9/3 94

Lieber Freund! Meine Zeitschrift macht schon vor ihrem Erscheinen ihre erste Krisis durch u. anstatt daß ich Sie nunmehr mit meinen Angelegenheiten verschonen könnte, muß ich Ihnen im Gegentheil noch einmal alles ausführlich darlegen. Sind Sie soweit [nu]n leitend mit mir gegangen, so gehen Sie noch die nächste Strecke Weges mit. Vielleicht führt diese zum Ziele. Ich schrieb Ihnen schon, daß der Verleger gegen eine Bibliographie in der von mir geplanten Form ist. Auf meine Einwände etc. antwortete er mir: er habe vom Anfang an gemeint, ich verstünde unter Bibliographie nichts anderes als das jeweilige Verzeichnis der bei mir eingelaufenen Bücher. Durch eine Bibliographie in meinem Sinne setzen wir eine Prämie auf die Nichtein[lie]ferung von Recensionsexemplaren und auf Nichtinserierung. Denn wenn der Verleger dasselbe umsonst haben könne, werde er das doch nicht bezahlen. Wir schädigen ferner nach seiner Meinung den Sortimentsbuchhandel, rauben den Aufsätzen den Raum; meine Zusammenstellung würde denjenigen Lesern, die er sich als die breite Masse der Käufer vorstelle, nichts nützen. Es sei schade um die viele Mühe. Wie thöricht das alles ist, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Aber er ist mal so dumm und ich muß damit rechnen. Er hat nun, um nicht selbst die Verantwortung tragen zu müßen und um sie nicht wieder auf mich z[urü]ckzuwälzen, der ich sie auf ihn schob, einen Vertrauensmann, den er mir nannte, um seine Meinung gefragt. Darnach will er sich entscheiden. Das kann ich ihm nicht übel nehmen. Er handelt dadurch loyaler als Göschen, der Muncker hinter meinem Rücken um seine Meinung fragte. In den nächsten Tagen werd ich Antwort kriegen.
Nun fragt es sich aber, ob ich nicht überhaupt besser thue, ich lasse die ganze Bibliographie aus freien Stücken [fa]llen. Durchsetzen kann ich sie auch gegen den Willen des Verlegers; nach dem Contract kann er mir nichts drein reden. Aber ich darf dann meine contractlich normierten 10 Bogen nicht überschreiten. Und das wird sehr schwer möglich sein, wie Sie selbst mehrmals hervorgehoben haben. Ich hatte mir gedacht, nach den ersten 2 Heften etwa, wenn die Zeitschrift gut gienge, von ihm zu verlangen, daß er die Bibliographie in die 10 Bogen nicht mit einrechne. Auch hätte mit [der] Zeit dafür ein Hilfsarbeiter gesucht werden müßen; denn um die 400 (resp. 600 M, nach der Deckung aller Kosten) M. die ich bekomme kann ich das auf die Dauer nicht leisten. Also ich dachte mir, daß ich die Zeitschrift nach und nach werde erweitern können. Da der Verleger nun den Wert der Bibliographie nicht begreift, so wird er auch nicht dazu zu bringen sein, Opfer dafür zu bringen (stellt sich neuerdings doch sogar heraus, [d]aß ihm auch die Recensionen überflüßig scheinen); ich aber kann mich umsonst nicht aufreiben. Ich habe mich bereits in den abgelaufenen Monaten davon zur Genüge überzeugt: Die Aufsätze erfordern wenig Mühe, sowie ! ich die Redactionsthätigkeit auffasse. Die Orthographie regelt die Druckerei. Daß ich Aufsätze umschreibe, wie Sie, dazu könnte ich mich außer bei Arbeiten eigener Schüler schwerlich jemals entschließen. Der Recensionstheil macht viel mehr Mühe. Das Einfordern d. Bücher, das Suchen des Recensenten, das Senden der Bücher, das Mah[ne]n etc. Die Bibliographie, wie wir schließlich sie verabredeten, verschlingt ungeheuer viel Zeit. Also ich glaube, ich thue unter diesen Umständen am besten, ich gebe sie auf.
Es fragt sich in diesem Falle nur noch um ! folgendes: 1. Die kürzeren Notizen, die ich der ‚Bücherschau‘ einverleiben wollte, reihe ich diese unter die ‚Recensionen‘ ein oder fasse ich sie gle[ich] dem Anzeiger als ‚Notizen‘ zusammen?
2. Füge ich dem Verzeichnis der eingelaufenen Bücher solche Notizen gelegentlich bei oder nicht?
3. Da der Verleger auch die Zeitschriften- schau für überflüssig findet und ich sie auch aufgebe, soll ich die bei mir einlaufenden Separatdrucke aus Zeitschriften nicht dennoch verzeichnen? Nun etwa dabei wieder [zu]rückkehren zum (ersten) Muster der Historischen Zeitschrift? Oder Bücher u. Aufsätze getrennt nebeneinanderstellen, oder vereinigen wie Steins Archiv für Geschichte der Philosophie? Beides alphabetisch anordnen, oder doch chronologisch?
Ich glaube, es wird mit der Zeit so ziemlich das Meiste einlaufen. [P]ersönlich krieg ich doch manches geschenkt. Andres kann ich auch einschmuggeln trotz Verleger. Aber das Ganze dürfte jetzt doch mir jedes mal ein paar Seiten füllen. Und ich würde auch die Über- schrift darnach wählen: ‚Eingelaufene Bücher & Aufsätze‘ oder ‚Bei der Redaction sind in der Zeit von … bis … außer den bereits oben recensierten folgende Bücher & Aufsätze eingelaufen.‘
Mir würde die größte Sorg[e] von der Seele genommen, wenn ich die Bibliographie aufgeben könnte, ich wäre im Raum freier, könnte mich auch im Druck der einzelnen Hefte freier bewegen, brauchte nicht immer so zu rechnen, zu tüfteln, zu passen. Und endlich: kommt der Verleger vielleicht durch Recensionen über den Euphorion oder durch andre [E]inflüsse zu einer besseren Einsicht und begehrt von mir eine Bibliographie, so kann ich dann von ihm mehr Platz, mehr Geld und eine Hilfskraft begehren.
Das eine will ich noch erwähnen: wenn der eigene Verleger den betreffenden Passus des Prospectes so falsch auffasste, daß er nichts weiter erwartete als eine Seite Verzeichnis eingelaufener Bücher, so dürfte der Prospect dem Fallenlassen der Bibliographie nicht im Wege stehen. Dann werden sich auch andere Leute vielleicht nichts andres erwartet haben. Die Berücksichtigung aber der litterarhistorischen Litteratur [i]n fremden Sprachen, wie sie mein Prospect ausdrücklich verspricht: daran halt ich fest;* das werden Referate (auch wenn die Zeitschriften wie ich wünsche berücksichtigt werden) und die stelle ich eben auch unter: Recensionen u Referate. – Die versprochene „Kritische Übersicht“ sind dann eben die Recensionen. Und dieser Auffassung ist günstig, daß ich wo ich im Prospect die 3 Abtheilunge[n] der Zeitschrift durchzähle, ich von einer Bibliographie nicht ausdrücklich spreche. Vielmehr hätte die Zeitschrift mit der (geplanten) Bibliographie vier Abtheilungen und auch vier Schriftgattungen aufgewiesen.
Ich will nun nur noch hinzufügen, daß ich Manuscripte im allgemeinen genug habe (weil ich doch das le[tzt]e Mal klagte); meine Klage bezog sich auf die Corpusartikeln. Und auch das wird sich mit der Zeit geben.
Für meinen neuen Entschluß kann auch mitwirkend sein, daß die Existenz der Jahresberichte durch Schmidts Eintritt in die Redaction nun dauernd gesichert zu sein scheint. Herzlich grüßend Ihr aufrichtig u dankbar Erg. AS

weiter auf S. 7 Oder: Vielleicht stelle ich gleich jetzt dem Verleger die Alternative. Ich lasse die Bibliographie fallen, oder führe sie nur fort, wenn er sie in die 10 Bogen nicht mit einrechnet und separat bezahlt. Das wird er nicht.

* positioniert auf S. 7 Im ersten Heft stehen leider keine! Ich kann nicht drauf warten. Aber das setz ich im Vorwort auseinander.

9/3 94

Lieber Freund! Meine Zeitschrift macht schon vor ihrem Erscheinen ihre erste Krisis durch u. anstatt daß ich Sie nunmehr mit meinen Angelegenheiten verschonen könnte, muß ich Ihnen im Gegentheil noch einmal alles ausführlich darlegen. Sind Sie soweit [nu]n leitend mit mir gegangen, so gehen Sie noch die nächste Strecke Weges mit. Vielleicht führt diese zum Ziele. Ich schrieb Ihnen schon, daß der Verleger gegen eine Bibliographie in der von mir geplanten Form ist. Auf meine Einwände etc. antwortete er mir: er habe vom Anfang an gemeint, ich verstünde unter Bibliographie nichts anderes als das jeweilige Verzeichnis der bei mir eingelaufenen Bücher. Durch eine Bibliographie in meinem Sinne setzen wir eine Prämie auf die Nichtein[lie]ferung von Recensionsexemplaren und auf Nichtinserierung. Denn wenn der Verleger dasselbe umsonst haben könne, werde er das doch nicht bezahlen. Wir schädigen ferner nach seiner Meinung den Sortimentsbuchhandel, rauben den Aufsätzen den Raum; meine Zusammenstellung würde denjenigen Lesern, die er sich als die breite Masse der Käufer vorstelle, nichts nützen. Es sei schade um die viele Mühe. Wie thöricht das alles ist, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Aber er ist mal so dumm und ich muß damit rechnen. Er hat nun, um nicht selbst die Verantwortung tragen zu müßen und um sie nicht wieder auf mich z[urü]ckzuwälzen, der ich sie auf ihn schob, einen Vertrauensmann, den er mir nannte, um seine Meinung gefragt. Darnach will er sich entscheiden. Das kann ich ihm nicht übel nehmen. Er handelt dadurch loyaler als Göschen, der Muncker hinter meinem Rücken um seine Meinung fragte. In den nächsten Tagen werd ich Antwort kriegen.
Nun fragt es sich aber, ob ich nicht überhaupt besser thue, ich lasse die ganze Bibliographie aus freien Stücken [fa]llen. Durchsetzen kann ich sie auch gegen den Willen des Verlegers; nach dem Contract kann er mir nichts drein reden. Aber ich darf dann meine contractlich normierten 10 Bogen nicht überschreiten. Und das wird sehr schwer möglich sein, wie Sie selbst mehrmals hervorgehoben haben. Ich hatte mir gedacht, nach den ersten 2 Heften etwa, wenn die Zeitschrift gut gienge, von ihm zu verlangen, daß er die Bibliographie in die 10 Bogen nicht mit einrechne. Auch hätte mit [der] Zeit dafür ein Hilfsarbeiter gesucht werden müßen; denn um die 400 (resp. 600 M, nach der Deckung aller Kosten) M. die ich bekomme kann ich das auf die Dauer nicht leisten. Also ich dachte mir, daß ich die Zeitschrift nach und nach werde erweitern können. Da der Verleger nun den Wert der Bibliographie nicht begreift, so wird er auch nicht dazu zu bringen sein, Opfer dafür zu bringen (stellt sich neuerdings doch sogar heraus, [d]aß ihm auch die Recensionen überflüßig scheinen); ich aber kann mich umsonst nicht aufreiben. Ich habe mich bereits in den abgelaufenen Monaten davon zur Genüge überzeugt: Die Aufsätze erfordern wenig Mühe, sowie ! ich die Redactionsthätigkeit auffasse. Die Orthographie regelt die Druckerei. Daß ich Aufsätze umschreibe, wie Sie, dazu könnte ich mich außer bei Arbeiten eigener Schüler schwerlich jemals entschließen. Der Recensionstheil macht viel mehr Mühe. Das Einfordern d. Bücher, das Suchen des Recensenten, das Senden der Bücher, das Mah[ne]n etc. Die Bibliographie, wie wir schließlich sie verabredeten, verschlingt ungeheuer viel Zeit. Also ich glaube, ich thue unter diesen Umständen am besten, ich gebe sie auf.
Es fragt sich in diesem Falle nur noch um ! folgendes: 1. Die kürzeren Notizen, die ich der ‚Bücherschau‘ einverleiben wollte, reihe ich diese unter die ‚Recensionen‘ ein oder fasse ich sie gle[ich] dem Anzeiger als ‚Notizen‘ zusammen?
2. Füge ich dem Verzeichnis der eingelaufenen Bücher solche Notizen gelegentlich bei oder nicht?
3. Da der Verleger auch die Zeitschriften- schau für überflüssig findet und ich sie auch aufgebe, soll ich die bei mir einlaufenden Separatdrucke aus Zeitschriften nicht dennoch verzeichnen? Nun etwa dabei wieder [zu]rückkehren zum (ersten) Muster der Historischen Zeitschrift? Oder Bücher u. Aufsätze getrennt nebeneinanderstellen, oder vereinigen wie Steins Archiv für Geschichte der Philosophie? Beides alphabetisch anordnen, oder doch chronologisch?
Ich glaube, es wird mit der Zeit so ziemlich das Meiste einlaufen. [P]ersönlich krieg ich doch manches geschenkt. Andres kann ich auch einschmuggeln trotz Verleger. Aber das Ganze dürfte jetzt doch mir jedes mal ein paar Seiten füllen. Und ich würde auch die Über- schrift darnach wählen: ‚Eingelaufene Bücher & Aufsätze‘ oder ‚Bei der Redaction sind in der Zeit von … bis … außer den bereits oben recensierten folgende Bücher & Aufsätze eingelaufen.‘
Mir würde die größte Sorg[e] von der Seele genommen, wenn ich die Bibliographie aufgeben könnte, ich wäre im Raum freier, könnte mich auch im Druck der einzelnen Hefte freier bewegen, brauchte nicht immer so zu rechnen, zu tüfteln, zu passen. Und endlich: kommt der Verleger vielleicht durch Recensionen über den Euphorion oder durch andre [E]inflüsse zu einer besseren Einsicht und begehrt von mir eine Bibliographie, so kann ich dann von ihm mehr Platz, mehr Geld und eine Hilfskraft begehren.
Das eine will ich noch erwähnen: wenn der eigene Verleger den betreffenden Passus des Prospectes so falsch auffasste, daß er nichts weiter erwartete als eine Seite Verzeichnis eingelaufener Bücher, so dürfte der Prospect dem Fallenlassen der Bibliographie nicht im Wege stehen. Dann werden sich auch andere Leute vielleicht nichts andres erwartet haben. Die Berücksichtigung aber der litterarhistorischen Litteratur [i]n fremden Sprachen, wie sie mein Prospect ausdrücklich verspricht: daran halt ich fest;* das werden Referate (auch wenn die Zeitschriften wie ich wünsche berücksichtigt werden) und die stelle ich eben auch unter: Recensionen u Referate. – Die versprochene „Kritische Übersicht“ sind dann eben die Recensionen. Und dieser Auffassung ist günstig, daß ich wo ich im Prospect die 3 Abtheilunge[n] der Zeitschrift durchzähle, ich von einer Bibliographie nicht ausdrücklich spreche. Vielmehr hätte die Zeitschrift mit der (geplanten) Bibliographie vier Abtheilungen und auch vier Schriftgattungen aufgewiesen.
Ich will nun nur noch hinzufügen, daß ich Manuscripte im allgemeinen genug habe (weil ich doch das le[tzt]e Mal klagte); meine Klage bezog sich auf die Corpusartikeln. Und auch das wird sich mit der Zeit geben.
Für meinen neuen Entschluß kann auch mitwirkend sein, daß die Existenz der Jahresberichte durch Schmidts Eintritt in die Redaction nun dauernd gesichert zu sein scheint. Herzlich grüßend Ihr aufrichtig u dankbar Erg. AS

weiter auf S. 7 Oder: Vielleicht stelle ich gleich jetzt dem Verleger die Alternative. Ich lasse die Bibliographie fallen, oder führe sie nur fort, wenn er sie in die 10 Bogen nicht mit einrechnet und separat bezahlt. Das wird er nicht.

* positioniert auf S. 7 Im ersten Heft stehen leider keine! Ich kann nicht drauf warten. Aber das setz ich im Vorwort auseinander.

Briefdaten

Schreibort:
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-251
Umfang: 8 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8678 [Druckausgabe Nr. 140]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8678/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

LinksInformation

Das Bildmaterial dieser Webseite sind Reproduktionen aus den Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek und des Staatsarchivs Würzburg. Für jede weitere Verwendung wenden Sie sich bitte an die jeweilige Institution.