Abschrift.
Liebes Fräulein Schinko !
Ich hatte beim auswählenden Lektorat Gelegenheit,
Ihre eingesandten
Gedichte zu lesen. Sie haben mir gefallen.
Ich finde daran:
Sie haben noch den Mut, etwas zu sagen. Sie enthüllen
noch und
klagen an. Sie verwenden dafür keine den Leser
streichelnde Form,
die ihn von der Aussage ablenkt und
ihn sagen läßt "Ah, das ist Kunst!"
,-
-,
worauf er eine halbe
Stunde später seiner alten
Skrupellosigkeit nachgeht.
Ich lade Sie ein, in unseren Arbeitskreis zu kommen,
es ist jeden Diensatta g um 17 Uhr in der Redaktion der
"Neuen Wege " (Hofburg,
Batthianystiege ) eine Zusammenkunft.
Gerade jetzt ist die Krise
groß: Wer immer etwas in
stärkerer als der althergebrachten Form
sagt, gerade in der Lyriik
, kommt unter die Räder. Hofräte emn tscheiden über uns,
größere Reife das heißt
Gleichgültigkeit wird uns geraten,
endlich beschweren sich die
Lehrkräfte bis zu de
n
m
Direktorinnen
hinauf. Die Empörung über meine "Prosa
hinterm Wahnsinn "
wird von solchen Lebewesen nunmehr schriftlich
bis vors
Ministerium gebracht, meinen Freunden Fritsch und Altmann
geht es um kein Haar besser, Polakovics mit seinen
polemischen
Arbeiten erweckt Amn stoß usw. usw. usw. Über mein
"Gedicht in Prosa " in der
Mainummer hat sich Nationalrätin
Paunovics beschwert, meine
Entgegnung durfte nicht abgehen,
nunmehr kommt wahrscheinlich ein
Verbot für die nichther-
gebrachte Ausdrucksweise
überhaupt, die in bösartiger
Verkennung als "surrealistisch" und
daher lynchreif
ausgerufen wird.
Einzelne von uns wiederum flüchten in die Spielerei
mit dem
Unverständlichen, nur um die Bürger, zwar mit gewissem
Recht aber
unter Aufgabe des Ernstzunehmenden, vor dexn Kopf
zu stoßen.
Zwischen diesen Mühlsteinen müssen wir langsam
unserer Arbeit
nachgehen. Es sollten sich, die dasselbe
Ziel wie wir haben - und
das läßt sich an keiner Programmatik,
nur gefühlsmäßig erfassen -
bei uns sammeln.
Daher rufe ich
Sie, Fräulein Schinko , hierher an
meine Seite.(Freilich werden
Sie da weitgehend zugrundegehn.)
Herzlichst
Ihr
Andreas Okopenko
22 /24 11 50
ab: 29 11 50
Abschrift.
Liebes Fräulein Schinko!
Ich hatte beim auswählenden Lektorat Gelegenheit, Ihre eingesandten Gedichte zu lesen. Sie haben mir gefallen. Ich finde daran:
Sie haben noch den Mut, etwas zu sagen. Sie enthüllen noch und klagen an. Sie verwenden dafür keine den Leser streichelnde Form, die ihn von der Aussage ablenkt und ihn sagen läßt "Ah, das ist Kunst!" - worauf er eine halbe Stunde später seiner alten Skrupellosigkeit nachgeht.
Ich lade Sie ein, in unseren Arbeitskreis zu kommen, es ist jeden Dienstag um 17 Uhr in der Redaktion der "Neuen Wege" (Hofburg, Batthianystiege) eine Zusammenkunft. Gerade jetzt ist die Krise groß: Wer immer etwas in stärkerer als der althergebrachten Form sagt, gerade in der Lyrik , kommt unter die Räder. Hofräte entscheiden über uns, größere Reife das heißt Gleichgültigkeit wird uns geraten, endlich beschweren sich die Lehrkräfte bis zu den Direktorinnen hinauf. Die Empörung über meine "Prosa hinterm Wahnsinn" wird von solchen Lebewesen nunmehr schriftlich bis vors Ministerium gebracht, meinen Freunden Fritsch und Altmann geht es um kein Haar besser, Polakovics mit seinen polemischen Arbeiten erweckt Anstoß usw. usw. usw. Über mein "Gedicht in Prosa" in der Mainummer hat sich Nationalrätin Paunovics beschwert, meine Entgegnung durfte nicht abgehen, nunmehr kommt wahrscheinlich ein Verbot für die nichthergebrachte Ausdrucksweise überhaupt, die in bösartiger Verkennung als "surrealistisch" und daher lynchreif ausgerufen wird.
Einzelne von uns wiederum flüchten in die Spielerei mit dem Unverständlichen, nur um die Bürger, zwar mit gewissem Recht aber unter Aufgabe des Ernstzunehmenden, vor den Kopf zu stoßen.
Zwischen diesen Mühlsteinen müssen wir langsam unserer Arbeit nachgehen. Es sollten sich, die dasselbe Ziel wie wir haben - und das läßt sich an keiner Programmatik, nur gefühlsmäßig erfassen - bei uns sammeln. Daher rufe ich Sie, Fräulein Schinko, hierher an meine Seite.(Freilich werden Sie da weitgehend zugrundegehn.)
Herzlichst
Ihr
22/24 11 50 ab: 29 11 50Abschrift.
Liebes Fräulein Schinko!
Ich hatte beim auswählenden Lektorat Gelegenheit,
Ihre eingesandten
Gedichte zu lesen. Sie haben mir gefallen.
Ich finde daran:
Sie haben noch den Mut, etwas zu sagen. Sie enthüllen
noch und
klagen an. Sie verwenden dafür keine den Leser
streichelnde Form,
die ihn von der Aussage ablenkt und
ihn sagen läßt "Ah, das ist Kunst!"
,-
worauf er eine halbe
Stunde später seiner alten
Skrupellosigkeit nachgeht.
Ich lade Sie ein, in unseren Arbeitskreis zu kommen,
es ist jeden Diensattag um 17 Uhr in der Redaktion der
"Neuen Wege" (Hofburg,
Batthianystiege) eine Zusammenkunft.
Gerade jetzt ist die Krise
groß: Wer immer etwas in
stärkerer als der althergebrachten Form
sagt, gerade in der Lyriik
, kommt unter die Räder. Hofräte emntscheiden über uns,
größere Reife das heißt
Gleichgültigkeit wird uns geraten,
endlich beschweren sich die
Lehrkräfte bis zu dem [sic!] Direktorinnen
hinauf. Die Empörung über meine "Prosa
hinterm Wahnsinn"
wird von solchen Lebewesen nunmehr schriftlich
bis vors
Ministerium gebracht, meinen Freunden Fritsch und Altmann
geht es um kein Haar besser, Polakovics mit seinen
polemischen
Arbeiten erweckt Amnstoß usw. usw. usw. Über mein
"Gedicht in Prosa" in der
Mainummer hat sich Nationalrätin
Paunovics beschwert, meine
Entgegnung durfte nicht abgehen,
nunmehr kommt wahrscheinlich ein
Verbot für die nichther-
gebrachte Ausdrucksweise
überhaupt, die in bösartiger
Verkennung als "surrealistisch" und
daher lynchreif
ausgerufen wird.
Einzelne von uns wiederum flüchten in die Spielerei
mit dem
Unverständlichen, nur um die Bürger, zwar mit gewissem
Recht aber
unter Aufgabe des Ernstzunehmenden, vor dexn Kopf
zu stoßen.
Zwischen diesen Mühlsteinen müssen wir langsam
unserer Arbeit
nachgehen. Es sollten sich, die dasselbe
Ziel wie wir haben - und
das läßt sich an keiner Programmatik,
nur gefühlsmäßig erfassen -
bei uns sammeln.
Daher rufe ich
Sie, Fräulein Schinko, hierher an
meine Seite.(Freilich werden
Sie da weitgehend zugrundegehn.)
Herzlichst
Ihr
22/24 11 50
Abschrift.
Liebes Fräulein Schinko !
Ich hatte beim auswählenden Lektorat Gelegenheit,
Ihre eingesandten
Gedichte zu lesen. Sie haben mir gefallen.
Ich finde daran:
Sie haben noch den Mut, etwas zu sagen. Sie enthüllen
noch und
klagen an. Sie verwenden dafür keine den Leser
streichelnde Form,
die ihn von der Aussage ablenkt und
ihn sagen läßt "Ah, das ist Kunst!"
,-
-,
worauf er eine halbe
Stunde später seiner alten
Skrupellosigkeit nachgeht.
Ich lade Sie ein, in unseren Arbeitskreis zu kommen,
es ist jeden Diensatta g um 17 Uhr in der Redaktion der
"Neuen Wege " (Hofburg,
Batthianystiege ) eine Zusammenkunft.
Gerade jetzt ist die Krise
groß: Wer immer etwas in
stärkerer als der althergebrachten Form
sagt, gerade in der Lyriik
, kommt unter die Räder. Hofräte emn tscheiden über uns,
größere Reife das heißt
Gleichgültigkeit wird uns geraten,
endlich beschweren sich die
Lehrkräfte bis zu de
n
m
Direktorinnen
hinauf. Die Empörung über meine "Prosa
hinterm Wahnsinn "
wird von solchen Lebewesen nunmehr schriftlich
bis vors
Ministerium gebracht, meinen Freunden Fritsch und Altmann
geht es um kein Haar besser, Polakovics mit seinen
polemischen
Arbeiten erweckt Amn stoß usw. usw. usw. Über mein
"Gedicht in Prosa " in der
Mainummer hat sich Nationalrätin
Paunovics beschwert, meine
Entgegnung durfte nicht abgehen,
nunmehr kommt wahrscheinlich ein
Verbot für die nichther-
gebrachte Ausdrucksweise
überhaupt, die in bösartiger
Verkennung als "surrealistisch" und
daher lynchreif
ausgerufen wird.
Einzelne von uns wiederum flüchten in die Spielerei
mit dem
Unverständlichen, nur um die Bürger, zwar mit gewissem
Recht aber
unter Aufgabe des Ernstzunehmenden, vor dexn Kopf
zu stoßen.
Zwischen diesen Mühlsteinen müssen wir langsam
unserer Arbeit
nachgehen. Es sollten sich, die dasselbe
Ziel wie wir haben - und
das läßt sich an keiner Programmatik,
nur gefühlsmäßig erfassen -
bei uns sammeln.
Daher rufe ich
Sie, Fräulein Schinko , hierher an
meine Seite.(Freilich werden
Sie da weitgehend zugrundegehn.)
Herzlichst
Ihr
Andreas Okopenko
22 /24 11 50
ab: 29 11 50
Abschrift.
Liebes Fräulein Schinko!
Ich hatte beim auswählenden Lektorat Gelegenheit, Ihre eingesandten Gedichte zu lesen. Sie haben mir gefallen. Ich finde daran:
Sie haben noch den Mut, etwas zu sagen. Sie enthüllen noch und klagen an. Sie verwenden dafür keine den Leser streichelnde Form, die ihn von der Aussage ablenkt und ihn sagen läßt "Ah, das ist Kunst!" - worauf er eine halbe Stunde später seiner alten Skrupellosigkeit nachgeht.
Ich lade Sie ein, in unseren Arbeitskreis zu kommen, es ist jeden Dienstag um 17 Uhr in der Redaktion der "Neuen Wege" (Hofburg, Batthianystiege) eine Zusammenkunft. Gerade jetzt ist die Krise groß: Wer immer etwas in stärkerer als der althergebrachten Form sagt, gerade in der Lyrik , kommt unter die Räder. Hofräte entscheiden über uns, größere Reife das heißt Gleichgültigkeit wird uns geraten, endlich beschweren sich die Lehrkräfte bis zu den Direktorinnen hinauf. Die Empörung über meine "Prosa hinterm Wahnsinn" wird von solchen Lebewesen nunmehr schriftlich bis vors Ministerium gebracht, meinen Freunden Fritsch und Altmann geht es um kein Haar besser, Polakovics mit seinen polemischen Arbeiten erweckt Anstoß usw. usw. usw. Über mein "Gedicht in Prosa" in der Mainummer hat sich Nationalrätin Paunovics beschwert, meine Entgegnung durfte nicht abgehen, nunmehr kommt wahrscheinlich ein Verbot für die nichthergebrachte Ausdrucksweise überhaupt, die in bösartiger Verkennung als "surrealistisch" und daher lynchreif ausgerufen wird.
Einzelne von uns wiederum flüchten in die Spielerei mit dem Unverständlichen, nur um die Bürger, zwar mit gewissem Recht aber unter Aufgabe des Ernstzunehmenden, vor den Kopf zu stoßen.
Zwischen diesen Mühlsteinen müssen wir langsam unserer Arbeit nachgehen. Es sollten sich, die dasselbe Ziel wie wir haben - und das läßt sich an keiner Programmatik, nur gefühlsmäßig erfassen - bei uns sammeln. Daher rufe ich Sie, Fräulein Schinko, hierher an meine Seite.(Freilich werden Sie da weitgehend zugrundegehn.)
Herzlichst
Ihr
22/24 11 50 ab: 29 11 50Abschrift.
Liebes Fräulein Schinko!
Ich hatte beim auswählenden Lektorat Gelegenheit,
Ihre eingesandten
Gedichte zu lesen. Sie haben mir gefallen.
Ich finde daran:
Sie haben noch den Mut, etwas zu sagen. Sie enthüllen
noch und
klagen an. Sie verwenden dafür keine den Leser
streichelnde Form,
die ihn von der Aussage ablenkt und
ihn sagen läßt "Ah, das ist Kunst!"
,-
worauf er eine halbe
Stunde später seiner alten
Skrupellosigkeit nachgeht.
Ich lade Sie ein, in unseren Arbeitskreis zu kommen,
es ist jeden Diensattag um 17 Uhr in der Redaktion der
"Neuen Wege" (Hofburg,
Batthianystiege) eine Zusammenkunft.
Gerade jetzt ist die Krise
groß: Wer immer etwas in
stärkerer als der althergebrachten Form
sagt, gerade in der Lyriik
, kommt unter die Räder. Hofräte emntscheiden über uns,
größere Reife das heißt
Gleichgültigkeit wird uns geraten,
endlich beschweren sich die
Lehrkräfte bis zu dem [sic!] Direktorinnen
hinauf. Die Empörung über meine "Prosa
hinterm Wahnsinn"
wird von solchen Lebewesen nunmehr schriftlich
bis vors
Ministerium gebracht, meinen Freunden Fritsch und Altmann
geht es um kein Haar besser, Polakovics mit seinen
polemischen
Arbeiten erweckt Amnstoß usw. usw. usw. Über mein
"Gedicht in Prosa" in der
Mainummer hat sich Nationalrätin
Paunovics beschwert, meine
Entgegnung durfte nicht abgehen,
nunmehr kommt wahrscheinlich ein
Verbot für die nichther-
gebrachte Ausdrucksweise
überhaupt, die in bösartiger
Verkennung als "surrealistisch" und
daher lynchreif
ausgerufen wird.
Einzelne von uns wiederum flüchten in die Spielerei
mit dem
Unverständlichen, nur um die Bürger, zwar mit gewissem
Recht aber
unter Aufgabe des Ernstzunehmenden, vor dexn Kopf
zu stoßen.
Zwischen diesen Mühlsteinen müssen wir langsam
unserer Arbeit
nachgehen. Es sollten sich, die dasselbe
Ziel wie wir haben - und
das läßt sich an keiner Programmatik,
nur gefühlsmäßig erfassen -
bei uns sammeln.
Daher rufe ich
Sie, Fräulein Schinko, hierher an
meine Seite.(Freilich werden
Sie da weitgehend zugrundegehn.)
Herzlichst
Ihr
22/24 11 50Okopenko, Andreas:
Tagebuch 22.11.1950–27.01.1951.
Digitale Edition, hrsg. von Roland
Innerhofer, Bernhard Fetz, Christian Zolles, Laura Tezarek, Arno
Herberth, Desiree Hebenstreit, Holger Englerth, Österreichische
Nationalbibliothek und Universität Wien. Wien: Version 2.0,
21.11.2019. URL:
https://edition.onb.ac.at/
Ältere Versionen: siehe Archiv
Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.
LinksJegliche Nutzung der Digitalisate muss mit dem Rechtsnachfolger von Andreas Okopenko, August Bisinger, individuell abgeklärt werden.