Prag 13.9.94
Smichow 586

Lieber Freund! Ich habe heute meine liegengebliebene Sommercorrespondenz aufgearbeitet und [m]ache nun den Schluß mit dem Brief an Sie, der mir Erholung und nicht Arbeit ist. Über den Sommer selbst hab ich wenig zu berichten. Es war still und ganz hübsch. Mit Heinzel und Minor angenehmer Verkehr, obgleich letzterer tauber und eingebildeter denn je ist. Wie wird das erst in 10–20 Jahren sein. Ich kam aber so ziemlich mit ihm aus. – Die Zeitschrift hat bis jetzt 209 Abonnenten. Das ist wenig. Aber der Verleger ist nicht mutlos u. ich habe bei der persönlichen Begegnung den Eindruck gewonnen, daß ihm sehr [an] der Erhaltung des Blattes liegt, da es seine Firma sehr hebt, diese der Hebung bedarf; Geld aber durch den großartigen Schulbücherverlag massenhaft eingeht, so daß er am Euphorion nichts zu verdienen braucht. Das 3. Heft ist fertig und kommt bald. Das 4. ist im Druck. Es bleiben mir nur 172 S. dafür übrig mit Inhalt Register u. Bibliographie. Bei letzterer will ichs so machen, daß ich die Zeitschriftenübersicht ausfallen lasse u. nur die Bücher bringe, weil diese im Oct. zu wissen angenehm ist. Im 1. Heft 95 hole ich dann alles nach, das 4. Heft enthält außer Ihrem Aufsatz noch den Sch[l]uß von Blumner Bismarck; dann Güntherstudien von A. Kopp; Creizenach: Alliteration bei Klopstock; Lauchert: Herders Ansichten über den Ursprung der Sprache; Miscellen von Bolte, Pawel, Funck. Unter den Recensionen hebe ich hervor: Kawerau Murner; Drescher Hans Sachs; Englert, Fischart. – Wirth über neuere germanist. Litt. in den Niederlanden. – Leider gehe ich aber ins neue Jahr mit massenhaftem Manuscript hinüber. So, daß ich nach meiner Schätzung fürs ganze Jahr mit Aufsätzen fast gedeckt bin. Ich war anfangs sehr mild mit dem Annehmen. Jetzt wirds anders werden. Den neuen Jahrgang eröffnet ein Schulartikel von einem Münchner Gymnasialprofessor Namens Brunner. Ich habe ihn auf Wunsch und Bitte des Verlegers schreiben lassen, der davon Hebung des Absatzes erwartet. Sicher kommt hinein: Veit Valentin über die Walpurgisnacht. ESchmidt Briefe von Schubart, Schiller, Uhland mit einigem sehr Schönem; Rubensohn [ein] großer schöner Opitzartikel; Hauffen über ein Volkslied. Wegen des anderen schwank ich noch. Eine große schöne Rec. von Spitzer über Alt das Charakteristisch Schöne wird das wissenschaftl. Renomee ! sehr heben. Überhaupt hab ich bereits ein paar ganz gute Recensionen liegen u. bereite selbst ein paar vor. Auf Ihre Wielandrecension rechne ich auch im Laufe des Jahres 1895. – Wie ich mich andrer angenommener Artikel entledige, [we]iß ich nicht. Zu einem Ergänzungsband oder Heft ists doch noch zu früh; auch dürfte der Verleger schwerlich dazu zu haben sein. – Nun eine Bitte. Sagen Sie mir, ob Sie schon Honorar für den Euphorion bekommen haben, für Heft 1? Der Verleger zahlt mich sehr pünktlich und hat auch sonst keinen Geldmangel; aber es ist ihm fatal die vielen kleinen Posten zu berechnen u. zu bezahlen. Drum verbummelt ers. Ich kann nun niemanden anderen fragen als Sie. – Von den DLD ist 49/50 erschienen; sagen Sie mirs, ob Ihnen Göschen 1 Ex. geschickt hat. Es liegt eins für Sie bei mir. Ich will nur das Hin u. Herschicken vermeiden. Von Heft 51 hab ich noch keine Exemplare. [Ic]h lege aber einen Prospect bei. Durch die Schuld des Setzer | über der Zeile ergänzt: Druckers| wurde es erst knapp zum Hallischen Jubiläum fertig; aber nur mit größter Mühe und wer weiß, wie die Einleitung aussieht, die ich mir ein 3. Mal nicht mehr senden lassen konnte. Unglückselicher ! Weise erschien aber gleichzeitig ein splendider Neudruck der Kleinen deutschen Schriften von Thomasius, den alle Festgäste umsonst bekommen u. der Erfolg war = 0. Im Buchhandel erscheint das Heft erst jetzt. Das neue Programm, das Ihnen so viel verdankt, ist reich und schön. Nehmen Sie die Worte am Schluß [de]r Einleitung gut auf. Sie sind aufrichtig gemeint. Nun sind alle meine Unternehmungen in Gang gebracht und machen mir weniger Mühe. Nun muß ich wieder für mich selbst sorgen; sonst gehe ich wissenschaftlich zu Grunde. – Hoffentlich geht es Ihnen und den Ihrigen gut. Grüßen Sie mir die Freunde: Schönbach, Bauer, Gurlitt, Zwiedineck und empfehlen Sie mich Ihrer lieben Frau. Die meinige grüßt herzlichst. Ihr aufrichtig Ergebener AS.

Prag 13.9.94
Smichow 586

Lieber Freund! Ich habe heute meine liegengebliebene Sommercorrespondenz aufgearbeitet und [m]ache nun den Schluß mit dem Brief an Sie, der mir Erholung und nicht Arbeit ist. Über den Sommer selbst hab ich wenig zu berichten. Es war still und ganz hübsch. Mit Heinzel und Minor angenehmer Verkehr, obgleich letzterer tauber und eingebildeter denn je ist. Wie wird das erst in 10–20 Jahren sein. Ich kam aber so ziemlich mit ihm aus. – Die Zeitschrift hat bis jetzt 209 Abonnenten. Das ist wenig. Aber der Verleger ist nicht mutlos u. ich habe bei der persönlichen Begegnung den Eindruck gewonnen, daß ihm sehr [an] der Erhaltung des Blattes liegt, da es seine Firma sehr hebt, diese der Hebung bedarf; Geld aber durch den großartigen Schulbücherverlag massenhaft eingeht, so daß er am Euphorion nichts zu verdienen braucht. Das 3. Heft ist fertig und kommt bald. Das 4. ist im Druck. Es bleiben mir nur 172 S. dafür übrig mit Inhalt Register u. Bibliographie. Bei letzterer will ichs so machen, daß ich die Zeitschriftenübersicht ausfallen lasse u. nur die Bücher bringe, weil diese im Oct. zu wissen angenehm ist. Im 1. Heft 95 hole ich dann alles nach, das 4. Heft enthält außer Ihrem Aufsatz noch den Sch[l]uß von Blumner Bismarck; dann Güntherstudien von A. Kopp; Creizenach: Alliteration bei Klopstock; Lauchert: Herders Ansichten über den Ursprung der Sprache; Miscellen von Bolte, Pawel, Funck. Unter den Recensionen hebe ich hervor: Kawerau Murner; Drescher Hans Sachs; Englert, Fischart. – Wirth über neuere germanist. Litt. in den Niederlanden. – Leider gehe ich aber ins neue Jahr mit massenhaftem Manuscript hinüber. So, daß ich nach meiner Schätzung fürs ganze Jahr mit Aufsätzen fast gedeckt bin. Ich war anfangs sehr mild mit dem Annehmen. Jetzt wirds anders werden. Den neuen Jahrgang eröffnet ein Schulartikel von einem Münchner Gymnasialprofessor Namens Brunner. Ich habe ihn auf Wunsch und Bitte des Verlegers schreiben lassen, der davon Hebung des Absatzes erwartet. Sicher kommt hinein: Veit Valentin über die Walpurgisnacht. ESchmidt Briefe von Schubart, Schiller, Uhland mit einigem sehr Schönem; Rubensohn [ein] großer schöner Opitzartikel; Hauffen über ein Volkslied. Wegen des anderen schwank ich noch. Eine große schöne Rec. von Spitzer über Alt das Charakteristisch Schöne wird das wissenschaftl. Renomee ! sehr heben. Überhaupt hab ich bereits ein paar ganz gute Recensionen liegen u. bereite selbst ein paar vor. Auf Ihre Wielandrecension rechne ich auch im Laufe des Jahres 1895. – Wie ich mich andrer angenommener Artikel entledige, [we]iß ich nicht. Zu einem Ergänzungsband oder Heft ists doch noch zu früh; auch dürfte der Verleger schwerlich dazu zu haben sein. – Nun eine Bitte. Sagen Sie mir, ob Sie schon Honorar für den Euphorion bekommen haben, für Heft 1? Der Verleger zahlt mich sehr pünktlich und hat auch sonst keinen Geldmangel; aber es ist ihm fatal die vielen kleinen Posten zu berechnen u. zu bezahlen. Drum verbummelt ers. Ich kann nun niemanden anderen fragen als Sie. – Von den DLD ist 49/50 erschienen; sagen Sie mirs, ob Ihnen Göschen 1 Ex. geschickt hat. Es liegt eins für Sie bei mir. Ich will nur das Hin u. Herschicken vermeiden. Von Heft 51 hab ich noch keine Exemplare. [Ic]h lege aber einen Prospect bei. Durch die Schuld des Setzer | über der Zeile ergänzt: Druckers| wurde es erst knapp zum Hallischen Jubiläum fertig; aber nur mit größter Mühe und wer weiß, wie die Einleitung aussieht, die ich mir ein 3. Mal nicht mehr senden lassen konnte. Unglückselicher ! Weise erschien aber gleichzeitig ein splendider Neudruck der Kleinen deutschen Schriften von Thomasius, den alle Festgäste umsonst bekommen u. der Erfolg war = 0. Im Buchhandel erscheint das Heft erst jetzt. Das neue Programm, das Ihnen so viel verdankt, ist reich und schön. Nehmen Sie die Worte am Schluß [de]r Einleitung gut auf. Sie sind aufrichtig gemeint. Nun sind alle meine Unternehmungen in Gang gebracht und machen mir weniger Mühe. Nun muß ich wieder für mich selbst sorgen; sonst gehe ich wissenschaftlich zu Grunde. – Hoffentlich geht es Ihnen und den Ihrigen gut. Grüßen Sie mir die Freunde: Schönbach, Bauer, Gurlitt, Zwiedineck und empfehlen Sie mich Ihrer lieben Frau. Die meinige grüßt herzlichst. Ihr aufrichtig Ergebener AS.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-268
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8712. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8712/methods/sdef:TEI/get

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Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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