Graz, 45 Sparbersbachgasse
1. November 1885

Lieber Freund! Ich benutze die Ruhe des Sonntag-Abends um Ihnen auf Ihre beiden Karten zu antworten und einiges aus Ihren letzten Briefen zu erledigen. Ich habe meine älteren Wielandiana gemustert und nur folgendes gefunden:
Die Natur der Dinge 1752
Der gepryfte Abraham Zyrich 1753
Ankündigung einer Dunciade 1755
Biribinker Ulm 1769
Prosaische Schriften Zürich 1771.72. 2 Bde, worin von den für Uz nothwendigen Sachen ‚Die Sympathien‘ und ‚Empfindungen eines Christen‘ enthalten sind. Da ich nun von den deutschen Bibliotheken ohnehin vieles mir muß kommen lassen, möchte ich Sie um das, was Sie entbehren können, auf einige Zeit bitten; zunächst
Sympathien 1756
Empfindungen 1757 (auch Redlich in Lessings W[er]ken Hempel 9, 49 citirt ‚[Zü]rich 1765)‘
Schreiben von der Würde etc. in den Fragmenten 1755
Sammlung einiger Prosaischer Schriften 1758.
Dann etwa auch, wenn Sie es haben, den ersten Druck des ‚Schreibens‘ Zürich 1752 (der Hempel 40, 292 angeführt ist) und die Poetischen Schriften 1762.
Wann Sie mir die Bücher schicken, ob [i]m November oder December, und auf wie lange, ist mir gleichgültig. Ich werde mir meine Arbeit darnach einrichten. Auch ob ich die Resultate der Untersuchung mir gedrängt in der Vorrede verwerte, oder einen eigenen Aufsatz für die Zs. nach Ihrem Rathe schreibe, kann ich heute noch nicht angeben. In letzterem Falle würde ich Ihre Zustimmung mir vorher noch einholen.
Wegen eines endgiltigen Entschlusses in Bezug auf die MA., wenigstens die Göttinger warten Sie vielleicht das Erscheinen des ersten Bandes meiner ‚Göttinger Dichter‘ ab, der ja nicht allzu lange auf sich wird warten lassen; ich finde die Vorbemerkung recht brauchbar, wie sie in meinen Papieren sich vorfindet und glaube sie daher bald abschließen zu können. Der Text des Bandes ist ja längst gedruckt und wie ich in Stuttgart erfahren habe, auch in Lieferungen schon ausgegeben. Darnach werden Sie sehen, ob eine Herausgabe der MA. in Ihrer Sammlung von meiner Seite eine Concurrenzarbeit sein [m]öchte oder nicht. Haben Sie sich aber übrigens schon an Redlich wegen dieser Hefte gewendet? Ich glaube, so gut (oder besser) wie er, können auch wir es kaum machen und er wird kaum ablehnen, wenn er auch erst den Herder wird fertig machen wollen. Es thut mir wirklich leid, Sie in Verlegenheit zu sehen.
Bei der Lectüre des neuen Halbbandes Lessing ist mir der Gedanke gekommen, daß man doch eigentlich einmal alle Stücke über die Lessing spricht in der hamb. Dram. in einem Neudrucke vereinigen sollte. Auch die Übersetzungen soweit sie erreichbar sind, wie sie auf die Bühne kamen. Unsere beiden Commentare zur Dram. mit allen ihren Inhaltsangaben genügen doch für den Lehrer nicht, kaum für den Schüler. Und erhielte die Sammlung den richtigen Titel ‚Das Repertoire der Hamburger Bühne zu Lessings Zeit‘ oder ‚Die Stücke der Hamburg. Dram‘ oder ähnlich, so wären die Käufer dafür gewiß vorhanden. Wenn Sie etwa immer 4–5 Stücke in einem Heft vereinigen, hätten Sie es in einer Reihe [vo]n Jahren bequem erschöpft. Überlegen Sie sich den Plan oder wenigstens den einer Auswahl. Später könnten Sie für die Weimarer Bühne unter Schiller und Goethe vielleicht ähnliches leisten.
Was nun die Beantwortung Ihrer beiden Karten anbelangt, so bitte ich Sie dringlichst an das gewisse Buch ni[ch]t mitzu großen Erwartungen heranzugehen u. den Plan des ganzen nicht außer Acht zu lassen. Sie werden nichts daraus lernen; den Anspruch erhebt es gar nicht; ich denke es mir am liebsten in Händen von Frauen; eine Frau hat die ersten Linien desselben gezogen und unter Frauengunst und –theilnahme ist es erwachsen. Also erfüllen Sie meine Bitte immerhin!
Über Prag lauten die Nachrichten wieder anders. Nicht Lambel, sondern Kelle selbst soll alles übernehmen. Offenbar hat er sich durch Minors Einfluß gedrückt gefühlt und will jetzt die alten süßen Zeiten der Alleinherrschaft wieder heraufbeschwören. Hoffen wir, daß ihm die Fakultät einen Strich durch die Rechnung macht. Ich hoffe in Wien etwas näheres zu erfahren und werde Ihnen getreulich Bericht erstatten.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
aufrichtig Ergebener
Aug. Sauer.

Graz, 45 Sparbersbachgasse
1. November 1885

Lieber Freund! Ich benutze die Ruhe des Sonntag-Abends um Ihnen auf Ihre beiden Karten zu antworten und einiges aus Ihren letzten Briefen zu erledigen. Ich habe meine älteren Wielandiana gemustert und nur folgendes gefunden:
Die Natur der Dinge 1752
Der gepryfte Abraham Zyrich 1753
Ankündigung einer Dunciade 1755
Biribinker Ulm 1769
Prosaische Schriften Zürich 1771.72. 2 Bde, worin von den für Uz nothwendigen Sachen ‚Die Sympathien‘ und ‚Empfindungen eines Christen‘ enthalten sind. Da ich nun von den deutschen Bibliotheken ohnehin vieles mir muß kommen lassen, möchte ich Sie um das, was Sie entbehren können, auf einige Zeit bitten; zunächst
Sympathien 1756
Empfindungen 1757 (auch Redlich in Lessings W[er]ken Hempel 9, 49 citirt ‚[Zü]rich 1765)‘
Schreiben von der Würde etc. in den Fragmenten 1755
Sammlung einiger Prosaischer Schriften 1758.
Dann etwa auch, wenn Sie es haben, den ersten Druck des ‚Schreibens‘ Zürich 1752 (der Hempel 40, 292 angeführt ist) und die Poetischen Schriften 1762.
Wann Sie mir die Bücher schicken, ob [i]m November oder December, und auf wie lange, ist mir gleichgültig. Ich werde mir meine Arbeit darnach einrichten. Auch ob ich die Resultate der Untersuchung mir gedrängt in der Vorrede verwerte, oder einen eigenen Aufsatz für die Zs. nach Ihrem Rathe schreibe, kann ich heute noch nicht angeben. In letzterem Falle würde ich Ihre Zustimmung mir vorher noch einholen.
Wegen eines endgiltigen Entschlusses in Bezug auf die MA., wenigstens die Göttinger warten Sie vielleicht das Erscheinen des ersten Bandes meiner ‚Göttinger Dichter‘ ab, der ja nicht allzu lange auf sich wird warten lassen; ich finde die Vorbemerkung recht brauchbar, wie sie in meinen Papieren sich vorfindet und glaube sie daher bald abschließen zu können. Der Text des Bandes ist ja längst gedruckt und wie ich in Stuttgart erfahren habe, auch in Lieferungen schon ausgegeben. Darnach werden Sie sehen, ob eine Herausgabe der MA. in Ihrer Sammlung von meiner Seite eine Concurrenzarbeit sein [m]öchte oder nicht. Haben Sie sich aber übrigens schon an Redlich wegen dieser Hefte gewendet? Ich glaube, so gut (oder besser) wie er, können auch wir es kaum machen und er wird kaum ablehnen, wenn er auch erst den Herder wird fertig machen wollen. Es thut mir wirklich leid, Sie in Verlegenheit zu sehen.
Bei der Lectüre des neuen Halbbandes Lessing ist mir der Gedanke gekommen, daß man doch eigentlich einmal alle Stücke über die Lessing spricht in der hamb. Dram. in einem Neudrucke vereinigen sollte. Auch die Übersetzungen soweit sie erreichbar sind, wie sie auf die Bühne kamen. Unsere beiden Commentare zur Dram. mit allen ihren Inhaltsangaben genügen doch für den Lehrer nicht, kaum für den Schüler. Und erhielte die Sammlung den richtigen Titel ‚Das Repertoire der Hamburger Bühne zu Lessings Zeit‘ oder ‚Die Stücke der Hamburg. Dram‘ oder ähnlich, so wären die Käufer dafür gewiß vorhanden. Wenn Sie etwa immer 4–5 Stücke in einem Heft vereinigen, hätten Sie es in einer Reihe [vo]n Jahren bequem erschöpft. Überlegen Sie sich den Plan oder wenigstens den einer Auswahl. Später könnten Sie für die Weimarer Bühne unter Schiller und Goethe vielleicht ähnliches leisten.
Was nun die Beantwortung Ihrer beiden Karten anbelangt, so bitte ich Sie dringlichst an das gewisse Buch ni[ch]t mitzu großen Erwartungen heranzugehen u. den Plan des ganzen nicht außer Acht zu lassen. Sie werden nichts daraus lernen; den Anspruch erhebt es gar nicht; ich denke es mir am liebsten in Händen von Frauen; eine Frau hat die ersten Linien desselben gezogen und unter Frauengunst und –theilnahme ist es erwachsen. Also erfüllen Sie meine Bitte immerhin!
Über Prag lauten die Nachrichten wieder anders. Nicht Lambel, sondern Kelle selbst soll alles übernehmen. Offenbar hat er sich durch Minors Einfluß gedrückt gefühlt und will jetzt die alten süßen Zeiten der Alleinherrschaft wieder heraufbeschwören. Hoffen wir, daß ihm die Fakultät einen Strich durch die Rechnung macht. Ich hoffe in Wien etwas näheres zu erfahren und werde Ihnen getreulich Bericht erstatten.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
aufrichtig Ergebener
Aug. Sauer.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Würzburg
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-74
Umfang: 7 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8336. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8336/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

LinksInformation

Das Bildmaterial dieser Webseite sind Reproduktionen aus den Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek und des Staatsarchivs Würzburg. Für jede weitere Verwendung wenden Sie sich bitte an die jeweilige Institution.