Prag 4/5 99
Smichow 586
L. Fr. Ich danke Ihnen vielmals [fü]r Ihren lieben raschen Brief. Er hat mich etwas aufgerichtet, wenn ich auch noch immer mutlos bin. RMMeyer hat mir zwar gerathen, die Zs. aufzugeben; aber hat mir auch für den Fall des Weiterbestandes 400 M. jährlich angetragen, um die er Exemplare übernehmen will. Das nehme ich gerne an. 200 fl. vom Min. 240 fl. von Meyer = 440 fl das ist eigentlich nicht wenig. Vielleicht also bekomm ich jetzt einen Verleger. Auch mir wäre ein öst. oder süddeutscher lieber als ein Berliner, als Bock z. b, bei dem fremde Einflüße sich leicht geltend machen könnten. Ich habe zunächst Glossy ersucht, in Wien Umschau zu halten. Um die 400 M mehr wäre auch Fromme vielleicht bereit, die Sache fortzuführen; aber ich bin zu stolz, ihn darum zu bitten u. dann ärgert mich die ewige Öst. Lit. Gesch. –
Also Schönbach hat abgelehnt, Seemüller hat abgelehnt – was nun. Das wahrscheinlichste ist jetzt eine Terna: Detter Much Kraus; oder Detter Kraus Much. Seemüller setzt sich, ungefragt, sowie Heinzel sehr warm für Kraus ein und Seemüllers Argumente haben mir einen tieferen Eindruck gemacht als die Heinzels. Ich werde also wohl meine persönliche Voreingenommenheit zurückstellen müssen. Da ich weder Sch. noch S. haben [ka]nn, so ist mir persönlich die Sache jetzt auch gleichgültig, wenn wir nur fachlich nicht schlecht wegkommen. Sehr sympathisch nach s. Arbeiten wäre Pogatscher u. mir Schatz in Innsbruck; aber nach Seemüllers sehr wohlwollender Charakteristik ist er doch zu jung für uns. Man sagt mir allgemein, daß bei dem Paar Kraus-Jellinek der letztere der eigentliche böse Dämon sei u. daß sich Kraus, wenn er dessen Einfluss entzogen wäre, besser entwickeln würde. – Jellinek lehne ich aber entschieden ab; er soll ein frecher widerlicher Patron sein, auch droht unser Nachwuchs ganz jüdisch zu werden, während unsere Studenten nationaler sind denn je. Wissen Sie mir einen Rat, so entziehen Sie ihn mir nicht. Dienstag haben wir die nächste Commissionssitzg., in der wir schlüssig werden müssen.
Schönbachs Ablehnung mussten wir halb & halb erwarten; auf die Seemüllers war ich aber nicht gefasst.
Verzeihen Sie, wenn ich etwas confus schreibe; ich hab so vieles im Kopf.
Herzlichst
Ihr
treulichst erg
ASauer
Bitte, haben Sie die richtigen SA. von Heft 1 bekommen? Meyer hat nemlich falsche bekommen!
Prag 4/5 99
Smichow 586
L. Fr. Ich danke Ihnen vielmals [fü]r Ihren lieben raschen Brief. Er hat mich etwas aufgerichtet, wenn ich auch noch immer mutlos bin. RMMeyer hat mir zwar gerathen, die Zs. aufzugeben; aber hat mir auch für den Fall des Weiterbestandes 400 M. jährlich angetragen, um die er Exemplare übernehmen will. Das nehme ich gerne an. 200 fl. vom Min. 240 fl. von Meyer = 440 fl das ist eigentlich nicht wenig. Vielleicht also bekomm ich jetzt einen Verleger. Auch mir wäre ein öst. oder süddeutscher lieber als ein Berliner, als Bock z. b, bei dem fremde Einflüße sich leicht geltend machen könnten. Ich habe zunächst Glossy ersucht, in Wien Umschau zu halten. Um die 400 M mehr wäre auch Fromme vielleicht bereit, die Sache fortzuführen; aber ich bin zu stolz, ihn darum zu bitten u. dann ärgert mich die ewige Öst. Lit. Gesch. –
Also Schönbach hat abgelehnt, Seemüller hat abgelehnt – was nun. Das wahrscheinlichste ist jetzt eine Terna: Detter Much Kraus; oder Detter Kraus Much. Seemüller setzt sich, ungefragt, sowie Heinzel sehr warm für Kraus ein und Seemüllers Argumente haben mir einen tieferen Eindruck gemacht als die Heinzels. Ich werde also wohl meine persönliche Voreingenommenheit zurückstellen müssen. Da ich weder Sch. noch S. haben [ka]nn, so ist mir persönlich die Sache jetzt auch gleichgültig, wenn wir nur fachlich nicht schlecht wegkommen. Sehr sympathisch nach s. Arbeiten wäre Pogatscher u. mir Schatz in Innsbruck; aber nach Seemüllers sehr wohlwollender Charakteristik ist er doch zu jung für uns. Man sagt mir allgemein, daß bei dem Paar Kraus-Jellinek der letztere der eigentliche böse Dämon sei u. daß sich Kraus, wenn er dessen Einfluss entzogen wäre, besser entwickeln würde. – Jellinek lehne ich aber entschieden ab; er soll ein frecher widerlicher Patron sein, auch droht unser Nachwuchs ganz jüdisch zu werden, während unsere Studenten nationaler sind denn je. Wissen Sie mir einen Rat, so entziehen Sie ihn mir nicht. Dienstag haben wir die nächste Commissionssitzg., in der wir schlüssig werden müssen.
Schönbachs Ablehnung mussten wir halb & halb erwarten; auf die Seemüllers war ich aber nicht gefasst.
Verzeihen Sie, wenn ich etwas confus schreibe; ich hab so vieles im Kopf.
Herzlichst
Ihr
treulichst erg
ASauer
Bitte, haben Sie die richtigen SA. von Heft 1 bekommen? Meyer hat nemlich falsche bekommen!
Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur:
Autogr. 422/1-368
Umfang: 4 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8915 [Druckausgabe Nr. 178]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8915/methods/sdef:TEI/get
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