Graz 23.XI 95

Lieber freund, Der unbescheidene Umfang meiner heutigen sendung soll Sie nicht erschrecken. Ich bitte für zwei Stücke um aufnahme in Ihren Euphorion; erwägen Sie ohne alle freundschaftliche rücksicht, ob Sie sie aufnehmen wollen: ich bin auf die zurückweisung gefasst, wenn ich freilich auch nicht weiss, wohin damit. Dass ich ohne Ihre erlaubnis erst zu erbitten, eine selbstanzeige beifügte, bedarf besonderer entschuldigung: ich dachte, Sie urteilen bequemer über sie, wenn sie zugleich mit dem artikel eintrifft. Am schlusse des artikels erwähnte ich unbekannte reste des briefwechsels zwischen Dalberg und Wieland; ich traute mich nicht durch hinzufügung der paar briefe Dalbergs zur selbstanzeige Sie noch mehr zu beladen.
Vom Schwarzischen artikel müsste ich, falls Sie ihn aufnehmen, 12 sonderabdrucke statt der üblichen 6 erbitten, da ich vielen gehülfen dank schulde. (Hoffentlich ist Koch nicht zu teuer damit.) Und ich schulde dank für das Grillparzerische und den Euphorion. Vorerst lassen Sie mich aussprechen, wie sehr ich Sie um das glück beneide, den vater noch an der seite zu haben und wie lebhaft ich wünsche, dass er Ihnen noch lange und rüstig erhalten bleibe!
Die blätter aus dem alten Österreich bergen die geschichte einer wählerei der dunkelmänner, wie meine Schwarziade; nur dass sie sich direkt gegen einen grösseren wenden. Wie prächtig sind die strophen, mit denen Sie anheben! Sie lassen die ganze elendigkeit der polizeinoten doppelt stark fühlen. Ich danke Ihnen, dass Sie mich an diesem genusse und an diesen aufhellenden actenstücken teil nehmen liessen.
Der Euphorion scheint mir besser als alle seine vorgänger. Für Burdach habe ich stets eine schwäche, wie Sie wissen, und so gefällt mir auch diese rede ausnehmend. Ranke ist köstlich. Mit Collins richtung vereinige ich mich immer noch nicht. Ich glaube nicht dass man beim weitblick von hoher zinne herab das detail besser beurteilt als in der nähe. Böttigerisches findet bei mir immer dank wegen Wielands. Die Humboldtiana sind ein vorzüglicher fund. Auch über Lenau höre ich gern. Bei den filiationen vermisse ich wieder die arbeit, die nach der sammlung folgt. Von den recensionen bevorzuge ich die Spitzers; auch auch aus den andern lernt man. Das zusammenfassen der personallitteratur bewährt sich. Ich denke, das heft muss viel beifall finden.
Leben Sie wol! ich muss den brief liegen lassen, bis ich endlich die SA erhalte, auf die ich seit 8 tagen vergeblich warte.
Grüssend
Ihr
BSeuffert.

Haben Sie aus den Todtengesprächen für E Kl. etwas brauchen können?

Graz 23.XI 95

Lieber freund, Der unbescheidene Umfang meiner heutigen sendung soll Sie nicht erschrecken. Ich bitte für zwei Stücke um aufnahme in Ihren Euphorion; erwägen Sie ohne alle freundschaftliche rücksicht, ob Sie sie aufnehmen wollen: ich bin auf die zurückweisung gefasst, wenn ich freilich auch nicht weiss, wohin damit. Dass ich ohne Ihre erlaubnis erst zu erbitten, eine selbstanzeige beifügte, bedarf besonderer entschuldigung: ich dachte, Sie urteilen bequemer über sie, wenn sie zugleich mit dem artikel eintrifft. Am schlusse des artikels erwähnte ich unbekannte reste des briefwechsels zwischen Dalberg und Wieland; ich traute mich nicht durch hinzufügung der paar briefe Dalbergs zur selbstanzeige Sie noch mehr zu beladen.
Vom Schwarzischen artikel müsste ich, falls Sie ihn aufnehmen, 12 sonderabdrucke statt der üblichen 6 erbitten, da ich vielen gehülfen dank schulde. (Hoffentlich ist Koch nicht zu teuer damit.) Und ich schulde dank für das Grillparzerische und den Euphorion. Vorerst lassen Sie mich aussprechen, wie sehr ich Sie um das glück beneide, den vater noch an der seite zu haben und wie lebhaft ich wünsche, dass er Ihnen noch lange und rüstig erhalten bleibe!
Die blätter aus dem alten Österreich bergen die geschichte einer wählerei der dunkelmänner, wie meine Schwarziade; nur dass sie sich direkt gegen einen grösseren wenden. Wie prächtig sind die strophen, mit denen Sie anheben! Sie lassen die ganze elendigkeit der polizeinoten doppelt stark fühlen. Ich danke Ihnen, dass Sie mich an diesem genusse und an diesen aufhellenden actenstücken teil nehmen liessen.
Der Euphorion scheint mir besser als alle seine vorgänger. Für Burdach habe ich stets eine schwäche, wie Sie wissen, und so gefällt mir auch diese rede ausnehmend. Ranke ist köstlich. Mit Collins richtung vereinige ich mich immer noch nicht. Ich glaube nicht dass man beim weitblick von hoher zinne herab das detail besser beurteilt als in der nähe. Böttigerisches findet bei mir immer dank wegen Wielands. Die Humboldtiana sind ein vorzüglicher fund. Auch über Lenau höre ich gern. Bei den filiationen vermisse ich wieder die arbeit, die nach der sammlung folgt. Von den recensionen bevorzuge ich die Spitzers; auch auch aus den andern lernt man. Das zusammenfassen der personallitteratur bewährt sich. Ich denke, das heft muss viel beifall finden.
Leben Sie wol! ich muss den brief liegen lassen, bis ich endlich die SA erhalte, auf die ich seit 8 tagen vergeblich warte.
Grüssend
Ihr
BSeuffert.

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Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 3 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8782. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8782/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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