Würzburg 24 VI 86

Lieber freund,
Ich dank Ihnen für die beiden briefe. Einer berufung nach Graz auf der bezeichneten grundlage werde ich keine schwierigkeiten in den weg legen. Wäre ich nur erst so weit, dass ich ernstlich den ruf erwarten dürfte. Ich mistraue dem minister und fühle mich nach den vorsichtigen mitteilungen Heinzels zu dem optimismus, den nun Schönbach hat, nicht berechtigt. Da Heinzel eine vorstellung in Wien zunächst nicht für angezeigt hält, unterbleibt die reise. Aber läuft die sache besser, als ich jetzt noch glauben darf, so werde ich von Ihren gasthofnachweisungen gebrauch machen. Vor Heinzels nachricht war ich allerdings gesonnen – auf Schmidts u. Schönbachs rat – heute nach Wien zu fahren, weil der feiertag und der am dienstag mir eine längere frist ohne zu starke vernachlässigung der vorlesungen gstattet hätten.
Ueber die generalkorrektur ist das letzte wort nicht gesprochen. Ich fürchte nicht sowol ein gänzliches aufgeben Wielands als eine allzu lange verzögerung. 3–5 korrekturen in der woche zerreissen alle zusammenhängende arbeit. Auch fürchte ich, dass meine philologische neigung durch die korrektur neue nahrung erhält und ich dem ästhetisch-historischen darstellen noch mehr entfremdet werde. Der erziehliche einfluss einer solchen jahrelangen beschäftigung ist gewiss nicht günstig. Doch immer wider – ich brauche geld und ich weiss es zu schätzen mit allen bedeutenden männern des fachs durch die korrektur in fühlung zu sein.
Sie haben meine äusserungen über Uz richtig interpretiert. Ich musste den verlegern versprechen, da sie das tempo verlangsamen wollen, keinen der mitarbeiter zu drängen. Aber so viel darf ich doch tun, dass ich Sie inständig bitte, keine andere grössere arbeit vor abschluss des Uz in angriff zu nehmen. Wenn ich das ms. habe, wird gedruckt werden u. zwar im gleichen tempo wie früher. Ich habe den verlegern das versprechen abgenommen, die abmachungen die ich vor 1. mai gemacht habe, pünktlich zu erfüllen. Vorauszahlung kann ich Ihnen nicht zusichern, so gerne ichs täte; aber die verleger haben im vergangenen jahre darüber einen höchst unerquicklichen strauss mit Geiger (im vertrauen!) hartnäckig gekämpft und halten am buchstaben ihres vertrages mit mir, wonach das honorar erst bei versandbereitschaft der hefte fällig ist. Von meiner seite wird gewiss alles geschehen, was Ihnen eine erleichterung sein kann. Ich hoffe, Sie kennen meine zuverläsigkeit nach der seite.
Dank für die mitteilung übr Franzos. Ich bin umgekehrt wie Sie mit Bonz früher persönlich bekannt gewesen, werde aber das blatt erst prüfen, ehe ich meinen namen hingebe. Ich bin darin sehr stolz – zum schaden meines geldbeutels.
Bodemann hab ich freilich mild durchschlupfen lassen; meine anzeige ist so langweilig wie das buch. Es hat mich so geödet, dass ich nicht einmal den zorn des tadels bekam. Auch bin ich Hallers satt seit der der anzeige über Hirzel.
Ja, Suphan hat gegen Kürschner u. Minor im Centrbl. geschrieben. Da er mich zuvor in einem briefe eigens um mein urteil über seine recension anging, so habe ichs ihm nicht vorenthalten und gestehe auch Ihnen ehrlich, ob Sies gleich nicht gerne hören, dass ich seinen ausfällen auf die Natlitt. beifall gebe. Ueber Minor lehnte ich ausdrücklich jedes urteil ab, weil mir der vorwurf mangelnder objektivität dabei gemacht werden könnte. Eine bittere bemerkung über Suphanschen prophetenstil schluckte ich hinab, der mann kann doch nicht mehr anders werden.
Durch alle diese offenherzigkeiten möche ich einen teil meines dankes für Ihre freundlichkeit abstatten. Nachdem wir uns persönlich kennen, haben wir ein recht auf offenheit auch da, wo unsere meinungen auseinander gehen.
Treulich grüsst
BSeuffert.

Würzburg 24 VI 86

Lieber freund,
Ich dank Ihnen für die beiden briefe. Einer berufung nach Graz auf der bezeichneten grundlage werde ich keine schwierigkeiten in den weg legen. Wäre ich nur erst so weit, dass ich ernstlich den ruf erwarten dürfte. Ich mistraue dem minister und fühle mich nach den vorsichtigen mitteilungen Heinzels zu dem optimismus, den nun Schönbach hat, nicht berechtigt. Da Heinzel eine vorstellung in Wien zunächst nicht für angezeigt hält, unterbleibt die reise. Aber läuft die sache besser, als ich jetzt noch glauben darf, so werde ich von Ihren gasthofnachweisungen gebrauch machen. Vor Heinzels nachricht war ich allerdings gesonnen – auf Schmidts u. Schönbachs rat – heute nach Wien zu fahren, weil der feiertag und der am dienstag mir eine längere frist ohne zu starke vernachlässigung der vorlesungen gstattet hätten.
Ueber die generalkorrektur ist das letzte wort nicht gesprochen. Ich fürchte nicht sowol ein gänzliches aufgeben Wielands als eine allzu lange verzögerung. 3–5 korrekturen in der woche zerreissen alle zusammenhängende arbeit. Auch fürchte ich, dass meine philologische neigung durch die korrektur neue nahrung erhält und ich dem ästhetisch-historischen darstellen noch mehr entfremdet werde. Der erziehliche einfluss einer solchen jahrelangen beschäftigung ist gewiss nicht günstig. Doch immer wider – ich brauche geld und ich weiss es zu schätzen mit allen bedeutenden männern des fachs durch die korrektur in fühlung zu sein.
Sie haben meine äusserungen über Uz richtig interpretiert. Ich musste den verlegern versprechen, da sie das tempo verlangsamen wollen, keinen der mitarbeiter zu drängen. Aber so viel darf ich doch tun, dass ich Sie inständig bitte, keine andere grössere arbeit vor abschluss des Uz in angriff zu nehmen. Wenn ich das ms. habe, wird gedruckt werden u. zwar im gleichen tempo wie früher. Ich habe den verlegern das versprechen abgenommen, die abmachungen die ich vor 1. mai gemacht habe, pünktlich zu erfüllen. Vorauszahlung kann ich Ihnen nicht zusichern, so gerne ichs täte; aber die verleger haben im vergangenen jahre darüber einen höchst unerquicklichen strauss mit Geiger (im vertrauen!) hartnäckig gekämpft und halten am buchstaben ihres vertrages mit mir, wonach das honorar erst bei versandbereitschaft der hefte fällig ist. Von meiner seite wird gewiss alles geschehen, was Ihnen eine erleichterung sein kann. Ich hoffe, Sie kennen meine zuverläsigkeit nach der seite.
Dank für die mitteilung übr Franzos. Ich bin umgekehrt wie Sie mit Bonz früher persönlich bekannt gewesen, werde aber das blatt erst prüfen, ehe ich meinen namen hingebe. Ich bin darin sehr stolz – zum schaden meines geldbeutels.
Bodemann hab ich freilich mild durchschlupfen lassen; meine anzeige ist so langweilig wie das buch. Es hat mich so geödet, dass ich nicht einmal den zorn des tadels bekam. Auch bin ich Hallers satt seit der der anzeige über Hirzel.
Ja, Suphan hat gegen Kürschner u. Minor im Centrbl. geschrieben. Da er mich zuvor in einem briefe eigens um mein urteil über seine recension anging, so habe ichs ihm nicht vorenthalten und gestehe auch Ihnen ehrlich, ob Sies gleich nicht gerne hören, dass ich seinen ausfällen auf die Natlitt. beifall gebe. Ueber Minor lehnte ich ausdrücklich jedes urteil ab, weil mir der vorwurf mangelnder objektivität dabei gemacht werden könnte. Eine bittere bemerkung über Suphanschen prophetenstil schluckte ich hinab, der mann kann doch nicht mehr anders werden.
Durch alle diese offenherzigkeiten möche ich einen teil meines dankes für Ihre freundlichkeit abstatten. Nachdem wir uns persönlich kennen, haben wir ein recht auf offenheit auch da, wo unsere meinungen auseinander gehen.
Treulich grüsst
BSeuffert.

Einer berufung nach Graz auf der bezeichneten grundlage werde ich keine schwierigkeiten in den weg legen. Wäre ich nur erst so weit, dass ich ernstlich den ruf erwarten dürfte. Ich mistraue dem minister und fühle mich nach den vorsichtigen mitteilungen Heinzels zu dem optimismus, den nun Schönbach hat, nicht berechtigt.

Die von der Philosophischen Fakultät in Graz eingesetzte Kommission schlug Seuffert unico loco für das Extraordinariat für neuere deutsche Sprache und Literatur vor. Der an das Ministerium gerichtete Bericht ging ausführlich darauf ein, dass zu diesem Zeitpunkt, in Österreich – mit Ausnahme Sauers und Jakob Minors (Wien) – keine Kräfte mit vergleichbarer Eignung vorhanden waren. Ende August trat das Wiener Ministerium mit Seuffert in Verhandlungen, der sich grundsätzlich mit den ihm angebotenen finanziellen Bedingungen einverstanden erklärte. Seuffert nahm mit Wirkung vom 1.10.1886 seine Lehrtätigkeit in Graz auf.

Briefdaten

Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8359. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8359/methods/sdef:TEI/get

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Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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