Goisern Gasthof zum
Bären 20.7.02.

Lieber freund, Ihre warme aufnahme meiner blätter tut mir sehr wol; ich danke herzlich für beide briefe und die mühe des nacharbeitens, die Sie mir gönnen.
Der gartentempel ist m.w. etwas anderes als der gartensaal. Dieser ist dem badepublicum schon damals offen gewesen, auch mit wirtschaft; der gartentempel ist m.w. ans theater angebaut oder nahe dabei, war für die fürstlichkeiten u. ihre gäste abgesperrt; hier hat G. vorgelesen.
Dass Goethe von Karl Aug. nach Eisenberg geschickt worden, weiss ich; nicht, dass er öfter dort war; eigentlich wichtig wäre mir nur, dass er dorthin mit einer jagdgesellschaft ritt, u. das weiss ich nicht. Da er für die jagd in E. keine locale angibt in der Novelle, so schien ist mir überflüssig dorthin zu folgen: ich wollte nicht behaupten, dass die jagd gerade dahin ging; ich führte nur an, dass man wirklich herbstjagden von T. aus unternahm.
Eines wäre mir lieb zu erfahren: ob damals schmiedehandwerk in das Erz- oder im Mittelgebirge getrieben wurde, ich habe vergeblich nach einem beleg gesucht; die Nov. setzt es voraus.
Ich weiss, dass Wukadinović u. Eichler, beide halbe Teplitzer meine auslegung nicht in die Novelle hineinlesen können. Das heutige bild ist eben total verändert.
Auf den Mont Ligne habe ich nebenher hingewiesen u. dachte selbst an eine verquickung. Aber ich gab den einfall auf, weil fürst L. damals doch nur sehr wenig getan hat, er lange nach Goethes aufenthalt wurde der berg eigentlich hergerichtet u. gepflegt. Und ich glaube nicht, dass G. über das hinaus ging, was er selbst gesehen hat, auch nicht falls ihn die spätere aufl. Eichlers sollte aufgerüttelt haben. Ich halte für wahrscheinlich, dass frst. L. oder Clary zeichnungen der ruine machen liess u. an eine herrichtung zum „zauber- schloss“, wie die Nov. sagt, dachten. Aber ich kann es nicht beweisen. Im Claryschen archiv wird mans vielleicht finden, wie im schloss vielleicht auch noch eine erinnerung an die tigerschlittendecke zu finden sein wird. Ich habe deswegen einmal überlegt unsern Grazer statthalter, der ein Clary ist, zu befragen; ich mochte aber nicht, da ich den herrn bisher überhaupt nicht kenne. Jetzt habe ich nur im sinn, ihm einen S.A. zu geben u. zu sehen, wie er reagiert. Vielleicht lass ich das aber auch stehen; man muss den localforschern was übrig lassen.
Sehr triftig ist Ihr hinweis auf den frömmigkeitszusammenhang zwischen Betrachtung u. Novelle. Ich war u. bin in dieser beziehung etwas voreingenommen durch meine untersuchung im Goethejahrb. Ich fand das dort gesagte auch heute noch für mich überzeugend. Und so kann ich auch nicht ganz in Ihre bahn einlenken. Immerhin würde ich durch Ihre anregung jetzt gegen ende folgendes etwa hinzusetzen: ich lege es lieber auf einem blatte bei!* Allerdings würde ich gerne erst noch die Novelle, die Betrachtung u. meinen Aufsatz im GJ durchle sen, ob ich es so vertreten kann, u. auch sehen, wie es sich in mein mscpt. eingliedert.
Ich komme nicht darüber hinweg, dass das alte epos im wesentlichen stoff u. auffassung so gegeben hat, wie die Novelle. Ich glaube nicht, dass G. durch die lectüre des ????? mit Schiller so stark in dessen Theorie zurückversetzt worden ist: die hat damals gewirkt, als das artistische epos verf. werden sollte, aber 30 jj. später nicht mehr. Der feste alte bestand hinderte auch zu viel neues – ausser im detail. – (Mit den Wanderjahren sollte ich mich einmal als redactor befassen. Ob es noch dazu kommt, weiss ich nicht; die arbeit stockt. Mir ist nicht erinnerlich, dass die Amerikareise des hggs. Bernhard für sie herangezogen wurden.
Dank auch für den Lichtenberg, Leitzmann hat mir ihn auch gesandt. An wen darf ich das heft in Ihrem namen senden?)
Ich wüsste gerne von einem Grund im Hang. Das motiv des tiger-löwen-entspringens lässt sich vielleicht auch datieren, ist aber nicht selten genug u. liegt gewiss vor 1797. Es könnte nur ein neues erlebnis die alte bekanntschaft neu belebt haben; darum hat Wukad. für mich in böhm. ztgen nachgesehen, umsonst.
Verzeihen Sie die unordnung des briefes. Ich fand gestern abends Ihre beiden briefe vor u. will doch heute antworten. Ihre freundschaftlichen anregungen verdienten aber strengere überlegung, als sie mir heute mögl. ist. Ich selbst bin auf die sache als redactor von 41 T gekommen, wo ich die Fr. betr. aufmerksam lesen musste; also zufällig.
Schliesslich: wenn Sie das stück Ihrem buch eingliedern können u. wollen, so wird es mir freude machen, mit Ihnen hand in hand zu erscheinen. Aber Sie müssen überzeugt sein, dass es zu Ihrem werke sachlich passt. Ob Sie die herausgeber darüber befragen müssen, weiss ich nicht. Nur eines erbitte ich mir von Ihnen: die G.G. u. ihre schriftenleiter dürfen nicht den eindruck aus Ihrer etwaigen anfrage gewinnen, als ob sie damit Ihnen oder mir einen dienst erwiesen. Ich möchte Sie in keiner kleinigkeit in die lage setzen, die G.G. um etwas zu bitten u. ich auch selbst möchte nicht, dass irgendwer des ausschusses in die einbildung verfällt, man könne Ihnen oder mir eine gunst erweisen. Wir sind die gebenden, jene haben zu danken.
Mit den besten wünschen für Weimar u. Marienbad
Ihr dankbarer
BSfft.

Die ziffern citate des aufsatzes können natürl. alle unter den strich kommen, so gewinnt er vielleicht an lesbarkeit.

* Es kommt mir aber recht gezwungen vor, da ich mich unsicher fühle u. den zusammenhang entbehre mit dem geschriebenen.

Goisern Gasthof zum
Bären 20.7.02.

Lieber freund, Ihre warme aufnahme meiner blätter tut mir sehr wol; ich danke herzlich für beide briefe und die mühe des nacharbeitens, die Sie mir gönnen.
Der gartentempel ist m.w. etwas anderes als der gartensaal. Dieser ist dem badepublicum schon damals offen gewesen, auch mit wirtschaft; der gartentempel ist m.w. ans theater angebaut oder nahe dabei, war für die fürstlichkeiten u. ihre gäste abgesperrt; hier hat G. vorgelesen.
Dass Goethe von Karl Aug. nach Eisenberg geschickt worden, weiss ich; nicht, dass er öfter dort war; eigentlich wichtig wäre mir nur, dass er dorthin mit einer jagdgesellschaft ritt, u. das weiss ich nicht. Da er für die jagd in E. keine locale angibt in der Novelle, so schien ist mir überflüssig dorthin zu folgen: ich wollte nicht behaupten, dass die jagd gerade dahin ging; ich führte nur an, dass man wirklich herbstjagden von T. aus unternahm.
Eines wäre mir lieb zu erfahren: ob damals schmiedehandwerk in das Erz- oder im Mittelgebirge getrieben wurde, ich habe vergeblich nach einem beleg gesucht; die Nov. setzt es voraus.
Ich weiss, dass Wukadinović u. Eichler, beide halbe Teplitzer meine auslegung nicht in die Novelle hineinlesen können. Das heutige bild ist eben total verändert.
Auf den Mont Ligne habe ich nebenher hingewiesen u. dachte selbst an eine verquickung. Aber ich gab den einfall auf, weil fürst L. damals doch nur sehr wenig getan hat, er lange nach Goethes aufenthalt wurde der berg eigentlich hergerichtet u. gepflegt. Und ich glaube nicht, dass G. über das hinaus ging, was er selbst gesehen hat, auch nicht falls ihn die spätere aufl. Eichlers sollte aufgerüttelt haben. Ich halte für wahrscheinlich, dass frst. L. oder Clary zeichnungen der ruine machen liess u. an eine herrichtung zum „zauber- schloss“, wie die Nov. sagt, dachten. Aber ich kann es nicht beweisen. Im Claryschen archiv wird mans vielleicht finden, wie im schloss vielleicht auch noch eine erinnerung an die tigerschlittendecke zu finden sein wird. Ich habe deswegen einmal überlegt unsern Grazer statthalter, der ein Clary ist, zu befragen; ich mochte aber nicht, da ich den herrn bisher überhaupt nicht kenne. Jetzt habe ich nur im sinn, ihm einen S.A. zu geben u. zu sehen, wie er reagiert. Vielleicht lass ich das aber auch stehen; man muss den localforschern was übrig lassen.
Sehr triftig ist Ihr hinweis auf den frömmigkeitszusammenhang zwischen Betrachtung u. Novelle. Ich war u. bin in dieser beziehung etwas voreingenommen durch meine untersuchung im Goethejahrb. Ich fand das dort gesagte auch heute noch für mich überzeugend. Und so kann ich auch nicht ganz in Ihre bahn einlenken. Immerhin würde ich durch Ihre anregung jetzt gegen ende folgendes etwa hinzusetzen: ich lege es lieber auf einem blatte bei!* Allerdings würde ich gerne erst noch die Novelle, die Betrachtung u. meinen Aufsatz im GJ durchle sen, ob ich es so vertreten kann, u. auch sehen, wie es sich in mein mscpt. eingliedert.
Ich komme nicht darüber hinweg, dass das alte epos im wesentlichen stoff u. auffassung so gegeben hat, wie die Novelle. Ich glaube nicht, dass G. durch die lectüre des ????? mit Schiller so stark in dessen Theorie zurückversetzt worden ist: die hat damals gewirkt, als das artistische epos verf. werden sollte, aber 30 jj. später nicht mehr. Der feste alte bestand hinderte auch zu viel neues – ausser im detail. – (Mit den Wanderjahren sollte ich mich einmal als redactor befassen. Ob es noch dazu kommt, weiss ich nicht; die arbeit stockt. Mir ist nicht erinnerlich, dass die Amerikareise des hggs. Bernhard für sie herangezogen wurden.
Dank auch für den Lichtenberg, Leitzmann hat mir ihn auch gesandt. An wen darf ich das heft in Ihrem namen senden?)
Ich wüsste gerne von einem Grund im Hang. Das motiv des tiger-löwen-entspringens lässt sich vielleicht auch datieren, ist aber nicht selten genug u. liegt gewiss vor 1797. Es könnte nur ein neues erlebnis die alte bekanntschaft neu belebt haben; darum hat Wukad. für mich in böhm. ztgen nachgesehen, umsonst.
Verzeihen Sie die unordnung des briefes. Ich fand gestern abends Ihre beiden briefe vor u. will doch heute antworten. Ihre freundschaftlichen anregungen verdienten aber strengere überlegung, als sie mir heute mögl. ist. Ich selbst bin auf die sache als redactor von 41 T gekommen, wo ich die Fr. betr. aufmerksam lesen musste; also zufällig.
Schliesslich: wenn Sie das stück Ihrem buch eingliedern können u. wollen, so wird es mir freude machen, mit Ihnen hand in hand zu erscheinen. Aber Sie müssen überzeugt sein, dass es zu Ihrem werke sachlich passt. Ob Sie die herausgeber darüber befragen müssen, weiss ich nicht. Nur eines erbitte ich mir von Ihnen: die G.G. u. ihre schriftenleiter dürfen nicht den eindruck aus Ihrer etwaigen anfrage gewinnen, als ob sie damit Ihnen oder mir einen dienst erwiesen. Ich möchte Sie in keiner kleinigkeit in die lage setzen, die G.G. um etwas zu bitten u. ich auch selbst möchte nicht, dass irgendwer des ausschusses in die einbildung verfällt, man könne Ihnen oder mir eine gunst erweisen. Wir sind die gebenden, jene haben zu danken.
Mit den besten wünschen für Weimar u. Marienbad
Ihr dankbarer
BSfft.

Die ziffern citate des aufsatzes können natürl. alle unter den strich kommen, so gewinnt er vielleicht an lesbarkeit.

* Es kommt mir aber recht gezwungen vor, da ich mich unsicher fühle u. den zusammenhang entbehre mit dem geschriebenen.

Briefdaten

Schreibort: Goisern, Oberösterreich
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 6 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-9037. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.9037/methods/sdef:TEI/get

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