So, 15 10 50:

Die Birken haben noch grüne Blätter, die Kastanien gelbgrüne, noch kein Baum richtig kahl. Noch nicht kalt.

Nach der Kirche zu Polakovics. Dort Frau Fischer (die beibei der Frau Maria in Untermiete wohnt). Mit den alten Polakovics gesprochen. Dann kam er selbst hervor. Gleich zu Frau Maria gegangen. Lyrik beurteilt. Über die Polemiken geplaudert. Meine letzten Gedichte (Chem und Tintenfisch) gefielen nicht.

Nachmittag sprach ich mit Mama über einen Abbruch meines Studiums und einen Eintritt ins Büro, wo ich innerhalb eines Jahres auf Tantes Posten kommen könnte, wie sie unlängst sagte.

Tante kam, riet mir, nicht aufzugeben, solange ich nicht durchfalle.

Oktobernummer der "Neuen Wege" gelesen. Ein sehr gutes Heft wieder.

Tante photographierte uns, verpatzte aber das Bild. Wir hatten, wie später herauskam, drei Köpfe.

Ganz netter Abend.

Mo, 16 10 50:

Labor. Probe auf Bestellung gut weiter. Probe 10 (o-p-Br-...) ist morgen fertig. Daheim waren noch die Hauslisten auszufüllen.

Di, 17 10 50:

Früh Ernst Wiechert mit großer Erschütterung gelesen. Gedanken zur Herzlosigkeit des nicht mehr einfachen Lebens. Bin ich auf einer ungünstigen Bahn gewesen?

Gali. Laboratorium. Die bestellte Tetramethylbase gelang. Ich wurde zu einer dummen Zeit fertig, konnte nicht weiter. Zu Weißenborn. Der war nicht zu Hause. Seine Schwester ist wirklich nicht nach meinem Geschmack.

- Zu zeitig in die Redaktion der "Neuen Wege". Dort gingen nur Fremde ein und aus. Endlich kam Altmann. Polakovics arbeitet drinnen, es ist seine Nebenbeschäftigung. Die Diskussionsgruppe tagte wieder abgesondert, im 13-er Zimmer. Wir übten unser Lektorat aus, Artmann, Kein, Fritsch kamen. Der "Keller" wird ein sauteures Buch von wenigen Seiten; Subskribenten müssen dasein. Cap zog seine Sachen zurück, Weißenborn und Hradek wurden ausgeschieden, von mir bleibt nur der Einige-Gassen-Gang.

Mir ist das ganze jetzt unsympathisch. Heimweg mit Kein, Fritsch und

Strichliertes "L" mit langem horizontalen Strich; unklare Bedeutung.
Artmann, mit Kein dann noch lange - bis 22h - debattiert. ÜÜber die beiden Almanache, über unsere "Avantgarde", über die Annäherung an den gemeinsamen Punkt, über die lyrische Schweigezeit, die Polakovics, Kein und ich jetzt haben, über die Eigenart, die gegenseitige Beeinflussung und Vorbilder im Großen, über die Einzelnen aus unserem Kreis, über die Kontrastwirkung und die Stille (Kontrast ist im Leben begründet, und Kunst darf nicht vom Leben abgehen!), über die Belanglosigkeit (wie Kein meint) der Lore Hübel (der "Vertreterin der Poesiealben"), über die Ungunst einer "Rückkehr zu Hübel" als einer vermeintlichen Rückkehr zur Natur, über die Verbildetheit der scheinbar Unverbildeten; daß Kontraste unbeschadet der etwaigen unlyrischen oder nicht-genug-stillen Wörter gerade auf den Unverbildeten ernsthaft und ergreifend wirken werden usw.

Ich sehe, ich tue am besten, auf meinem Platz fest zu stehen. Gewissem Bluff auszuweichen und .... Die Vertiefung im Sinn von heute früh wird vielleicht eintreten, aber auf meinem Weg.

(Auch meine privaten Gedanken um Hübel haben ein energisches Ende genommen.) Gestern war es manchmal wie im Föhn. 22,30 heim. Sehr anregender Tag.

- Mama war bei Frau Dir. Pawlicki gewesen.

Mi, 18 10 50:

Der Assistent erwischte mich, als ich den illegalen Teil der "Probe auf Bestellung" dem Besteller in den Arbeitssaal brachte. Das Präparat wird mir aberkannt, und ich muß das langwierige Luminal herstellen.

Fühlte mich ungerecht behandelt, da das Präparat für den Besteller nur eine Ausgangsstufe war, die er sich ebenso gut hätte kaufen können, und da jeden-falls ich meine Arbeit ohne Schwindel getan hatte. Von heute an benimmt man sich zu mir wie in der Strafkolonie.

So, 15 10 50:

Die Birken haben noch grüne Blätter, die Kastanien gelbgrüne, noch kein Baum richtig kahl. Noch nicht kalt.

Nach der Kirche zu Polakovics. Dort Frau Fischer (bei der Frau Maria in Untermiete wohnt). Mit den alten Polakovics gesprochen. Dann kam er selbst hervor. Gleich zu Frau Maria gegangen. Lyrik beurteilt. Über die Polemiken geplaudert. Meine letzten Gedichte (Chem und Tintenfisch) gefielen nicht.

Nachmittag sprach ich mit Mama über einen Abbruch meines Studiums und einen Eintritt ins Büro, wo ich innerhalb eines Jahres auf Tantes Posten kommen könnte, wie sie unlängst sagte.

Tante kam, riet mir, nicht aufzugeben, solange ich nicht durchfalle.

Oktobernummer der "Neuen Wege" gelesen. Ein sehr gutes Heft wieder.

Tante photographierte uns, verpatzte aber das Bild. Wir hatten, wie später herauskam, drei Köpfe.

Ganz netter Abend.

Mo, 16 10 50:

Labor. Probe auf Bestellung gut weiter. Probe 10 (o-p-Br-...) ist morgen fertig. Daheim waren noch die Hauslisten auszufüllen.

Di, 17 10 50:

Früh Ernst Wiechert mit großer Erschütterung gelesen. Gedanken zur Herzlosigkeit des nicht mehr einfachen Lebens. Bin ich auf einer ungünstigen Bahn gewesen?

Gali. Laboratorium. Die bestellte Tetramethylbase gelang. Ich wurde zu einer dummen Zeit fertig, konnte nicht weiter. Zu Weißenborn. Der war nicht zu Hause. Seine Schwester ist wirklich nicht nach meinem Geschmack.

- Zu zeitig in die Redaktion der "Neuen Wege". Dort gingen nur Fremde ein und aus. Endlich kam Altmann. Polakovics arbeitet drinnen, es ist seine Nebenbeschäftigung. Die Diskussionsgruppe tagte wieder abgesondert, im 13-er Zimmer. Wir übten unser Lektorat aus, Artmann, Kein, Fritsch kamen. Der "Keller" wird ein sauteures Buch von wenigen Seiten; Subskribenten müssen dasein. Cap zog seine Sachen zurück, Weißenborn und Hradek wurden ausgeschieden, von mir bleibt nur der Einige-Gassen-Gang.

Mir ist das ganze jetzt unsympathisch. Heimweg mit Kein, Fritsch und

Artmann, mit Kein dann noch lange - bis 22h - debattiert. Über die beiden Almanache, über unsere "Avantgarde", über die Annäherung an den gemeinsamen Punkt, über die lyrische Schweigezeit, die Polakovics, Kein und ich jetzt haben, über die Eigenart, die gegenseitige Beeinflussung und Vorbilder im Großen, über die Einzelnen aus unserem Kreis, über die Kontrastwirkung und die Stille (Kontrast ist im Leben begründet, und Kunst darf nicht vom Leben abgehen!), über die Belanglosigkeit (wie Kein meint) der Lore Hübel (der "Vertreterin der Poesiealben"), über die Ungunst einer "Rückkehr zu Hübel" als einer vermeintlichen Rückkehr zur Natur, über die Verbildetheit der scheinbar Unverbildeten; daß Kontraste unbeschadet der etwaigen unlyrischen oder nicht-genug-stillen Wörter gerade auf den Unverbildeten ernsthaft und ergreifend wirken werden usw.

Ich sehe, ich tue am besten, auf meinem Platz fest zu stehen. Gewissem Bluff auszuweichen und .... Die Vertiefung im Sinn von heute früh wird vielleicht eintreten, aber auf meinem Weg.

(Auch meine privaten Gedanken um Hübel haben ein energisches Ende genommen.) Gestern war es manchmal wie im Föhn. 22,30 heim. Sehr anregender Tag.

- Mama war bei Frau Dir. Pawlicki gewesen.

Mi, 18 10 50:

Der Assistent erwischte mich, als ich den illegalen Teil der "Probe auf Bestellung" dem Besteller in den Arbeitssaal brachte. Das Präparat wird mir aberkannt, und ich muß das langwierige Luminal herstellen.

Fühlte mich ungerecht behandelt, da das Präparat für den Besteller nur eine Ausgangsstufe war, die er sich ebenso gut hätte kaufen können, und da jedenfalls ich meine Arbeit ohne Schwindel getan hatte. Von heute an benimmt man sich zu mir wie in der Strafkolonie.

So, 15 10 50:

Die Birken haben noch grüne Blätter, die Kastanien gelbgrüne,
noch kein Baum richtig kahl. Noch nicht kalt.

Nach der Kirche zu Polakovics. Dort Frau Fischer (die beibei der Frau Maria
in Untermiete wohnt). Mit den alten Polakovics gesprochen. Dann kam
er selbst hervor. Gleich zu Frau Maria gegangen. Lyrik beurteilt.
Über die Polemiken geplaudert. Meine letzten Gedichte (Chem und Tintenfisch)
gefielen nicht.

Nachmittag sprach ich mit Mama über einen Abbruch meines Studiums und
einen Eintritt ins Büro, wo ich innerhalb eines Jahres auf Tantes Posten
kommen könnte, wie sie unlängst sagte.

Tante kam, riet mir, nicht aufzugeben, solange ich nicht durchfalle.

Oktobernummer der "Neuen Wege" gelesen. Ein sehr gutes Heft wieder.

Tante photographierte uns, verpatzte aber das Bild. Wir hatten, wie später
herauskam, drei Köpfe.

Ganz netter Abend.

Mo, 16 10 50:

Labor. Probe auf Bestellung gut weiter. Probe 10 (o-p-Br-...)
ist morgen fertig. Daheim waren noch die Hauslisten auszufüllen.

Di, 17 10 50:

Früh Ernst Wiechert mit großer Erschütterung gelesen.
Gedanken zur Herzlosigkeit des nicht mehr einfachen Lebens. Bin ich
auf einer ungünstigen Bahn gewesen?

Gali. Laboratorium. Die bestellte Tetramethylbase gelang. Ich wurde zu
einer dummen Zeit fertig, konnte nicht weiter. Zu Weißenborn. Der war nicht
zu Hause. Seine Schwester ist wirklich nicht nach meinem Geschmack.

- Zu zeitig in die Redaktion der "Neuen Wege". Dort gingen nur Fremde ein
und aus. Endlich kam Altmann. Polakovics arbeitet drinnen, es ist seine
Nebenbeschäftigung. Die Diskussionsgruppe tagte wieder abgesondert, im
13-er Zimmer. Wir übten unser Lektorat aus, Artmann, Kein, Fritsch kamen.
Der "Keller" wird ein sauteures Buch von wenigen Seiten; Subskribenten
müssen dasein. Cap zog seine Sachen zurück, Weißenborn und Hradek
wurden ausgeschieden, von mir bleibt nur der Einige-Gassen-Gang.

Mir ist das ganze jetzt unsympathisch. Heimweg mit Kein, Fritsch und

Artmann, mit Kein dann noch lange - bis 22h - debattiert. ÜÜber die
beiden Almanache, über unsere "Avantgarde", über die Annäherung an den
gemeinsamen Punkt, über die lyrische Schweigezeit, die Polakovics, Kein
und ich jetzt haben, über die Eigenart, die gegenseitige Beeinflussung
und Vorbilder im Großen, über die Einzelnen aus unserem Kreis, über die
Kontrastwirkung und die Stille (Kontrast ist im Leben begründet, und
Kunst darf nicht vom Leben abgehen!), über die Belanglosigkeit (wie Kein
meint) der Lore Hübel (der "Vertreterin der Poesiealben"), über die
Ungunst einer "Rückkehr zu Hübel" als einer vermeintlichen Rückkehr zur
Natur, über die Verbildetheit der scheinbar Unverbildeten; daß Kontraste
unbeschadet der etwaigen unlyrischen oder nicht-genug-stillen Wörter
gerade auf den Unverbildeten ernsthaft und ergreifend wirken werden usw.

Ich sehe, ich tue am besten, auf meinem Platz fest zu stehen. Gewissem Bluff
auszuweichen und .... Die Vertiefung im Sinn von heute früh wird vielleicht
eintreten, aber auf meinem Weg.

(Auch meine privaten Gedanken um Hübel haben ein energisches Ende genommen.)
Gestern war es manchmal wie im Föhn. 22,30 heim. Sehr anregender Tag.

- Mama war bei Frau Dir. Pawlicki gewesen.

Mi, 18 10 50:

Der Assistent erwischte mich, als ich den illegalen Teil der
"Probe auf Bestellung" dem Besteller in den Arbeitssaal brachte. Das Präparat
wird mir aberkannt, und ich muß das langwierige Luminal herstellen.

Fühlte mich ungerecht behandelt, da das Präparat für den Besteller nur eine
Ausgangsstufe war, die er sich ebenso gut hätte kaufen können, und da jeden-
falls ich meine Arbeit ohne Schwindel getan hatte. Von heute an benimmt man
sich zu mir wie in der Strafkolonie.

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So, 15 10 50:

Die Birken haben noch grüne Blätter, die Kastanien gelbgrüne, noch kein Baum richtig kahl. Noch nicht kalt.

Nach der Kirche zu Polakovics. Dort Frau Fischer (die beibei der Frau Maria in Untermiete wohnt). Mit den alten Polakovics gesprochen. Dann kam er selbst hervor. Gleich zu Frau Maria gegangen. Lyrik beurteilt. Über die Polemiken geplaudert. Meine letzten Gedichte (Chem und Tintenfisch) gefielen nicht.

Nachmittag sprach ich mit Mama über einen Abbruch meines Studiums und einen Eintritt ins Büro, wo ich innerhalb eines Jahres auf Tantes Posten kommen könnte, wie sie unlängst sagte.

Tante kam, riet mir, nicht aufzugeben, solange ich nicht durchfalle.

Oktobernummer der "Neuen Wege" gelesen. Ein sehr gutes Heft wieder.

Tante photographierte uns, verpatzte aber das Bild. Wir hatten, wie später herauskam, drei Köpfe.

Ganz netter Abend.

Mo, 16 10 50:

Labor. Probe auf Bestellung gut weiter. Probe 10 (o-p-Br-...) ist morgen fertig. Daheim waren noch die Hauslisten auszufüllen.

Di, 17 10 50:

Früh Ernst Wiechert mit großer Erschütterung gelesen. Gedanken zur Herzlosigkeit des nicht mehr einfachen Lebens. Bin ich auf einer ungünstigen Bahn gewesen?

Gali. Laboratorium. Die bestellte Tetramethylbase gelang. Ich wurde zu einer dummen Zeit fertig, konnte nicht weiter. Zu Weißenborn. Der war nicht zu Hause. Seine Schwester ist wirklich nicht nach meinem Geschmack.

- Zu zeitig in die Redaktion der "Neuen Wege". Dort gingen nur Fremde ein und aus. Endlich kam Altmann. Polakovics arbeitet drinnen, es ist seine Nebenbeschäftigung. Die Diskussionsgruppe tagte wieder abgesondert, im 13-er Zimmer. Wir übten unser Lektorat aus, Artmann, Kein, Fritsch kamen. Der "Keller" wird ein sauteures Buch von wenigen Seiten; Subskribenten müssen dasein. Cap zog seine Sachen zurück, Weißenborn und Hradek wurden ausgeschieden, von mir bleibt nur der Einige-Gassen-Gang.

Mir ist das ganze jetzt unsympathisch. Heimweg mit Kein, Fritsch und

Strichliertes "L" mit langem horizontalen Strich; unklare Bedeutung.
Artmann, mit Kein dann noch lange - bis 22h - debattiert. ÜÜber die beiden Almanache, über unsere "Avantgarde", über die Annäherung an den gemeinsamen Punkt, über die lyrische Schweigezeit, die Polakovics, Kein und ich jetzt haben, über die Eigenart, die gegenseitige Beeinflussung und Vorbilder im Großen, über die Einzelnen aus unserem Kreis, über die Kontrastwirkung und die Stille (Kontrast ist im Leben begründet, und Kunst darf nicht vom Leben abgehen!), über die Belanglosigkeit (wie Kein meint) der Lore Hübel (der "Vertreterin der Poesiealben"), über die Ungunst einer "Rückkehr zu Hübel" als einer vermeintlichen Rückkehr zur Natur, über die Verbildetheit der scheinbar Unverbildeten; daß Kontraste unbeschadet der etwaigen unlyrischen oder nicht-genug-stillen Wörter gerade auf den Unverbildeten ernsthaft und ergreifend wirken werden usw.

Ich sehe, ich tue am besten, auf meinem Platz fest zu stehen. Gewissem Bluff auszuweichen und .... Die Vertiefung im Sinn von heute früh wird vielleicht eintreten, aber auf meinem Weg.

(Auch meine privaten Gedanken um Hübel haben ein energisches Ende genommen.) Gestern war es manchmal wie im Föhn. 22,30 heim. Sehr anregender Tag.

- Mama war bei Frau Dir. Pawlicki gewesen.

Mi, 18 10 50:

Der Assistent erwischte mich, als ich den illegalen Teil der "Probe auf Bestellung" dem Besteller in den Arbeitssaal brachte. Das Präparat wird mir aberkannt, und ich muß das langwierige Luminal herstellen.

Fühlte mich ungerecht behandelt, da das Präparat für den Besteller nur eine Ausgangsstufe war, die er sich ebenso gut hätte kaufen können, und da jeden-falls ich meine Arbeit ohne Schwindel getan hatte. Von heute an benimmt man sich zu mir wie in der Strafkolonie.

So, 15 10 50:

Die Birken haben noch grüne Blätter, die Kastanien gelbgrüne, noch kein Baum richtig kahl. Noch nicht kalt.

Nach der Kirche zu Polakovics. Dort Frau Fischer (bei der Frau Maria in Untermiete wohnt). Mit den alten Polakovics gesprochen. Dann kam er selbst hervor. Gleich zu Frau Maria gegangen. Lyrik beurteilt. Über die Polemiken geplaudert. Meine letzten Gedichte (Chem und Tintenfisch) gefielen nicht.

Nachmittag sprach ich mit Mama über einen Abbruch meines Studiums und einen Eintritt ins Büro, wo ich innerhalb eines Jahres auf Tantes Posten kommen könnte, wie sie unlängst sagte.

Tante kam, riet mir, nicht aufzugeben, solange ich nicht durchfalle.

Oktobernummer der "Neuen Wege" gelesen. Ein sehr gutes Heft wieder.

Tante photographierte uns, verpatzte aber das Bild. Wir hatten, wie später herauskam, drei Köpfe.

Ganz netter Abend.

Mo, 16 10 50:

Labor. Probe auf Bestellung gut weiter. Probe 10 (o-p-Br-...) ist morgen fertig. Daheim waren noch die Hauslisten auszufüllen.

Di, 17 10 50:

Früh Ernst Wiechert mit großer Erschütterung gelesen. Gedanken zur Herzlosigkeit des nicht mehr einfachen Lebens. Bin ich auf einer ungünstigen Bahn gewesen?

Gali. Laboratorium. Die bestellte Tetramethylbase gelang. Ich wurde zu einer dummen Zeit fertig, konnte nicht weiter. Zu Weißenborn. Der war nicht zu Hause. Seine Schwester ist wirklich nicht nach meinem Geschmack.

- Zu zeitig in die Redaktion der "Neuen Wege". Dort gingen nur Fremde ein und aus. Endlich kam Altmann. Polakovics arbeitet drinnen, es ist seine Nebenbeschäftigung. Die Diskussionsgruppe tagte wieder abgesondert, im 13-er Zimmer. Wir übten unser Lektorat aus, Artmann, Kein, Fritsch kamen. Der "Keller" wird ein sauteures Buch von wenigen Seiten; Subskribenten müssen dasein. Cap zog seine Sachen zurück, Weißenborn und Hradek wurden ausgeschieden, von mir bleibt nur der Einige-Gassen-Gang.

Mir ist das ganze jetzt unsympathisch. Heimweg mit Kein, Fritsch und

Artmann, mit Kein dann noch lange - bis 22h - debattiert. Über die beiden Almanache, über unsere "Avantgarde", über die Annäherung an den gemeinsamen Punkt, über die lyrische Schweigezeit, die Polakovics, Kein und ich jetzt haben, über die Eigenart, die gegenseitige Beeinflussung und Vorbilder im Großen, über die Einzelnen aus unserem Kreis, über die Kontrastwirkung und die Stille (Kontrast ist im Leben begründet, und Kunst darf nicht vom Leben abgehen!), über die Belanglosigkeit (wie Kein meint) der Lore Hübel (der "Vertreterin der Poesiealben"), über die Ungunst einer "Rückkehr zu Hübel" als einer vermeintlichen Rückkehr zur Natur, über die Verbildetheit der scheinbar Unverbildeten; daß Kontraste unbeschadet der etwaigen unlyrischen oder nicht-genug-stillen Wörter gerade auf den Unverbildeten ernsthaft und ergreifend wirken werden usw.

Ich sehe, ich tue am besten, auf meinem Platz fest zu stehen. Gewissem Bluff auszuweichen und .... Die Vertiefung im Sinn von heute früh wird vielleicht eintreten, aber auf meinem Weg.

(Auch meine privaten Gedanken um Hübel haben ein energisches Ende genommen.) Gestern war es manchmal wie im Föhn. 22,30 heim. Sehr anregender Tag.

- Mama war bei Frau Dir. Pawlicki gewesen.

Mi, 18 10 50:

Der Assistent erwischte mich, als ich den illegalen Teil der "Probe auf Bestellung" dem Besteller in den Arbeitssaal brachte. Das Präparat wird mir aberkannt, und ich muß das langwierige Luminal herstellen.

Fühlte mich ungerecht behandelt, da das Präparat für den Besteller nur eine Ausgangsstufe war, die er sich ebenso gut hätte kaufen können, und da jedenfalls ich meine Arbeit ohne Schwindel getan hatte. Von heute an benimmt man sich zu mir wie in der Strafkolonie.

So, 15 10 50:

Die Birken haben noch grüne Blätter, die Kastanien gelbgrüne,
noch kein Baum richtig kahl. Noch nicht kalt.

Nach der Kirche zu Polakovics. Dort Frau Fischer (die beibei der Frau Maria
in Untermiete wohnt). Mit den alten Polakovics gesprochen. Dann kam
er selbst hervor. Gleich zu Frau Maria gegangen. Lyrik beurteilt.
Über die Polemiken geplaudert. Meine letzten Gedichte (Chem und Tintenfisch)
gefielen nicht.

Nachmittag sprach ich mit Mama über einen Abbruch meines Studiums und
einen Eintritt ins Büro, wo ich innerhalb eines Jahres auf Tantes Posten
kommen könnte, wie sie unlängst sagte.

Tante kam, riet mir, nicht aufzugeben, solange ich nicht durchfalle.

Oktobernummer der "Neuen Wege" gelesen. Ein sehr gutes Heft wieder.

Tante photographierte uns, verpatzte aber das Bild. Wir hatten, wie später
herauskam, drei Köpfe.

Ganz netter Abend.

Mo, 16 10 50:

Labor. Probe auf Bestellung gut weiter. Probe 10 (o-p-Br-...)
ist morgen fertig. Daheim waren noch die Hauslisten auszufüllen.

Di, 17 10 50:

Früh Ernst Wiechert mit großer Erschütterung gelesen.
Gedanken zur Herzlosigkeit des nicht mehr einfachen Lebens. Bin ich
auf einer ungünstigen Bahn gewesen?

Gali. Laboratorium. Die bestellte Tetramethylbase gelang. Ich wurde zu
einer dummen Zeit fertig, konnte nicht weiter. Zu Weißenborn. Der war nicht
zu Hause. Seine Schwester ist wirklich nicht nach meinem Geschmack.

- Zu zeitig in die Redaktion der "Neuen Wege". Dort gingen nur Fremde ein
und aus. Endlich kam Altmann. Polakovics arbeitet drinnen, es ist seine
Nebenbeschäftigung. Die Diskussionsgruppe tagte wieder abgesondert, im
13-er Zimmer. Wir übten unser Lektorat aus, Artmann, Kein, Fritsch kamen.
Der "Keller" wird ein sauteures Buch von wenigen Seiten; Subskribenten
müssen dasein. Cap zog seine Sachen zurück, Weißenborn und Hradek
wurden ausgeschieden, von mir bleibt nur der Einige-Gassen-Gang.

Mir ist das ganze jetzt unsympathisch. Heimweg mit Kein, Fritsch und

Artmann, mit Kein dann noch lange - bis 22h - debattiert. ÜÜber die
beiden Almanache, über unsere "Avantgarde", über die Annäherung an den
gemeinsamen Punkt, über die lyrische Schweigezeit, die Polakovics, Kein
und ich jetzt haben, über die Eigenart, die gegenseitige Beeinflussung
und Vorbilder im Großen, über die Einzelnen aus unserem Kreis, über die
Kontrastwirkung und die Stille (Kontrast ist im Leben begründet, und
Kunst darf nicht vom Leben abgehen!), über die Belanglosigkeit (wie Kein
meint) der Lore Hübel (der "Vertreterin der Poesiealben"), über die
Ungunst einer "Rückkehr zu Hübel" als einer vermeintlichen Rückkehr zur
Natur, über die Verbildetheit der scheinbar Unverbildeten; daß Kontraste
unbeschadet der etwaigen unlyrischen oder nicht-genug-stillen Wörter
gerade auf den Unverbildeten ernsthaft und ergreifend wirken werden usw.

Ich sehe, ich tue am besten, auf meinem Platz fest zu stehen. Gewissem Bluff
auszuweichen und .... Die Vertiefung im Sinn von heute früh wird vielleicht
eintreten, aber auf meinem Weg.

(Auch meine privaten Gedanken um Hübel haben ein energisches Ende genommen.)
Gestern war es manchmal wie im Föhn. 22,30 heim. Sehr anregender Tag.

- Mama war bei Frau Dir. Pawlicki gewesen.

Mi, 18 10 50:

Der Assistent erwischte mich, als ich den illegalen Teil der
"Probe auf Bestellung" dem Besteller in den Arbeitssaal brachte. Das Präparat
wird mir aberkannt, und ich muß das langwierige Luminal herstellen.

Fühlte mich ungerecht behandelt, da das Präparat für den Besteller nur eine
Ausgangsstufe war, die er sich ebenso gut hätte kaufen können, und da jeden-
falls ich meine Arbeit ohne Schwindel getan hatte. Von heute an benimmt man
sich zu mir wie in der Strafkolonie.

Legende
ABC: Streichung ABC: Hinzufügung;ABC: SperrsatzABC: Okopenko HandschriftABC: Okopenko MaschinenschriftABC: Text gedruckt[n]: Stellenkommentar
Zitiervorschlag

Okopenko, Andreas: Tagebuch 01.10.1950–31.12.1950. Digitale Edition, hrsg. von Roland Innerhofer, Bernhard Fetz, Christian Zolles, Laura Tezarek, Arno Herberth, Desiree Hebenstreit, Holger Englerth, Österreichische Nationalbibliothek und Universität Wien. Wien: Version 2.0, 21.11.2019. URL: https://edition.onb.ac.at/okopenko/o:oko.tb-19501001-19501231/methods/sdef:TEI/get?mode=p_27

Ältere Versionen: siehe Archiv

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