Di, 12 9 50:

Wieder um 4h auf. Öderer, langsam vergehender Vormittag.

Daheim nur einige Ordnungen. Die "Neuen Wege" kamen an.

Um ,17h die Sitzung. Altmann, Artmann, Fritsch, Hauer, Kein, Polakovics, Stenzl. Planung eines "Problematiker-Kreises". Fritsch schreibt sehr gut!

Es wurden seine und Artmanns Sachen und einige neue Einreichungen an Ort und Stelle geprüft. Schön. Heimweg Wirtshaus. Halb elf heimgekommen.

Mi, 13 9 50:

Nur 5 Stunden geschlafen. Las früh vor dem Weggehen noch in den "Neuen Wegen" (Existentialismus Strobach usw.), ging dann wieder zu Fuß, 6h Dienstantritt, auch hier noch gelesen (Lyrik; HP Höhepunkt : Weißenborn, Hauer, auch meine Sachen; es ist so ausgleichend). Ich hatte den Einfall, meine drei Exerzitien einzusenden. Ich dachte nach. Lehnte heute meist im Eck. Der Bürgermeister kam. Man muß sagen: Er ist wirklich beliebt bei den Wienern.

"Hast du stets mit deinem Bart zu ringen - Maka Klingen werden ihn bezwingen."

Etwas besser als gestern. Existentielle Gedanken, ixch habe keine Angst mehr im wesentlichen vor ihnen.

Nachmittag daheim. Ein Paket von Hanecker kam.

Do, 14 9 50:

Wieder zu Fuß. Etwas verspätet. Gedanken gegen die Dekadenz. Ich las das Magazin "Cocktail", das einer Geschäftsdame gehörte, in einer Koje, als noch niemand da war. Es ist immer dasselbe harmlos-dumme bis böswillige, aber reizlose Gesudel, von Hollywood über die dünne Kurzgeschichte bis zum "Kampf der Geschlechter" und dem Schlagwort vom "Physiologischen Schwachsinn der Frau". Dabei diese Bemühung um einen Beigeschmack von Reiz, der aber nur für die Verderbtheit Impotenter einer sein kann.

Mikrophon, "klar gesprochen", Reklamesprüchlein gemacht und durchgegeben.

Die Zeit verging viel rascher.

Daheim war es gemütlich. Ich las noch viel im Septemberheft der "Neuen Wege" üund schrieb dann einige meiner Gedichte rein, um sie einzureichen.

Versuchte zu dichten. Das mißlang. Abend gab es Schnitzel. Ich hatte den großen Wunsch nach einem lieben Mädchen. Auch über meine Fremdheit in den Sphären der Metaphysik, der non-zentrierten Erotik und der Politik (übrigens ebenso des Technizismus) nachgedacht. Meine Gedichte über diese Themen könnten mich nie repräsentieren in meiner ganzen Eigenart. Es sind nur Meinungen, nicht meine eigentlichen Aussagen. Jedesmal aber, wenn die Einbrüche aus diesen fremden Gebieten erfolgen, bin ich zur Reaktion gezwungen, und die ist immer leidenschaftlich. So könnte man etwa gar denken, wenn solche Reaktionsgedichte erhalten blieben, solche Gedanken hätten meinen eigentliches Leben ausgemacht. Wie lächerlich. Es sind Episoden, die hinter mir gelassen zu haben ich jedesmal herzlich froh bin. Mein wahres Gebiet ist das der gefühlten Werte und des gefühlten Lebens überhaupt.

Versuch einer Deutung dieses Phänomens: Die Metaphysik ist unklärbar. Sie führt, auch wenn man ihr mit Ahnung sehr nahe kommt, immer zur Forderung nach dem werthaften diesseitigen Leben zurück. Non-zentrierte Erotik (die Erotik im üblichen Sinn), Politik und Technik sind äußerlich, dh. d.h. man kommt nur durch einen hoffnungslosen Wust durch sie hindurch zum Wesen.

Dieses Wesen der Dinge aber ist für mich nicht die Definition oder Abstraktion, sondern liegt im Gefühlten.

Di, 12 9 50:

Wieder um 4h auf. Öderer, langsam vergehender Vormittag.

Daheim nur einige Ordnungen. Die "Neuen Wege" kamen an.

Um 17h die Sitzung. Altmann, Artmann, Fritsch, Hauer, Kein, Polakovics, Stenzl. Planung eines "Problematiker-Kreises". Fritsch schreibt sehr gut!

Es wurden seine und Artmanns Sachen und einige neue Einreichungen an Ort und Stelle geprüft. Schön. Heimweg Wirtshaus. Halb elf heimgekommen.

Mi, 13 9 50:

Nur 5 Stunden geschlafen. Las früh vor dem Weggehen noch in den "Neuen Wegen" (Existentialismus Strobach usw.), ging dann wieder zu Fuß, 6h Dienstantritt, auch hier noch gelesen (Lyrik; Höhepunkt: Weißenborn, Hauer, auch meine Sachen; es ist so ausgleichend). Ich hatte den Einfall, meine drei Exerzitien einzusenden. Ich dachte nach. Lehnte heute meist im Eck. Der Bürgermeister kam. Man muß sagen: Er ist wirklich beliebt bei den Wienern.

"Hast du stets mit deinem Bart zu ringen - Maka Klingen werden ihn bezwingen." [1]

Etwas besser als gestern. Existentielle Gedanken, ich habe keine Angst mehr im wesentlichen vor ihnen.

Nachmittag daheim. Ein Paket von Hanecker kam.

Do, 14 9 50:

Wieder zu Fuß. Etwas verspätet. Gedanken gegen die Dekadenz. Ich las das Magazin "Cocktail", das einer Geschäftsdame gehörte, in einer Koje, als noch niemand da war. Es ist immer dasselbe harmlos-dumme bis böswillige, aber reizlose Gesudel, von Hollywood über die dünne Kurzgeschichte bis zum "Kampf der Geschlechter" und dem Schlagwort vom "Physiologischen Schwachsinn der Frau". Dabei diese Bemühung um einen Beigeschmack von Reiz, der aber nur für die Verderbtheit Impotenter einer sein kann.

Mikrophon, "klar gesprochen", Reklamesprüchlein gemacht und durchgegeben. [2]

Die Zeit verging viel rascher.

Daheim war es gemütlich. Ich las noch viel im Septemberheft der "Neuen Wege" und schrieb dann einige meiner Gedichte rein, um sie einzureichen.

Versuchte zu dichten. Das mißlang. Abend gab es Schnitzel. Ich hatte den großen Wunsch nach einem lieben Mädchen. Auch über meine Fremdheit in den Sphären der Metaphysik, der non-zentrierten Erotik und der Politik (übrigens ebenso des Technizismus) nachgedacht. Meine Gedichte über diese Themen könnten mich nie repräsentieren in meiner ganzen Eigenart. Es sind nur Meinungen, nicht meine eigentlichen Aussagen. Jedesmal aber, wenn die Einbrüche aus diesen fremden Gebieten erfolgen, bin ich zur Reaktion gezwungen, und die ist immer leidenschaftlich. So könnte man etwa gar denken, wenn solche Reaktionsgedichte erhalten blieben, solche Gedanken hätten mein eigentliches Leben ausgemacht. Wie lächerlich. Es sind Episoden, die hinter mir gelassen zu haben ich jedesmal herzlich froh bin. Mein wahres Gebiet ist das der gefühlten Werte und des gefühlten Lebens überhaupt.

Versuch einer Deutung dieses Phänomens: Die Metaphysik ist unklärbar. Sie führt, auch wenn man ihr mit Ahnung sehr nahe kommt, immer zur Forderung nach dem werthaften diesseitigen Leben zurück. Non-zentrierte Erotik (die Erotik im üblichen Sinn), Politik und Technik sind äußerlich, d.h. man kommt nur durch einen hoffnungslosen Wust durch sie hindurch zum Wesen.

Dieses Wesen der Dinge aber ist für mich nicht die Definition oder Abstraktion, sondern liegt im Gefühlten.

Di, 12 9 50:

Wieder um 4h auf. Öderer, langsam vergehender Vormittag.

Daheim nur einige Ordnungen. Die "Neuen Wege" kamen an.

Um ,17h die Sitzung. Altmann, Artmann, Fritsch, Hauer, Kein, Polakovics,
Stenzl. Planung eines "Problematiker-Kreises". Fritsch schreibt sehr gut!

Es wurden seine und Artmanns Sachen und einige neue Einreichungen an Ort
und Stelle geprüft. Schön. Heimweg Wirtshaus. Halb elf heimgekommen.

Mi, 13 9 50:

Nur 5 Stunden geschlafen. Las früh vor dem Weggehen noch
in den "Neuen Wegen" (Existentialismus Strobach usw.), ging dann wieder
zu Fuß, 6h Dienstantritt, auch hier noch gelesen (Lyrik; HP [Höhepunkt]: Weißenborn,
Hauer, auch meine Sachen; es ist so ausgleichend). Ich hatte den Einfall,
meine drei Exerzitien einzusenden. Ich dachte nach. Lehnte heute meist im
Eck. Der Bürgermeister kam. Man muß sagen: Er ist wirklich beliebt bei den
Wienern.

"Hast du stets mit deinem Bart zu ringen - Maka Klingen werden ihn bezwingen." [1]

Etwas besser als gestern. Existentielle Gedanken, ixch habe keine Angst mehr
im wesentlichen vor ihnen.

Nachmittag daheim. Ein Paket von Hanecker kam.

Do, 14 9 50:

Wieder zu Fuß. Etwas verspätet. Gedanken gegen die Dekadenz.
Ich las das Magazin "Cocktail", das einer Geschäftsdame gehörte, in einer
Koje, als noch niemand da war. Es ist immer dasselbe harmlos-dumme bis
böswillige, aber reizlose Gesudel, von Hollywood über die dünne Kurzgeschichte
bis zum "Kampf der Geschlechter" und dem Schlagwort vom "Physiologischen
Schwachsinn der Frau". Dabei diese Bemühung um einen Beigeschmack von Reiz,
der aber nur für die Verderbtheit Impotenter einer sein kann.

Mikrophon, "klar gesprochen", Reklamesprüchlein gemacht und durchgegeben. [2]

Die Zeit verging viel rascher.

Daheim war es gemütlich. Ich las noch viel im Septemberheft der "Neuen Wege"
üund schrieb dann einige meiner Gedichte rein, um sie einzureichen.

Versuchte zu dichten. Das mißlang. Abend gab es Schnitzel. Ich hatte den
großen Wunsch nach einem lieben Mädchen. Auch über meine Fremdheit in den
Sphären der Metaphysik, der non-zentrierten Erotik und der Politik (übrigens
ebenso des Technizismus) nachgedacht. Meine Gedichte über diese Themen könnten
mich nie repräsentieren in meiner ganzen Eigenart. Es sind nur Meinungen,
nicht meine eigentlichen Aussagen. Jedesmal aber, wenn die Einbrüche aus
diesen fremden Gebieten erfolgen, bin ich zur Reaktion gezwungen, und die
ist immer leidenschaftlich. So könnte man etwa gar denken, wenn solche
Reaktionsgedichte erhalten blieben, solche Gedanken hätten meinen eigentliches
Leben ausgemacht. Wie lächerlich. Es sind Episoden, die hinter mir gelassen
zu haben ich jedesmal herzlich froh bin. Mein wahres Gebiet ist das der
gefühlten Werte und des gefühlten Lebens überhaupt.

Versuch einer Deutung dieses Phänomens: Die Metaphysik ist unklärbar. Sie
führt, auch wenn man ihr mit Ahnung sehr nahe kommt, immer zur Forderung
nach dem werthaften diesseitigen Leben zurück. Non-zentrierte Erotik
(die Erotik im üblichen Sinn), Politik und Technik sind äußerlich, dh. [sic!] man
kommt nur durch einen hoffnungslosen Wust durch sie hindurch zum Wesen.

Dieses Wesen der Dinge aber ist für mich nicht die Definition oder Abstraktion,
sondern liegt im Gefühlten.

Legende
ABC: Streichung ABC: Hinzufügung;ABC: SperrsatzABC: Okopenko HandschriftABC: Okopenko MaschinenschriftABC: Text gedruckt[n]: Stellenkommentar

              
Di, 12 9 50:

Wieder um 4h auf. Öderer, langsam vergehender Vormittag.

Daheim nur einige Ordnungen. Die "Neuen Wege" kamen an.

Um ,17h die Sitzung. Altmann, Artmann, Fritsch, Hauer, Kein, Polakovics, Stenzl. Planung eines "Problematiker-Kreises". Fritsch schreibt sehr gut!

Es wurden seine und Artmanns Sachen und einige neue Einreichungen an Ort und Stelle geprüft. Schön. Heimweg Wirtshaus. Halb elf heimgekommen.

Mi, 13 9 50:

Nur 5 Stunden geschlafen. Las früh vor dem Weggehen noch in den "Neuen Wegen" (Existentialismus Strobach usw.), ging dann wieder zu Fuß, 6h Dienstantritt, auch hier noch gelesen (Lyrik; HP Höhepunkt : Weißenborn, Hauer, auch meine Sachen; es ist so ausgleichend). Ich hatte den Einfall, meine drei Exerzitien einzusenden. Ich dachte nach. Lehnte heute meist im Eck. Der Bürgermeister kam. Man muß sagen: Er ist wirklich beliebt bei den Wienern.

"Hast du stets mit deinem Bart zu ringen - Maka Klingen werden ihn bezwingen."

Etwas besser als gestern. Existentielle Gedanken, ixch habe keine Angst mehr im wesentlichen vor ihnen.

Nachmittag daheim. Ein Paket von Hanecker kam.

Do, 14 9 50:

Wieder zu Fuß. Etwas verspätet. Gedanken gegen die Dekadenz. Ich las das Magazin "Cocktail", das einer Geschäftsdame gehörte, in einer Koje, als noch niemand da war. Es ist immer dasselbe harmlos-dumme bis böswillige, aber reizlose Gesudel, von Hollywood über die dünne Kurzgeschichte bis zum "Kampf der Geschlechter" und dem Schlagwort vom "Physiologischen Schwachsinn der Frau". Dabei diese Bemühung um einen Beigeschmack von Reiz, der aber nur für die Verderbtheit Impotenter einer sein kann.

Mikrophon, "klar gesprochen", Reklamesprüchlein gemacht und durchgegeben.

Die Zeit verging viel rascher.

Daheim war es gemütlich. Ich las noch viel im Septemberheft der "Neuen Wege" üund schrieb dann einige meiner Gedichte rein, um sie einzureichen.

Versuchte zu dichten. Das mißlang. Abend gab es Schnitzel. Ich hatte den großen Wunsch nach einem lieben Mädchen. Auch über meine Fremdheit in den Sphären der Metaphysik, der non-zentrierten Erotik und der Politik (übrigens ebenso des Technizismus) nachgedacht. Meine Gedichte über diese Themen könnten mich nie repräsentieren in meiner ganzen Eigenart. Es sind nur Meinungen, nicht meine eigentlichen Aussagen. Jedesmal aber, wenn die Einbrüche aus diesen fremden Gebieten erfolgen, bin ich zur Reaktion gezwungen, und die ist immer leidenschaftlich. So könnte man etwa gar denken, wenn solche Reaktionsgedichte erhalten blieben, solche Gedanken hätten meinen eigentliches Leben ausgemacht. Wie lächerlich. Es sind Episoden, die hinter mir gelassen zu haben ich jedesmal herzlich froh bin. Mein wahres Gebiet ist das der gefühlten Werte und des gefühlten Lebens überhaupt.

Versuch einer Deutung dieses Phänomens: Die Metaphysik ist unklärbar. Sie führt, auch wenn man ihr mit Ahnung sehr nahe kommt, immer zur Forderung nach dem werthaften diesseitigen Leben zurück. Non-zentrierte Erotik (die Erotik im üblichen Sinn), Politik und Technik sind äußerlich, dh. d.h. man kommt nur durch einen hoffnungslosen Wust durch sie hindurch zum Wesen.

Dieses Wesen der Dinge aber ist für mich nicht die Definition oder Abstraktion, sondern liegt im Gefühlten.

Di, 12 9 50:

Wieder um 4h auf. Öderer, langsam vergehender Vormittag.

Daheim nur einige Ordnungen. Die "Neuen Wege" kamen an.

Um 17h die Sitzung. Altmann, Artmann, Fritsch, Hauer, Kein, Polakovics, Stenzl. Planung eines "Problematiker-Kreises". Fritsch schreibt sehr gut!

Es wurden seine und Artmanns Sachen und einige neue Einreichungen an Ort und Stelle geprüft. Schön. Heimweg Wirtshaus. Halb elf heimgekommen.

Mi, 13 9 50:

Nur 5 Stunden geschlafen. Las früh vor dem Weggehen noch in den "Neuen Wegen" (Existentialismus Strobach usw.), ging dann wieder zu Fuß, 6h Dienstantritt, auch hier noch gelesen (Lyrik; Höhepunkt: Weißenborn, Hauer, auch meine Sachen; es ist so ausgleichend). Ich hatte den Einfall, meine drei Exerzitien einzusenden. Ich dachte nach. Lehnte heute meist im Eck. Der Bürgermeister kam. Man muß sagen: Er ist wirklich beliebt bei den Wienern.

"Hast du stets mit deinem Bart zu ringen - Maka Klingen werden ihn bezwingen." [1]

Etwas besser als gestern. Existentielle Gedanken, ich habe keine Angst mehr im wesentlichen vor ihnen.

Nachmittag daheim. Ein Paket von Hanecker kam.

Do, 14 9 50:

Wieder zu Fuß. Etwas verspätet. Gedanken gegen die Dekadenz. Ich las das Magazin "Cocktail", das einer Geschäftsdame gehörte, in einer Koje, als noch niemand da war. Es ist immer dasselbe harmlos-dumme bis böswillige, aber reizlose Gesudel, von Hollywood über die dünne Kurzgeschichte bis zum "Kampf der Geschlechter" und dem Schlagwort vom "Physiologischen Schwachsinn der Frau". Dabei diese Bemühung um einen Beigeschmack von Reiz, der aber nur für die Verderbtheit Impotenter einer sein kann.

Mikrophon, "klar gesprochen", Reklamesprüchlein gemacht und durchgegeben. [2]

Die Zeit verging viel rascher.

Daheim war es gemütlich. Ich las noch viel im Septemberheft der "Neuen Wege" und schrieb dann einige meiner Gedichte rein, um sie einzureichen.

Versuchte zu dichten. Das mißlang. Abend gab es Schnitzel. Ich hatte den großen Wunsch nach einem lieben Mädchen. Auch über meine Fremdheit in den Sphären der Metaphysik, der non-zentrierten Erotik und der Politik (übrigens ebenso des Technizismus) nachgedacht. Meine Gedichte über diese Themen könnten mich nie repräsentieren in meiner ganzen Eigenart. Es sind nur Meinungen, nicht meine eigentlichen Aussagen. Jedesmal aber, wenn die Einbrüche aus diesen fremden Gebieten erfolgen, bin ich zur Reaktion gezwungen, und die ist immer leidenschaftlich. So könnte man etwa gar denken, wenn solche Reaktionsgedichte erhalten blieben, solche Gedanken hätten mein eigentliches Leben ausgemacht. Wie lächerlich. Es sind Episoden, die hinter mir gelassen zu haben ich jedesmal herzlich froh bin. Mein wahres Gebiet ist das der gefühlten Werte und des gefühlten Lebens überhaupt.

Versuch einer Deutung dieses Phänomens: Die Metaphysik ist unklärbar. Sie führt, auch wenn man ihr mit Ahnung sehr nahe kommt, immer zur Forderung nach dem werthaften diesseitigen Leben zurück. Non-zentrierte Erotik (die Erotik im üblichen Sinn), Politik und Technik sind äußerlich, d.h. man kommt nur durch einen hoffnungslosen Wust durch sie hindurch zum Wesen.

Dieses Wesen der Dinge aber ist für mich nicht die Definition oder Abstraktion, sondern liegt im Gefühlten.

Di, 12 9 50:

Wieder um 4h auf. Öderer, langsam vergehender Vormittag.

Daheim nur einige Ordnungen. Die "Neuen Wege" kamen an.

Um ,17h die Sitzung. Altmann, Artmann, Fritsch, Hauer, Kein, Polakovics,
Stenzl. Planung eines "Problematiker-Kreises". Fritsch schreibt sehr gut!

Es wurden seine und Artmanns Sachen und einige neue Einreichungen an Ort
und Stelle geprüft. Schön. Heimweg Wirtshaus. Halb elf heimgekommen.

Mi, 13 9 50:

Nur 5 Stunden geschlafen. Las früh vor dem Weggehen noch
in den "Neuen Wegen" (Existentialismus Strobach usw.), ging dann wieder
zu Fuß, 6h Dienstantritt, auch hier noch gelesen (Lyrik; HP [Höhepunkt]: Weißenborn,
Hauer, auch meine Sachen; es ist so ausgleichend). Ich hatte den Einfall,
meine drei Exerzitien einzusenden. Ich dachte nach. Lehnte heute meist im
Eck. Der Bürgermeister kam. Man muß sagen: Er ist wirklich beliebt bei den
Wienern.

"Hast du stets mit deinem Bart zu ringen - Maka Klingen werden ihn bezwingen." [1]

Etwas besser als gestern. Existentielle Gedanken, ixch habe keine Angst mehr
im wesentlichen vor ihnen.

Nachmittag daheim. Ein Paket von Hanecker kam.

Do, 14 9 50:

Wieder zu Fuß. Etwas verspätet. Gedanken gegen die Dekadenz.
Ich las das Magazin "Cocktail", das einer Geschäftsdame gehörte, in einer
Koje, als noch niemand da war. Es ist immer dasselbe harmlos-dumme bis
böswillige, aber reizlose Gesudel, von Hollywood über die dünne Kurzgeschichte
bis zum "Kampf der Geschlechter" und dem Schlagwort vom "Physiologischen
Schwachsinn der Frau". Dabei diese Bemühung um einen Beigeschmack von Reiz,
der aber nur für die Verderbtheit Impotenter einer sein kann.

Mikrophon, "klar gesprochen", Reklamesprüchlein gemacht und durchgegeben. [2]

Die Zeit verging viel rascher.

Daheim war es gemütlich. Ich las noch viel im Septemberheft der "Neuen Wege"
üund schrieb dann einige meiner Gedichte rein, um sie einzureichen.

Versuchte zu dichten. Das mißlang. Abend gab es Schnitzel. Ich hatte den
großen Wunsch nach einem lieben Mädchen. Auch über meine Fremdheit in den
Sphären der Metaphysik, der non-zentrierten Erotik und der Politik (übrigens
ebenso des Technizismus) nachgedacht. Meine Gedichte über diese Themen könnten
mich nie repräsentieren in meiner ganzen Eigenart. Es sind nur Meinungen,
nicht meine eigentlichen Aussagen. Jedesmal aber, wenn die Einbrüche aus
diesen fremden Gebieten erfolgen, bin ich zur Reaktion gezwungen, und die
ist immer leidenschaftlich. So könnte man etwa gar denken, wenn solche
Reaktionsgedichte erhalten blieben, solche Gedanken hätten meinen eigentliches
Leben ausgemacht. Wie lächerlich. Es sind Episoden, die hinter mir gelassen
zu haben ich jedesmal herzlich froh bin. Mein wahres Gebiet ist das der
gefühlten Werte und des gefühlten Lebens überhaupt.

Versuch einer Deutung dieses Phänomens: Die Metaphysik ist unklärbar. Sie
führt, auch wenn man ihr mit Ahnung sehr nahe kommt, immer zur Forderung
nach dem werthaften diesseitigen Leben zurück. Non-zentrierte Erotik
(die Erotik im üblichen Sinn), Politik und Technik sind äußerlich, dh. [sic!] man
kommt nur durch einen hoffnungslosen Wust durch sie hindurch zum Wesen.

Dieses Wesen der Dinge aber ist für mich nicht die Definition oder Abstraktion,
sondern liegt im Gefühlten.

Legende
ABC: Streichung ABC: Hinzufügung;ABC: SperrsatzABC: Okopenko HandschriftABC: Okopenko MaschinenschriftABC: Text gedruckt[n]: Stellenkommentar
1.  Während seiner Tätigkeit auf der "Wiener Messe" fertigte Okopenko für die Firma "Maka" einige Werbesprüche an. Die Bezahlung erfolgte teilweise in Rasierklingen, die die Firma herstellte.
2.  Während seiner Tätigkeit auf der "Wiener Messe" fertigte Okopenko für die Firma "Maka" einige Werbesprüche an. Die Bezahlung erfolgte teilweise in Rasierklingen, die die Firma herstellte.
Zitiervorschlag

Okopenko, Andreas: Tagebuch 01.09.1950–30.09.1950. Digitale Edition, hrsg. von Roland Innerhofer, Bernhard Fetz, Christian Zolles, Laura Tezarek, Arno Herberth, Desiree Hebenstreit, Holger Englerth, Österreichische Nationalbibliothek und Universität Wien. Wien: Version 2.0, 21.11.2019. URL: https://edition.onb.ac.at/okopenko/o:oko.tb-19500901-19500930/methods/sdef:TEI/get?mode=p_21

Ältere Versionen: siehe Archiv

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

LinksInformation

Jegliche Nutzung der Digitalisate muss mit dem Rechtsnachfolger von Andreas Okopenko, August Bisinger, individuell abgeklärt werden.