den dingen, über die ich gerne schweigen würde: dass ich eine annonce von Titze durch meinen sortimenter erhalten habe, die Ihren namen trägt. Wenn das einer der punkte, die ich wie Sie schreiben aus Ihnen hätte herauslocken sollen, war, so tut es mir leid, das wie das übrige unterlassen zu haben. Aber es entspricht nicht meiner natur auszufragen, was andere treiben; ich denke, was sie gerne sagen, offenbaren sie auch so. U. was sie geheim halten wollen, werde ich ihnen gewiss nicht abringen. In dem speciellen falle wäre es doppelt unanständig von mir gewesen zu fragen, da ich Ihnen einen druckbogen von Drugulin – wie ich auf der adresse lesen musste – übergab. Der anlass war gegeben, aber mir war verboten, ihn zu benützen.
Ich schreibe nicht aus empfindlicher seele. Wollte ich nicht dass Sie mein wesen richtiger beurteilten, so würde ich auch jetzt darüber kein wort haben verlauten lassen. Aber ich möchte meine zurückhaltung nicht misdeutet wissen. – Vergessen wir, was in anderthalb tagen verschwiegen wurde und behalten freundlich im sinne was wir sprachen!
Mit treuen grüssen und wünschen
Ihr
ergebenster
BSeuffert
Im frühjahr muss ich bezahlter extraordinarius sein oder einen andern lebensweg einschlagen.
Auch Bernhard Seuffert stand am Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn. Er war seit 1877 als Privatdozent an der Universität Würzburg tätig und hoffte auf eine bezahlte Anstellung.
Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Graz
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8332 [Druckausgabe Nr. 52]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8332/methods/sdef:TEI/get
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