Würzburg 2 IX 83.
Herzogeng. 5

Lieber herr kollege,

Das ist freundlich von Ihnen, dass Sie mich bei meiner rückkunft aus Thüringen – denn dahin, in die nähe von Eisenach, bin ich ein paar wochen gezogen – mit einem bildlichen besuche erfreuen. Seien Sie bestens bedankt! Gross und schlank habe ich mir Sie vorgestellt, aber – blond! warum, wüsste ich nicht; man macht sich ja aus briefen und schriftstellereien bilder von den verfassern und geht freilich auf diesem wege nicht sicherer als Lavater auf dem umgekehrten. Nun werde ich beim lesen Ihrer schriften mir Ihr wahres porträt im auge behalten und so hoffentlich sicherer zu einem rechten verständnis Ihrer person gelangen. Wollen Sie mich nach wie vor durch Ihre briefe darin unterstützen!
Auf die angekündigten neudrucke freue ich mich sehr. Sie haben vor meiner sammlung voraus, dass Sie mich und wol viele Deutsche in ganz unbekannte gebiete führen. Ich freue mich des raschen fortschrittes und wünsche aufrichtig, dass der absatz Ihrem eifer entsprechend gross sein möge.
Auch auf den Bürgerband bin ich sehr begierig. Ihre einleitung wird mir gewiss den mann verständlich machen: bisher wollte es mir nie gelingen, ihn als einheit zu fassen. Für meine vorlesungen war er mir immer eine wahre crux. In den DLD soll späterhin eine kritisch-historische ausgabe seiner gedichte kommen. ich habe bisher vergeblich nach einem fähigen bearbeiter umschau gehalten. jetzt weiss ich, an wen ich mich wenden darf.
Habe ich Ihnen wirklich nicht mitteilung gemacht, dass ich das 19. jhrh. auf den titel setzen wolle? Die verleger wünschten es seit mehr als jahresfrist; ich sträubte mich gegen die vermehrte ausdehnung, da mir die arbeit ohnehin lästig ist. Aber schliesslich gab ich doch nach und bin nun sehr glücklich über die wahrhaft genussreichen Vorlesungen Schlegels, deren druck eben h. Minor besorgt.
Zum schlusse den aufrichtigen wunsch, dass Ihre ernennung nach Graz baldigst einlaufen möge und dass Sie also angenehm zu dem gezwungen werden, was Sie doch auch freiwillig tun müssten. Vergessen Sie dann als wolbestallter professor den sitzengebliebenen privatdocenten nicht!
Nochmals dankend grüsst
Ihr
ergebener
BSeuffert.

Würzburg 2 IX 83.
Herzogeng. 5

Lieber herr kollege,

Das ist freundlich von Ihnen, dass Sie mich bei meiner rückkunft aus Thüringen – denn dahin, in die nähe von Eisenach, bin ich ein paar wochen gezogen – mit einem bildlichen besuche erfreuen. Seien Sie bestens bedankt! Gross und schlank habe ich mir Sie vorgestellt, aber – blond! warum, wüsste ich nicht; man macht sich ja aus briefen und schriftstellereien bilder von den verfassern und geht freilich auf diesem wege nicht sicherer als Lavater auf dem umgekehrten. Nun werde ich beim lesen Ihrer schriften mir Ihr wahres porträt im auge behalten und so hoffentlich sicherer zu einem rechten verständnis Ihrer person gelangen. Wollen Sie mich nach wie vor durch Ihre briefe darin unterstützen!
Auf die angekündigten neudrucke freue ich mich sehr. Sie haben vor meiner sammlung voraus, dass Sie mich und wol viele Deutsche in ganz unbekannte gebiete führen. Ich freue mich des raschen fortschrittes und wünsche aufrichtig, dass der absatz Ihrem eifer entsprechend gross sein möge.
Auch auf den Bürgerband bin ich sehr begierig. Ihre einleitung wird mir gewiss den mann verständlich machen: bisher wollte es mir nie gelingen, ihn als einheit zu fassen. Für meine vorlesungen war er mir immer eine wahre crux. In den DLD soll späterhin eine kritisch-historische ausgabe seiner gedichte kommen. ich habe bisher vergeblich nach einem fähigen bearbeiter umschau gehalten. jetzt weiss ich, an wen ich mich wenden darf.
Habe ich Ihnen wirklich nicht mitteilung gemacht, dass ich das 19. jhrh. auf den titel setzen wolle? Die verleger wünschten es seit mehr als jahresfrist; ich sträubte mich gegen die vermehrte ausdehnung, da mir die arbeit ohnehin lästig ist. Aber schliesslich gab ich doch nach und bin nun sehr glücklich über die wahrhaft genussreichen Vorlesungen Schlegels, deren druck eben h. Minor besorgt.
Zum schlusse den aufrichtigen wunsch, dass Ihre ernennung nach Graz baldigst einlaufen möge und dass Sie also angenehm zu dem gezwungen werden, was Sie doch auch freiwillig tun müssten. Vergessen Sie dann als wolbestallter professor den sitzengebliebenen privatdocenten nicht!
Nochmals dankend grüsst
Ihr
ergebener
BSeuffert.

Gross und schlank habe ich mir Sie vorgestellt, aber – blond! warum, wüsste ich nicht; man macht sich ja aus briefen und schriftstellereien bilder von den verfassern und geht freilich auf diesem wege nicht sicherer als Lavater auf dem umgekehrten. Nun werde ich beim lesen Ihrer schriften mir Ihr wahres porträt im auge behalten und so hoffentlich sicherer zu einem rechten verständnis Ihrer person gelangen.

Seuffert war erstaunt über Sauers Photographie. Er setzt die falschen Vorstellungen, die er sich gemacht hatte, in Zusammenhang mit den Forschungen von Johann Caspar Lavater, der im 18. Jahrhundert Theorien über den Zusammenhang von Physiognomie und Charakter entwickelt hatte.

Briefdaten

Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Lemberg
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 3 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8271 [Druckausgabe Nr. 37]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8271/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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