Graz Harrachg. 1. 7 X 87.
Lieber freund,
Ich möchte Sie bei Ihrer rückkehr gleich begrüssen und für Ihren brief danken. Es ist mir gar nicht recht, dass mir Schmidt in der mitteilung des zs.planes bei Ihnen zuvorkam. Ich konnte mich nicht früher darüber äussern. Sie erinnern sich wol nicht, dass Sie mir im vorigen jahre schon schrieben, dass eine zs. uns not tue. Ich war damals noch nicht für eine gründung, sprach aber mit Schmidt im august darüber, er solle sich, wenn er nach Berl. komme, die sache bedenken. Im mai d. j. kam Schm. auf die sache zurück u. fragte mich, ob ich redigieren wolle. Ich schlug das aus mit verweisung auf die generalkorrektur. Damals erfuhr ich, in Weimar zuerst, vom nahen ende des Archivs. Dazu Zachers tod u. das vermutliche aufhören seiner Zs. So war auch äusserlich raum u. ich drängte in Schm., ernst zu machen. Er wollte – ich möchte nicht dass Sie dies weiter sagen, es waren lauter vertrauliche vorbesprechungen, von denen Sie alles wissen sollen – eine zs. bei Reimer. Zur verschiebung unseres planes, für den aber ein redacteur fehlte, trug die idee bei, die Loeper, geschmackvoll genug beim festmahl, den Goethegesellschaftern vortrug: monatshefte für kunst u. litteratur, allzeit bereites organ für Goetheana, schneller, detaillierter als das G-Jahrb. Der plan war Grimmisch. Er wollte für sich u. seinen schützling Suphan eine verherrlichungsstätte, erst mit dem schönen hieroglyphentitel W. K. F., dann als ihm das lächerliche vorgehalten wurde: Goethearchiv u. G.-museum hg. v. Suph u. Gr.
Loep. war feuer u. flamme. Böhlau sollte bereit sein (das war aber nicht so ganz richtig). Suph., ohnehin von der arbeitslast der sinecure die er in W. erwartet hatte bitter enttäuscht zog nicht recht, bat um aufschub. Schmidt verekelte den herren beim abendbrot die sache etwas u. ich sekundierte dabei. Im laufe des sommers kam Schmidts u. mein brfw. widerholt auf die sache. Wir entwarfen pläne, bedachten die abfindung mit Steinmeyer, überlegten herausgeber, es bot sich auch schon einer u. der andre an, der uns untauglich schien. Da legte ich die generalkorr. nieder u. in demselben briefe, worin Schm. mir deren annahme durch die direktion mitteilte, schrieb er, nun sei ich frei u. solle redigieren. Ich weigerte mich, im hinblick auf meine fortdauernde verwendung als Goetheredaktor, als hgeber der DLD (die ich vergeblich abzuschütteln versuchte, um für Wieland freie hand zu bekommen) und auf Wieland. Er liess nicht nach u. wir bedachten den modus einer geschäftsredaktion, mit Schmidts aufsicht u. unter meiner event. unterstützung der geschäfte. Denn Schm. selbst wollte die geschäfte nicht haben u. taugt auch nicht dazu meine ich. Dass ich leider besser zu so äusserlicher geschaftlhuberei als zu darstellenden arbeiten eigne, habe ich ja einsehen lernen u. so fragte ich mein gewissen, ob ich mich nicht bescheiden solle zu leisten was ich eben vielleicht kann u. grösseres, was mir kaum gelingt, zu verschieben und nebenher gehen zu lassen. So kam ich nach Erlangen u. beredete die sache mit Steinmeyer. Er riet mir ab. Aber wie die sachen liegen, hoffte ich mit Steinm. am leichtesten von allen jüngeren ein abkommen treffen zu können, das dahin ging, dass wir die zs. in einen alten u. neuen teil mit gesonderter redaktion teilen. Das war mein ideal. Denn es ist doch wunderlich, wenn die Zs. die neue bibliogr. u. den Anz. neuer litt. behält. Dies zu lösen, verbiss ich mich u. eben weil ich mir einbildete, wenn es einem gelänge, so wäre ichs bei meiner nahen stellung zu Steinmeyer, verbohrte ich mich in die möglichkeit, doch gegen den willen redacteur zu werden. Bei einem späteren besuche in Erlangen, ein paar wochen darnach, meinte ich auch Steinm. viel geneigter zu finden. Die sache – und auch hiefür wie für alles bitte ich um strenge vertraulichkeit – war darum so heikel, weil Steinm. gerne die redaktion los hätte, während ich ihn erst recht binden wollte: es redigiert uns keiner die Zs. so wie er. Nun kam eine neue wendung: die grossherzogin Sophie wünschte die zs. für Weimar. Da musste aber ein Weimaraner redigieren. Köhler wäre nicht zu haben. Suph. untauglich. Also ein heer von mitwirkern: Suph., viell. Köhler, Schmidt, Grimm u. ich als geschäftsleiter. Dagegen verwahrte ich mich. Ich schlug vor Böhlau zum verleger zu nehmen, dabei solle sich die grosshzgin bescheiden, aber womöglich schon dafür zahlen. Da rückte Schm. heraus, dass er auf dem Titel stehen u. mitredigieren wolle. Ich lehnte das ab, entweder allein oder nicht. Nun führte ich die entscheidende korrespondenz mit Steinm., deren resultat meine niederlage war. Die teilung motivierte er als unmöglich aus äusseren u. inneren u. persönlichen gründen. Darauf riet ich Sophie auszunützen u. das Weimarische unternehmen ohne mich in scene zu setzen, entwarf ein programm u. hoffte los zu kommen. Schm. liess mich nicht los. Böhlau, den ich principiell empfahl schon weil man Reimer nicht zumuten konnte sich selbst ein konkurrenzbl. zu gründen, auch weil ich von ihm schlechte bedingungen fürchtete u. weil an seiner firma parteiodium klebt, war bereit; serenissima war bereit. Mein programm, das in wesentlichen punkten von Schmidts entwurf abwich, z. b. statt der recensionen jahresberichte enthielt usf., war angenommen. Aber wenn Sophie etwas tun sollte, was doch sachlich recht nützlich war, musste Schmidt u. Suph. auf den titel. Nun schien mir allerdings die formel unter mitwirkg. von ES u. BSu hg von BSe acceptabler als hg. v. ES u. BS, aber ich wollte mir nichts drein reden lassen, wenn ich schon das opfer überhaupt bringen wollte, zu dem mich Schönbach mit aller überredungskunst drängte. Schliesslich musste ich auch, damals noch im unklaren über meine systemi- sierung, ein paar 100 mark redaktionsgebühren anschlagen. Trotzdem weigerte ich mich, bis Schm. das unerhörte anbot, er u. Suph. wollten mir einen schein ausstellen, dass sie mir nichts drein reden, was ich nicht will. Darauf sehen Sie ein war ein nein grobheit. Ich empfing den schein u. bin redacteur, freilich noch ohne zu wissen was die grossherzogin tut. Jedesfalls hab ich mir auch völlige unabhängigkeit von ihr bedungen u. sie wird wol gar nicht genannt werden. Nun schmiede ich am prospekt, der durch Schms. u. Suphs. esse geht u. Sie sehen ihn vielleicht bald gedruckt.
Mir liegt es schwer auf der seele. Wie werd ich mich zurechtfinden? Wie werd ichs leisten können? Ich habe liebe zur sache, besser gesagt eifer, aber keinen mut. Hier wo ich keine bibliothek zur verfügung habe, so weit vom druckort: lauter umstände, die ich gegen mich geltend machte, umsonst geltend machte. Ich bin nichts ohne den guten willen der fachgenossen. Werden Sie ihn haben? Von Ihnen hoff ich ihn u. erbitt ich ihn. Beweisen Sie mir ihn gleich durch einen beitrag zum ersten heft, das im j. 1888 erscheinen soll, sobald wir stoff genug haben. Machen Sie mir womöglich etwas österreichisches, Grillparzer oder sonst was aus der neuen zeit. Sie müssen mir auch der ständige referent über alle Austriaca sein. Schlagen Sie ein. Von allen engeren fachgenossen steht mir nächst Schmidt keiner so nahe wie Sie, das brauche ich Ihnen kaum zu sagen. – –
Was ist das für ein ausfall Minors gegen Suphan von dem Sie schreiben? – Ich beneide Sie um die Weimarer tage.
Nochmals: lassen Sie alle geschichte der vierteljahrschrift in Ihrer brust beschlossen sein u. schreiben Sie mir bald ein ermutigendes wort. Das brauch ich.
Meine frau grüsst. Mit Bauers u. Gurlitts leben wir viel.
Treulich Ihr
BSfft.
Graz Harrachg. 1. 7 X 87.
Lieber freund,
Ich möchte Sie bei Ihrer rückkehr gleich begrüssen und für Ihren brief danken. Es ist mir gar nicht recht, dass mir Schmidt in der mitteilung des zs.planes bei Ihnen zuvorkam. Ich konnte mich nicht früher darüber äussern. Sie erinnern sich wol nicht, dass Sie mir im vorigen jahre schon schrieben, dass eine zs. uns not tue. Ich war damals noch nicht für eine gründung, sprach aber mit Schmidt im august darüber, er solle sich, wenn er nach Berl. komme, die sache bedenken. Im mai d. j. kam Schm. auf die sache zurück u. fragte mich, ob ich redigieren wolle. Ich schlug das aus mit verweisung auf die generalkorrektur. Damals erfuhr ich, in Weimar zuerst, vom nahen ende des Archivs. Dazu Zachers tod u. das vermutliche aufhören seiner Zs. So war auch äusserlich raum u. ich drängte in Schm., ernst zu machen. Er wollte – ich möchte nicht dass Sie dies weiter sagen, es waren lauter vertrauliche vorbesprechungen, von denen Sie alles wissen sollen – eine zs. bei Reimer. Zur verschiebung unseres planes, für den aber ein redacteur fehlte, trug die idee bei, die Loeper, geschmackvoll genug beim festmahl, den Goethegesellschaftern vortrug: monatshefte für kunst u. litteratur, allzeit bereites organ für Goetheana, schneller, detaillierter als das G-Jahrb. Der plan war Grimmisch. Er wollte für sich u. seinen schützling Suphan eine verherrlichungsstätte, erst mit dem schönen hieroglyphentitel W. K. F., dann als ihm das lächerliche vorgehalten wurde: Goethearchiv u. G.-museum hg. v. Suph u. Gr.
Loep. war feuer u. flamme. Böhlau sollte bereit sein (das war aber nicht so ganz richtig). Suph., ohnehin von der arbeitslast der sinecure die er in W. erwartet hatte bitter enttäuscht zog nicht recht, bat um aufschub. Schmidt verekelte den herren beim abendbrot die sache etwas u. ich sekundierte dabei. Im laufe des sommers kam Schmidts u. mein brfw. widerholt auf die sache. Wir entwarfen pläne, bedachten die abfindung mit Steinmeyer, überlegten herausgeber, es bot sich auch schon einer u. der andre an, der uns untauglich schien. Da legte ich die generalkorr. nieder u. in demselben briefe, worin Schm. mir deren annahme durch die direktion mitteilte, schrieb er, nun sei ich frei u. solle redigieren. Ich weigerte mich, im hinblick auf meine fortdauernde verwendung als Goetheredaktor, als hgeber der DLD (die ich vergeblich abzuschütteln versuchte, um für Wieland freie hand zu bekommen) und auf Wieland. Er liess nicht nach u. wir bedachten den modus einer geschäftsredaktion, mit Schmidts aufsicht u. unter meiner event. unterstützung der geschäfte. Denn Schm. selbst wollte die geschäfte nicht haben u. taugt auch nicht dazu meine ich. Dass ich leider besser zu so äusserlicher geschaftlhuberei als zu darstellenden arbeiten eigne, habe ich ja einsehen lernen u. so fragte ich mein gewissen, ob ich mich nicht bescheiden solle zu leisten was ich eben vielleicht kann u. grösseres, was mir kaum gelingt, zu verschieben und nebenher gehen zu lassen. So kam ich nach Erlangen u. beredete die sache mit Steinmeyer. Er riet mir ab. Aber wie die sachen liegen, hoffte ich mit Steinm. am leichtesten von allen jüngeren ein abkommen treffen zu können, das dahin ging, dass wir die zs. in einen alten u. neuen teil mit gesonderter redaktion teilen. Das war mein ideal. Denn es ist doch wunderlich, wenn die Zs. die neue bibliogr. u. den Anz. neuer litt. behält. Dies zu lösen, verbiss ich mich u. eben weil ich mir einbildete, wenn es einem gelänge, so wäre ichs bei meiner nahen stellung zu Steinmeyer, verbohrte ich mich in die möglichkeit, doch gegen den willen redacteur zu werden. Bei einem späteren besuche in Erlangen, ein paar wochen darnach, meinte ich auch Steinm. viel geneigter zu finden. Die sache – und auch hiefür wie für alles bitte ich um strenge vertraulichkeit – war darum so heikel, weil Steinm. gerne die redaktion los hätte, während ich ihn erst recht binden wollte: es redigiert uns keiner die Zs. so wie er. Nun kam eine neue wendung: die grossherzogin Sophie wünschte die zs. für Weimar. Da musste aber ein Weimaraner redigieren. Köhler wäre nicht zu haben. Suph. untauglich. Also ein heer von mitwirkern: Suph., viell. Köhler, Schmidt, Grimm u. ich als geschäftsleiter. Dagegen verwahrte ich mich. Ich schlug vor Böhlau zum verleger zu nehmen, dabei solle sich die grosshzgin bescheiden, aber womöglich schon dafür zahlen. Da rückte Schm. heraus, dass er auf dem Titel stehen u. mitredigieren wolle. Ich lehnte das ab, entweder allein oder nicht. Nun führte ich die entscheidende korrespondenz mit Steinm., deren resultat meine niederlage war. Die teilung motivierte er als unmöglich aus äusseren u. inneren u. persönlichen gründen. Darauf riet ich Sophie auszunützen u. das Weimarische unternehmen ohne mich in scene zu setzen, entwarf ein programm u. hoffte los zu kommen. Schm. liess mich nicht los. Böhlau, den ich principiell empfahl schon weil man Reimer nicht zumuten konnte sich selbst ein konkurrenzbl. zu gründen, auch weil ich von ihm schlechte bedingungen fürchtete u. weil an seiner firma parteiodium klebt, war bereit; serenissima war bereit. Mein programm, das in wesentlichen punkten von Schmidts entwurf abwich, z. b. statt der recensionen jahresberichte enthielt usf., war angenommen. Aber wenn Sophie etwas tun sollte, was doch sachlich recht nützlich war, musste Schmidt u. Suph. auf den titel. Nun schien mir allerdings die formel unter mitwirkg. von ES u. BSu hg von BSe acceptabler als hg. v. ES u. BS, aber ich wollte mir nichts drein reden lassen, wenn ich schon das opfer überhaupt bringen wollte, zu dem mich Schönbach mit aller überredungskunst drängte. Schliesslich musste ich auch, damals noch im unklaren über meine systemi- sierung, ein paar 100 mark redaktionsgebühren anschlagen. Trotzdem weigerte ich mich, bis Schm. das unerhörte anbot, er u. Suph. wollten mir einen schein ausstellen, dass sie mir nichts drein reden, was ich nicht will. Darauf sehen Sie ein war ein nein grobheit. Ich empfing den schein u. bin redacteur, freilich noch ohne zu wissen was die grossherzogin tut. Jedesfalls hab ich mir auch völlige unabhängigkeit von ihr bedungen u. sie wird wol gar nicht genannt werden. Nun schmiede ich am prospekt, der durch Schms. u. Suphs. esse geht u. Sie sehen ihn vielleicht bald gedruckt.
Mir liegt es schwer auf der seele. Wie werd ich mich zurechtfinden? Wie werd ichs leisten können? Ich habe liebe zur sache, besser gesagt eifer, aber keinen mut. Hier wo ich keine bibliothek zur verfügung habe, so weit vom druckort: lauter umstände, die ich gegen mich geltend machte, umsonst geltend machte. Ich bin nichts ohne den guten willen der fachgenossen. Werden Sie ihn haben? Von Ihnen hoff ich ihn u. erbitt ich ihn. Beweisen Sie mir ihn gleich durch einen beitrag zum ersten heft, das im j. 1888 erscheinen soll, sobald wir stoff genug haben. Machen Sie mir womöglich etwas österreichisches, Grillparzer oder sonst was aus der neuen zeit. Sie müssen mir auch der ständige referent über alle Austriaca sein. Schlagen Sie ein. Von allen engeren fachgenossen steht mir nächst Schmidt keiner so nahe wie Sie, das brauche ich Ihnen kaum zu sagen. – –
Was ist das für ein ausfall Minors gegen Suphan von dem Sie schreiben? – Ich beneide Sie um die Weimarer tage.
Nochmals: lassen Sie alle geschichte der vierteljahrschrift in Ihrer brust beschlossen sein u. schreiben Sie mir bald ein ermutigendes wort. Das brauch ich.
Meine frau grüsst. Mit Bauers u. Gurlitts leben wir viel.
Treulich Ihr
BSfft.
Mir liegt es schwer auf der seele. Wie werd ich mich zurechtfinden? Wie werd ichs leisten können? Ich habe liebe zur sache, besser gesagt eifer, aber keinen mut.
Die Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte erschien von 1888 bis 1893 im Verlag Hermann Böhlau in Weimar. Obwohl Bernhard Seuffert einen bedeutenden Teil der germanistischen Fachgemeinschaft für die Mitarbeit gewann, gelang es auf Dauer nicht, die Zeitschrift durch ausreichend hohe Abonnentenzahlen und staatliche Subventionen dauerhaft abzusichern.
Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8392 [Druckausgabe Nr. 78]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8392/methods/sdef:TEI/get
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