Graz 5 X 97
Lieber freund, Vielen, vielen dank für Ihren brief. Soll ich Sie zum decanate beglückwünschen, da ich mir zu seinem ende gratuliere? Ich denke doch, ja, denn was von Prag kam, zeigte, dass Sie dort einen tüchtigen kanzlisten haben; hier aber muss man alles selbst tun.
Ihre aufklärungen über die stilübungen ist ! mir sehr wertvoll und ich werde einmal Ihr recept zur verfeinerung und stärkung des stilgefühls versuchen, sobald ich die zeit zur vorbereitung und einen vervielfältiger habe. Auch muss ich ein besseres publicum abwarten, als im sommer sich einstellte; es ist eine not; was in Wien seit jahren gewesen sein soll, macht sich auch hier breit: interesse ist lediglich für die tageslitteratur da. Ich gebe darin so viel nach, dass ich Sudermann u. Hauptmann im seminar behandelte, auch nach wahl über die Rosmer schreiben lasse. Aber die gute alte zeit muss doch auch platz behalten.
Die neue prüfungsverordnung hat einen Grazer antrag in betr. des Deutschen nicht acceptiert. Mir ist längst ärgerlich, dass wir leute fürs nebenfach approbieren müssen, ohne eine zeile Deutsch von Ihnen zu lesen. Wo soll ich mich der correcten orthographie u. was mir wichtiger ist, eines correcten stiles versichern? U. doch müssen das die herren lehren. Ich – u. Schönbach u. die commission stimmte zu – verlangte nichts als eine kurze schriftliche interpretation eines kurzen stückes (womöglich aus dem lesebuch). Aber auch das wurde offenbar als erschwerung abgelehnt, man wollte ja erleichtern, erleichtern, um nur ja wieder den stand herunterzubringen.
Für das 3. heft danke ich sehr; ich kannte ja das meiste des heftes ausser der recens. u. der bibliographie durch Ihre güte schon. Köster über Bernays ist gut, mir wol noch einen ton zu hoch, aber doch bei diesem anlass nicht anders möglich. Imelmann über Tropsch hat mich sehr gefreut. Die bibliogr. liest man nun viel aufmerksamer, da so oft urteile dazwischen stehen; und denen werden Sie ja doch im register bleibende beachtung sichern. Messers büchlein über Mainzer schulwesen ist Ihnen wol zu minderwertig zur nennung; Sie haben recht, aber er bat mich darum, u. damit entschuldigte ich meine bitte an Sie.
Ists wahr, dass sich Fürst bei Ihnen habilitiert? Ich überflog eben seine novelle und bin ganz dumm von der recapitulation so vieler bekannter namen, da mir das schema der einteilung zu wenig scharfe kennzeichen trägt. Ich weiss wenig damit anzufangen, und war doppelt lernbegierig, da ich diesen winter novelle im seminar zu betreiben angekündigt habe.
Was gibt denn Rubensohn in der Übersetzerbibliothek? Es wäre doch schade um ein so frühes ende des unternehmens. Ich weiss nicht, was die verleger gegen gute, wenn auch längere einleitungen haben; sie machen doch den text für viele käufer unentbehrlicher, wenn sie auch verteuern. Wer will denn heute noch rohe texte? Felber allerdings soll schlecht stehen, wurde im sommer 96 behauptet.
Begreifen Sie, dass Walzel nach Bern berufen wurde? ich kann das nur für eine freundschaftstat Singers halten. Mir fiel gar nicht ein, ihn für Zürich zu empfehlen, obwol ich an ihn dachte. Ich wurde nemlich um rat angegangen, nachdem ich die frage, ob ich den ruf annähme, verneint hatte (nach schwerer überlegung, mehr aus rücksicht auf die künftige unsicherheit für meine familie als aus eigener unlust).
Batka war so freundlich, mir (1 od. 2) commentare zum Wielandbrief zu schicken; auch Ihnen danke ich ja neuerlich einen u. habe nun genug der kleinigkeit. Das honorar hat Fromme bald nach dem späten (ich hatte längst das heft von meinem sehr langsamen buchhändler) eintreffen der SA des ergänzungsheftes bezahlt. Vom 3. hefte lief noch nichts hier ein, als was Sie schickten.
Meine ferien verschwanden spurlos. Nur für die Göttinger ward ich schulden ledig. Das decanat störte mich immer wieder; es verging kaum ein tag ohne einlauf und manche brachten recht viel. Dann musste ich doch auch etwas spazieren gehen, und, wie Sie, bücher stauben und ordnen, und schliesslich lag ich 8 tage zu bette und war gut 3 wochen arbeitsunfähig durch diese dumme darmstörung. Jetzt bereite ich colleg vor und dann gehe ich an den Werther! mir graust vor der Collationirerei! wenn nur was herauskäme! Unser armer Gurlitt trauert, ganz vergrämt, um seinen vater. Schönbach kehrte frischer als seit jahren aus Schruns zurück. Von Zwierzinas habilitation verspreche ich mir gutes; er macht einen sehr reifen u. sehr gelehrten eindruck. G Mayer wird es kaum mehr lange treiben, er ist schon ganz vertiert. Ein jammer, unter dem Bauer, sein curator, am meisten leidet, weil er am meisten davon sehen muss.
Nach Dresden ging ich nicht, nach Weimar gehe ich nicht. Dorthin zog mich nichts als Burdachs vortrag. Hier starkt/stockt alles, seit Sophie tot und Suphan, wie es scheint, mehr beurlaubt als aktiv ist.
Elsters Principien verstehe ich nach der inhaltsübersicht, die er mir schickte, nicht; ich hab ihms auch geschrieben. Ob ich das buch verstehen werde? es ist noch nicht hier. Sehr neugierig bin ich auf Kochs Wieland in der ADB, den ich hier noch nicht sehen konnte. Wir sind immer hinten dran. Zwierzina hat zss. u. anderes aus Wien um wochen früher als der hiesige sortimenter liefert.
Witkowski u. Meier contra Milchsack sind gut. Wo ist nur Jellinek-Kraus gegen Niejahr erschienen? Niejahr schrieb vor langem, dass er es habe.
Mit den besten wünschen fürs semester grüsst
Ihr
ergebener
BSfft.

die Eliaschen Jahresberichte werden immer elender u. cliquenmässiger. Ihre nächste anzeige wird noch schroffer ausfallen als die letzte, für die ich Ihnen dank wusste.

Graz 5 X 97
Lieber freund, Vielen, vielen dank für Ihren brief. Soll ich Sie zum decanate beglückwünschen, da ich mir zu seinem ende gratuliere? Ich denke doch, ja, denn was von Prag kam, zeigte, dass Sie dort einen tüchtigen kanzlisten haben; hier aber muss man alles selbst tun.
Ihre aufklärungen über die stilübungen ist ! mir sehr wertvoll und ich werde einmal Ihr recept zur verfeinerung und stärkung des stilgefühls versuchen, sobald ich die zeit zur vorbereitung und einen vervielfältiger habe. Auch muss ich ein besseres publicum abwarten, als im sommer sich einstellte; es ist eine not; was in Wien seit jahren gewesen sein soll, macht sich auch hier breit: interesse ist lediglich für die tageslitteratur da. Ich gebe darin so viel nach, dass ich Sudermann u. Hauptmann im seminar behandelte, auch nach wahl über die Rosmer schreiben lasse. Aber die gute alte zeit muss doch auch platz behalten.
Die neue prüfungsverordnung hat einen Grazer antrag in betr. des Deutschen nicht acceptiert. Mir ist längst ärgerlich, dass wir leute fürs nebenfach approbieren müssen, ohne eine zeile Deutsch von Ihnen zu lesen. Wo soll ich mich der correcten orthographie u. was mir wichtiger ist, eines correcten stiles versichern? U. doch müssen das die herren lehren. Ich – u. Schönbach u. die commission stimmte zu – verlangte nichts als eine kurze schriftliche interpretation eines kurzen stückes (womöglich aus dem lesebuch). Aber auch das wurde offenbar als erschwerung abgelehnt, man wollte ja erleichtern, erleichtern, um nur ja wieder den stand herunterzubringen.
Für das 3. heft danke ich sehr; ich kannte ja das meiste des heftes ausser der recens. u. der bibliographie durch Ihre güte schon. Köster über Bernays ist gut, mir wol noch einen ton zu hoch, aber doch bei diesem anlass nicht anders möglich. Imelmann über Tropsch hat mich sehr gefreut. Die bibliogr. liest man nun viel aufmerksamer, da so oft urteile dazwischen stehen; und denen werden Sie ja doch im register bleibende beachtung sichern. Messers büchlein über Mainzer schulwesen ist Ihnen wol zu minderwertig zur nennung; Sie haben recht, aber er bat mich darum, u. damit entschuldigte ich meine bitte an Sie.
Ists wahr, dass sich Fürst bei Ihnen habilitiert? Ich überflog eben seine novelle und bin ganz dumm von der recapitulation so vieler bekannter namen, da mir das schema der einteilung zu wenig scharfe kennzeichen trägt. Ich weiss wenig damit anzufangen, und war doppelt lernbegierig, da ich diesen winter novelle im seminar zu betreiben angekündigt habe.
Was gibt denn Rubensohn in der Übersetzerbibliothek? Es wäre doch schade um ein so frühes ende des unternehmens. Ich weiss nicht, was die verleger gegen gute, wenn auch längere einleitungen haben; sie machen doch den text für viele käufer unentbehrlicher, wenn sie auch verteuern. Wer will denn heute noch rohe texte? Felber allerdings soll schlecht stehen, wurde im sommer 96 behauptet.
Begreifen Sie, dass Walzel nach Bern berufen wurde? ich kann das nur für eine freundschaftstat Singers halten. Mir fiel gar nicht ein, ihn für Zürich zu empfehlen, obwol ich an ihn dachte. Ich wurde nemlich um rat angegangen, nachdem ich die frage, ob ich den ruf annähme, verneint hatte (nach schwerer überlegung, mehr aus rücksicht auf die künftige unsicherheit für meine familie als aus eigener unlust).
Batka war so freundlich, mir (1 od. 2) commentare zum Wielandbrief zu schicken; auch Ihnen danke ich ja neuerlich einen u. habe nun genug der kleinigkeit. Das honorar hat Fromme bald nach dem späten (ich hatte längst das heft von meinem sehr langsamen buchhändler) eintreffen der SA des ergänzungsheftes bezahlt. Vom 3. hefte lief noch nichts hier ein, als was Sie schickten.
Meine ferien verschwanden spurlos. Nur für die Göttinger ward ich schulden ledig. Das decanat störte mich immer wieder; es verging kaum ein tag ohne einlauf und manche brachten recht viel. Dann musste ich doch auch etwas spazieren gehen, und, wie Sie, bücher stauben und ordnen, und schliesslich lag ich 8 tage zu bette und war gut 3 wochen arbeitsunfähig durch diese dumme darmstörung. Jetzt bereite ich colleg vor und dann gehe ich an den Werther! mir graust vor der Collationirerei! wenn nur was herauskäme! Unser armer Gurlitt trauert, ganz vergrämt, um seinen vater. Schönbach kehrte frischer als seit jahren aus Schruns zurück. Von Zwierzinas habilitation verspreche ich mir gutes; er macht einen sehr reifen u. sehr gelehrten eindruck. G Mayer wird es kaum mehr lange treiben, er ist schon ganz vertiert. Ein jammer, unter dem Bauer, sein curator, am meisten leidet, weil er am meisten davon sehen muss.
Nach Dresden ging ich nicht, nach Weimar gehe ich nicht. Dorthin zog mich nichts als Burdachs vortrag. Hier starkt/stockt alles, seit Sophie tot und Suphan, wie es scheint, mehr beurlaubt als aktiv ist.
Elsters Principien verstehe ich nach der inhaltsübersicht, die er mir schickte, nicht; ich hab ihms auch geschrieben. Ob ich das buch verstehen werde? es ist noch nicht hier. Sehr neugierig bin ich auf Kochs Wieland in der ADB, den ich hier noch nicht sehen konnte. Wir sind immer hinten dran. Zwierzina hat zss. u. anderes aus Wien um wochen früher als der hiesige sortimenter liefert.
Witkowski u. Meier contra Milchsack sind gut. Wo ist nur Jellinek-Kraus gegen Niejahr erschienen? Niejahr schrieb vor langem, dass er es habe.
Mit den besten wünschen fürs semester grüsst
Ihr
ergebener
BSfft.

die Eliaschen Jahresberichte werden immer elender u. cliquenmässiger. Ihre nächste anzeige wird noch schroffer ausfallen als die letzte, für die ich Ihnen dank wusste.

Ich wurde nemlich um rat angegangen, nachdem ich die frage, ob ich den ruf annähme, verneint hatte (nach schwerer überlegung, mehr aus rücksicht auf die künftige unsicherheit für meine familie als aus eigener unlust).

Nach der erfolgten Berufung nach Graz blieb Seuffert bis zu seinem Lebensende dort. Verschiedene Berufungen an andere Universitäten (u.a. nach Zürich und Göttingen) lehnte er ab.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 7 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8865 [Druckausgabe Nr. 167]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8865/methods/sdef:TEI/get

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Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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