Lieber Freund! Durch den unglaublichen Leichtsinn K–s besitzt unser Seminar gar nichts u. alle [m]eine Bemühungen die Jahre hier eine[n a]ndern Zustand zu erreichen prallten an [se]iner Indolenz ab. Wir sind in einem Loch untergebracht, in dem kaum 5 Leute athmen können. Bibliotheksdotation keine! Für Stipendien 180 fl. pro Semester, welche Summe wir unter uns theilen. Was wir davon ersparen, verwenden wir auf Bücherankauf. Der Bibliothekar versah bisher sein Amt umsonst; im vorigen Sommersemester verliehen wir ihm, da er auch sonst unsere Arbeitssäule ist, zum ersten Mal auf mein Andringen ein Stipendium von 30 fl. Das Bibliothekszimmer ist gesperrt, der Schlüssel ist beim Pedell u. Portier, Bibliotheksstunden dem Belieben des jeweiligen Bibliothekars überlassen; heuer fast täglich, weil die Leute im Grimmschen Wörterbuch für das 16 Jh. arbeiten müssen. Weggekommen ist seitdem ich in Prag bin ein einziges Buch, aber auch nicht aus meiner Abtheilung; deshalb weiß ich das nähere darüber nicht. – Nimor sucht nun auch mit mir Annäherung u. hat mich um einen Vortrag für Pfingsten gebeten. Er steht momentan offenbar in seiner menschenfreundlichen Periode. – Uns geht es sehr gut, nur gearbeitet könnte mehr werden. – Herzlich grüßend
Ihr AS.

Prag, Smichow 586. 27.11.92.

Lieber Freund! Durch den unglaublichen Leichtsinn K–s besitzt unser Seminar gar nichts u. alle [m]eine Bemühungen die Jahre hier eine[n a]ndern Zustand zu erreichen prallten an [se]iner Indolenz ab. Wir sind in einem Loch untergebracht, in dem kaum 5 Leute athmen können. Bibliotheksdotation keine! Für Stipendien 180 fl. pro Semester, welche Summe wir unter uns theilen. Was wir davon ersparen, verwenden wir auf Bücherankauf. Der Bibliothekar versah bisher sein Amt umsonst; im vorigen Sommersemester verliehen wir ihm, da er auch sonst unsere Arbeitssäule ist, zum ersten Mal auf mein Andringen ein Stipendium von 30 fl. Das Bibliothekszimmer ist gesperrt, der Schlüssel ist beim Pedell u. Portier, Bibliotheksstunden dem Belieben des jeweiligen Bibliothekars überlassen; heuer fast täglich, weil die Leute im Grimmschen Wörterbuch für das 16 Jh. arbeiten müssen. Weggekommen ist seitdem ich in Prag bin ein einziges Buch, aber auch nicht aus meiner Abtheilung; deshalb weiß ich das nähere darüber nicht. – Nimor sucht nun auch mit mir Annäherung u. hat mich um einen Vortrag für Pfingsten gebeten. Er steht momentan offenbar in seiner menschenfreundlichen Periode. – Uns geht es sehr gut, nur gearbeitet könnte mehr werden. – Herzlich grüßend
Ihr AS.

Prag, Smichow 586. 27.11.92.

Durch den unglaublichen Leichtsinn K–s besitzt unser Seminar gar nichts u. alle [m]eine Bemühungen die Jahre hier eine[n a]ndern Zustand zu erreichen prallten an [se]iner Indolenz ab. Wir sind in einem Loch untergebracht, in dem kaum 5 Leute athmen können. Bibliotheksdotation keine! Für Stipendien 180 fl. pro Semester, welche Summe wir unter uns theilen. Was wir davon ersparen, verwenden wir auf Bücherankauf. Der Bibliothekar versah bisher sein Amt umsonst; im vorigen Sommersemester verliehen wir ihm, da er auch sonst unsere Arbeitssäule ist, zum ersten Mal auf mein Andringen ein Stipendium von 30 fl. Das Bibliothekszimmer ist gesperrt, der Schlüssel ist beim Pedell u. Portier, Bibliotheksstunden dem Belieben des jeweiligen Bibliothekars überlassen;

August Sauer beschwerte sich über die Ausstattung des Prager Seminars für Deutsche Philologie, dessen schlechten Zustand er vor allem durch die Misswirtschaft Johann Kelles verursacht sah.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-215
Umfang: Postkarte

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8607 [Druckausgabe Nr. 118]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8607/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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