Graz 29 I 94

Lieber Freund Besten dank für die prospekte u. die einladungen. Einladungen gab ich nur Sittenberger, Eichler, Lunzer, Adamek. Letzterer wird im Organ Mittelschule auf mein ersuchen das erscheinen ankündigen. Sittenberger forderte ich zu einer notiz in der Deutschen ztg. auf, der er, freilich in anfängerstellung, dient. Eichler wird das Centrbl. f. bibl.-wesen versorgen u. ist, falls Sie ihm (Amanuensis der kk univ.-bibl. dr. Ferd. Eichler Graz Burgring 14) etwa ½ dutzend prospekte schicken, bereit, bibliotheksorgane in Amerika, London, Prais, Italien mit notizen zu versorgen. Die Grazer tagespost brachte eine ankündigung. An HDelbrück sandte ich prospekt mit der bitte um notiz in den Preuss. Jahrbb. Auch an Schlenther für die Vossische; freilich wenn Sie ihn nicht zur mitarbeit einladen, wird das nichts nützen, zumal Ihr prospekt gegen sein naturalistisches programm sich richtet. Die Weimarer ztg. liess ich durch Hofrat Bojanowski bedienen. Sie sehen ich suche für Ihr Blatt zu tun, was ich kann. Jedenfalls mehr, als irgendwer für die VJS. tat: ich habe aber auch niemand darum gebeten.
In Zürich laden Sie Odinga nicht ein, aber vielleicht Hedwig Waser.
Schönbach veranlasste ich, durch Sander, den Sie als Freund Schönbachs einladen könnten (er liess mir einmal durch diesen einen artikel fürs 17 jh anbieten oder vielmehr Schönbach bot ihn mir an, der aber bisher nicht fertig ward) eine Innsbrucker ztg. unterrichten zu lassen.
Schönbach hält die Grenzboten, könnte also regelmässiger referent über sie sein. Ebenso über einige engl. u. amerikanische blätter. (Artikel wie Stern über Erasm. Alberus in Grenzboten 1894 hft 2 würde ich nicht aufnehmen, das ist nur excerpt aus Schnorr.)
Und nun bin ich also bei der kritischen abteilung. Dass es mit der sachlichen ordnung der zss-artikel nicht gehen würde, vermutete ich. Ihre einteilung halte ich für durchführbar u. brauchbar. Über einzelnes haben wir verschiedene meinung, das macht nichts; es wird auch mehr theoretisch als praktisch sein. Ich halte nicht viel von regesten bei dingen, die überhaupt in extenso druckenswert wären; Sie wollen dagegen neue mitteilungen, briefe etc. ausführlicher behandeln als darstellungen. Können Sie so ausführlich sein, dass einer nach Ihrem excerpt allein arbeiten kann? Vielleicht misverstehe ich Sie auch. Mit schwebt vor: alles referat, betr. es zs. oder buch, soll den stoff angeben, worüber gehandelt ist u. zwar möglichst präcis, soll aber nie die excerpierte vorlage ersetzen wollen. Was nützt es mich ! eine behauptung ohne erschöpfende beweisführung zu lesen? U. wenn ich die nachricht eines briefes recht würdigen will, muss ich doch den ganzen ton und zusammenhang des briefes kennen. Also nicht ersatz, sondern nur hinweis auf alles, worüber etwas zu finden ist.
Antiquariatskataloge? d. i. vierteljährlich oft posthum.
Was recensiert werden soll, würde ich nicht auszeichnen; ein mal lässt Sie ein recensent sitzen, ein andermal bekommen Sie eine gute recension über ein buch, das Sie nicht besprechen lassen wollten; ich würde diese annehmen, auch wenn Sie den inhalt des buches schon bemerkt hatten. Aber die bücher, die Sie recens. lassen wollen, liesse auch ich ohne referat durchlaufen.
Recensionen gehören in die zeitschriftenschau. Dass frühergute recensionen, wie Sie sie erwähnen, erscheinen, als Sie das buch im einlauf verzeichnen, wird doch nach dem 1. zwei heften selten sein. U. ist es ein unterschied, ob Sie in verschiedenen zss. aufsätze über dasselbe thema verzettelt verzeichnen (das trifft sich doch nicht nur bei jubiläen) und ob Sie recensionen über dasselbe buch verzettelt verzeichnen? Das zusammenhalten der sachen geht nicht, wenn man nicht gruppenreferate bringen lässt. Ich fände übrigens nichts dahinter, wenn Sie in den seltenen fällen wo Sie zu einem neuen buch gleich eine bedeutende rec. zu verzeichnen wissen, dies vereinigen, während principiell die recc. unter den zss. verstreut stehen.
Minor, Kotzebue liesse ich: bei der benützung des buches unentbehrliche ergänzung nach biograph. und litthistor. seite sammelnd u. neuschöpferisch „Grundlegend“ wäre mir zu allgemein.
Mit Scherer’s Kl. schrften ! fangen Sie ja nicht an: ich bin sehr für pietät u. habe gerade das verhalten vieler gegen Scherer rücksichtslos getadelt; aber wer eine zs. eröffnet, darf durch einen solchen spitzartikel nicht den schein der partei erwecken. Dass ich Ihnen zu Goedeke V u. den Jahresberichten II etwas geben kann, ist mir höchst unwahrscheinlich.
Von meinen jungen Leuten ist keiner recensierreif, wenigstens keiner der noch in meinem bekanntenkreis ist.* Ich könnte doch höchstens nochmals über bücher referieren, die ich für die DLZ bespreche. Denn der Anz. u. die Göttgel. verbieten doppelte anzeige. Hassencamp: unmöglich jetzt; womöglich später eine anzeige von 2 bogen wenn Sie ein solches monstrum wollen. Was soll ich jetzt tun? Böhm, Wekhrlin? Lili 2. aufl.? Letzte serie Weimarer Goethe (natürl. streng objektiv)? Krause, Gottsched u. Flottwell? Biedermann, kommentar zu den Tages- u. jahresheften? Krause müsste mir Ihr verleger liefern. Das andere erhielt ich geschenkt, darum bespreche ichs nicht gern: ich habe dann rücksicht zu üben. Überhaupt kann ich jetzt keine irgend gediegene recension schreiben, ich habe zu viel anderes auf mir lasten. In einem alten privatdruck von gedd. der frsten ! zu Wied fand ich ein unbekanntes Wielandgedicht (brief): wollen Sie das, als notiz oder ganz? Sagen Sie frei heraus zu allem nein! Ich nehme nichts übel. Hätt ich was gutes, so sollten Sies haben; hab ich was gutes, was ich nicht andern längst schulde, so werden Sies kriegen, wenn Sie es denn wollen. Eilen Sie mit der ausgabe des 1. heftes nicht, warten Sie bis Sie lauter gute Sachen beisammen haben; mein 1. Heft war zu schwach in einzelnen teilen. Grüssend Ihr aufrichtiger BSfft

Am linken Rand der letzten Seite:Ich habe 11 prospekte versandt.

* Nach Ostern könnte Eichler über Flohrs Knittelvers referieren; er hat sammlungen über das nachleben des HSachs bis Goethe.

Graz 29 I 94

Lieber Freund Besten dank für die prospekte u. die einladungen. Einladungen gab ich nur Sittenberger, Eichler, Lunzer, Adamek. Letzterer wird im Organ Mittelschule auf mein ersuchen das erscheinen ankündigen. Sittenberger forderte ich zu einer notiz in der Deutschen ztg. auf, der er, freilich in anfängerstellung, dient. Eichler wird das Centrbl. f. bibl.-wesen versorgen u. ist, falls Sie ihm (Amanuensis der kk univ.-bibl. dr. Ferd. Eichler Graz Burgring 14) etwa ½ dutzend prospekte schicken, bereit, bibliotheksorgane in Amerika, London, Prais, Italien mit notizen zu versorgen. Die Grazer tagespost brachte eine ankündigung. An HDelbrück sandte ich prospekt mit der bitte um notiz in den Preuss. Jahrbb. Auch an Schlenther für die Vossische; freilich wenn Sie ihn nicht zur mitarbeit einladen, wird das nichts nützen, zumal Ihr prospekt gegen sein naturalistisches programm sich richtet. Die Weimarer ztg. liess ich durch Hofrat Bojanowski bedienen. Sie sehen ich suche für Ihr Blatt zu tun, was ich kann. Jedenfalls mehr, als irgendwer für die VJS. tat: ich habe aber auch niemand darum gebeten.
In Zürich laden Sie Odinga nicht ein, aber vielleicht Hedwig Waser.
Schönbach veranlasste ich, durch Sander, den Sie als Freund Schönbachs einladen könnten (er liess mir einmal durch diesen einen artikel fürs 17 jh anbieten oder vielmehr Schönbach bot ihn mir an, der aber bisher nicht fertig ward) eine Innsbrucker ztg. unterrichten zu lassen.
Schönbach hält die Grenzboten, könnte also regelmässiger referent über sie sein. Ebenso über einige engl. u. amerikanische blätter. (Artikel wie Stern über Erasm. Alberus in Grenzboten 1894 hft 2 würde ich nicht aufnehmen, das ist nur excerpt aus Schnorr.)
Und nun bin ich also bei der kritischen abteilung. Dass es mit der sachlichen ordnung der zss-artikel nicht gehen würde, vermutete ich. Ihre einteilung halte ich für durchführbar u. brauchbar. Über einzelnes haben wir verschiedene meinung, das macht nichts; es wird auch mehr theoretisch als praktisch sein. Ich halte nicht viel von regesten bei dingen, die überhaupt in extenso druckenswert wären; Sie wollen dagegen neue mitteilungen, briefe etc. ausführlicher behandeln als darstellungen. Können Sie so ausführlich sein, dass einer nach Ihrem excerpt allein arbeiten kann? Vielleicht misverstehe ich Sie auch. Mit schwebt vor: alles referat, betr. es zs. oder buch, soll den stoff angeben, worüber gehandelt ist u. zwar möglichst präcis, soll aber nie die excerpierte vorlage ersetzen wollen. Was nützt es mich ! eine behauptung ohne erschöpfende beweisführung zu lesen? U. wenn ich die nachricht eines briefes recht würdigen will, muss ich doch den ganzen ton und zusammenhang des briefes kennen. Also nicht ersatz, sondern nur hinweis auf alles, worüber etwas zu finden ist.
Antiquariatskataloge? d. i. vierteljährlich oft posthum.
Was recensiert werden soll, würde ich nicht auszeichnen; ein mal lässt Sie ein recensent sitzen, ein andermal bekommen Sie eine gute recension über ein buch, das Sie nicht besprechen lassen wollten; ich würde diese annehmen, auch wenn Sie den inhalt des buches schon bemerkt hatten. Aber die bücher, die Sie recens. lassen wollen, liesse auch ich ohne referat durchlaufen.
Recensionen gehören in die zeitschriftenschau. Dass frühergute recensionen, wie Sie sie erwähnen, erscheinen, als Sie das buch im einlauf verzeichnen, wird doch nach dem 1. zwei heften selten sein. U. ist es ein unterschied, ob Sie in verschiedenen zss. aufsätze über dasselbe thema verzettelt verzeichnen (das trifft sich doch nicht nur bei jubiläen) und ob Sie recensionen über dasselbe buch verzettelt verzeichnen? Das zusammenhalten der sachen geht nicht, wenn man nicht gruppenreferate bringen lässt. Ich fände übrigens nichts dahinter, wenn Sie in den seltenen fällen wo Sie zu einem neuen buch gleich eine bedeutende rec. zu verzeichnen wissen, dies vereinigen, während principiell die recc. unter den zss. verstreut stehen.
Minor, Kotzebue liesse ich: bei der benützung des buches unentbehrliche ergänzung nach biograph. und litthistor. seite sammelnd u. neuschöpferisch „Grundlegend“ wäre mir zu allgemein.
Mit Scherer’s Kl. schrften ! fangen Sie ja nicht an: ich bin sehr für pietät u. habe gerade das verhalten vieler gegen Scherer rücksichtslos getadelt; aber wer eine zs. eröffnet, darf durch einen solchen spitzartikel nicht den schein der partei erwecken. Dass ich Ihnen zu Goedeke V u. den Jahresberichten II etwas geben kann, ist mir höchst unwahrscheinlich.
Von meinen jungen Leuten ist keiner recensierreif, wenigstens keiner der noch in meinem bekanntenkreis ist.* Ich könnte doch höchstens nochmals über bücher referieren, die ich für die DLZ bespreche. Denn der Anz. u. die Göttgel. verbieten doppelte anzeige. Hassencamp: unmöglich jetzt; womöglich später eine anzeige von 2 bogen wenn Sie ein solches monstrum wollen. Was soll ich jetzt tun? Böhm, Wekhrlin? Lili 2. aufl.? Letzte serie Weimarer Goethe (natürl. streng objektiv)? Krause, Gottsched u. Flottwell? Biedermann, kommentar zu den Tages- u. jahresheften? Krause müsste mir Ihr verleger liefern. Das andere erhielt ich geschenkt, darum bespreche ichs nicht gern: ich habe dann rücksicht zu üben. Überhaupt kann ich jetzt keine irgend gediegene recension schreiben, ich habe zu viel anderes auf mir lasten. In einem alten privatdruck von gedd. der frsten ! zu Wied fand ich ein unbekanntes Wielandgedicht (brief): wollen Sie das, als notiz oder ganz? Sagen Sie frei heraus zu allem nein! Ich nehme nichts übel. Hätt ich was gutes, so sollten Sies haben; hab ich was gutes, was ich nicht andern längst schulde, so werden Sies kriegen, wenn Sie es denn wollen. Eilen Sie mit der ausgabe des 1. heftes nicht, warten Sie bis Sie lauter gute Sachen beisammen haben; mein 1. Heft war zu schwach in einzelnen teilen. Grüssend Ihr aufrichtiger BSfft

Am linken Rand der letzten Seite:Ich habe 11 prospekte versandt.

* Nach Ostern könnte Eichler über Flohrs Knittelvers referieren; er hat sammlungen über das nachleben des HSachs bis Goethe.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8663. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8663/methods/sdef:TEI/get

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