Obertressen 41
bei Aussee Steiermark
Lieber freund, Die aussicht Sie zu sehen ist mir sehr erfreulich. Nur kann ich in keiner Weise zugeben, dass ich über die einrichtung der Grillp.-ausg. irgend einen rat wüsste, den Sie nicht selbst sich besser geben können. Sie sind als herausgeber erfahrener u. geübter als ich. Und dazu kommt, dass jede ausgabe doch die besondern eigenheiten ihres inhalts zur norm nehmen muss, und diese eigenheiten kennt doch in der welt niemand als Sie. Ich insbesondere habe Grillp. gegenüber absolut kein gedächtnis; ich weiss nicht, woran es liegt: sachen aus dem 17. jh. bleiben mir lebendiger als seine werke. Ich habe geraden diesen sommer anlass gehabt, die meisten bände wieder durchzulesen und trotzdem müsste ichs heute wieder tun, wenn ich ein rigorosum darüber abnehmen sollte. Ich ringe vergebens darnach, mir eine lebendige vorstellung der entwicklung im einzelnen u. der besonderheit jedes werkes im sinne zu halten. Schönbach sagt: ich sei eben kein Österreicher. So gering denke ich aber nicht von Gr., dass ich nur einen augenblick meinen könnte, er sei nur für Östreicher zugänglich. Ich muss da einen ganz besonderen defekt haben. Auch von der seite her können Sie also von mir wenig oder nichts erwarten.
Das dürfen Sie aber bei leibe nicht so verstehen, als ob ich es nicht mir zur ehre und zu wirklicher freude rechnete, mit Ihnen alles durchzusprechen, was Sie gerne besprechen. Es wird mir eine aufrichtige genugtuung sein, so viel anteil an Ihrer ausgabe zu gewinnen, deren sicherung ich ja mit der herzlichsten freude begrüsse. Es gereicht dem magistrat, für den ich sonst wenig übrig habe, zur ehre, dass er das notwendige werk tat und dass er es dem anvertraut, der es allein gut tun kann.
Ich muss am 3. September in Biberach Wieland predigen. Vorher geh ich wol zur begrüssung meiner geschwister nach Traunstein. Nachher wieder hierher; ich kann die Lage nicht genau bestimmen. Am 18. ist gymnasiumsanfang, da bin ich sicher in Graz zurück. Ich werde Ihnen nach Prag schreiben, wann ich heimgehe; jedenfalls zwischen dem 13. u. 16. Ich besitze nur Ihre erste ausgabe, Schönbach hat eine neuere. Und der will um den 8. septbr. heim.
Es tut mir sehr leid, dass Sie eine so strenge kur nötig haben. Hoffentlich stärkt Sie sie völlig. Ich habe hier jeden tag gearbeitet, wegen des vortrags, den ich noch nicht fertig habe; immer wieder fehlt es an den büchern, die ich zu hause so bequem hätte.
Also: auf frohes wiedersehen! wenn ich Sie den andern freunden, die Sie auch gerne sehen, entziehen dürfte, würde ich Ihnen nach Bruck oder Mürzzuschlag entgegenfahren. In steten treuen Ihr
aufrichtig ergebener
BSfft.
Obertressen 41
bei Aussee Steiermark
Lieber freund, Die aussicht Sie zu sehen ist mir sehr erfreulich. Nur kann ich in keiner Weise zugeben, dass ich über die einrichtung der Grillp.-ausg. irgend einen rat wüsste, den Sie nicht selbst sich besser geben können. Sie sind als herausgeber erfahrener u. geübter als ich. Und dazu kommt, dass jede ausgabe doch die besondern eigenheiten ihres inhalts zur norm nehmen muss, und diese eigenheiten kennt doch in der welt niemand als Sie. Ich insbesondere habe Grillp. gegenüber absolut kein gedächtnis; ich weiss nicht, woran es liegt: sachen aus dem 17. jh. bleiben mir lebendiger als seine werke. Ich habe geraden diesen sommer anlass gehabt, die meisten bände wieder durchzulesen und trotzdem müsste ichs heute wieder tun, wenn ich ein rigorosum darüber abnehmen sollte. Ich ringe vergebens darnach, mir eine lebendige vorstellung der entwicklung im einzelnen u. der besonderheit jedes werkes im sinne zu halten. Schönbach sagt: ich sei eben kein Österreicher. So gering denke ich aber nicht von Gr., dass ich nur einen augenblick meinen könnte, er sei nur für Östreicher zugänglich. Ich muss da einen ganz besonderen defekt haben. Auch von der seite her können Sie also von mir wenig oder nichts erwarten.
Das dürfen Sie aber bei leibe nicht so verstehen, als ob ich es nicht mir zur ehre und zu wirklicher freude rechnete, mit Ihnen alles durchzusprechen, was Sie gerne besprechen. Es wird mir eine aufrichtige genugtuung sein, so viel anteil an Ihrer ausgabe zu gewinnen, deren sicherung ich ja mit der herzlichsten freude begrüsse. Es gereicht dem magistrat, für den ich sonst wenig übrig habe, zur ehre, dass er das notwendige werk tat und dass er es dem anvertraut, der es allein gut tun kann.
Ich muss am 3. September in Biberach Wieland predigen. Vorher geh ich wol zur begrüssung meiner geschwister nach Traunstein. Nachher wieder hierher; ich kann die Lage nicht genau bestimmen. Am 18. ist gymnasiumsanfang, da bin ich sicher in Graz zurück. Ich werde Ihnen nach Prag schreiben, wann ich heimgehe; jedenfalls zwischen dem 13. u. 16. Ich besitze nur Ihre erste ausgabe, Schönbach hat eine neuere. Und der will um den 8. septbr. heim.
Es tut mir sehr leid, dass Sie eine so strenge kur nötig haben. Hoffentlich stärkt Sie sie völlig. Ich habe hier jeden tag gearbeitet, wegen des vortrags, den ich noch nicht fertig habe; immer wieder fehlt es an den büchern, die ich zu hause so bequem hätte.
Also: auf frohes wiedersehen! wenn ich Sie den andern freunden, die Sie auch gerne sehen, entziehen dürfte, würde ich Ihnen nach Bruck oder Mürzzuschlag entgegenfahren. In steten treuen Ihr
aufrichtig ergebener
BSfft.
Schreibort: Obertressen bei Aussee, Steiermark
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-9232 [Druckausgabe Nr. 245]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.9232/methods/sdef:TEI/get
LizenzhinweisDie Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.
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