Graz Harrachg. 1
8 XII 93
Lieber freund Ich muss Ihnen sofort nach dem eintreffen Ihrer nachricht, also auch ehe ich Schönbach davon unterrichten konnte, meine freude und meinen glückwunsch aussprechen. Möge Ihnen das unternehmen so viel freude machen, als mir die Vierteljahrschrift hinterdrein bereitet. Denn zu manchfachen ! briefen, deren lob ich ja jetzt, wo die verfasser von mir keinerlei gefälligkeit mehr erwarten können, ernst nehmen darf, zu bedauernden briefen recht ferne stehender kam gestern auch eine anzeige des 2. u. 3. bandes (!) von Muncker, die mich befriedigen kann (Bl. f. gymnasialwesen). Muncker hat mit mir nach meiner anzeige seines Klopstock gebrochen, es ist seine erste sendung seit jener zeit; und Muncker ist in der VJS. ohne mein zutun übler weggekommen als irgend ein anderer. So ist mir seine anerkennung wirklich erfreulich.
Gewiss werden Sie die gleiche und lebhaftere finden und hoffentlich rechtzeitiger.
Nun aber erlauben Sie mir, damit ich Ihren allzu gütigen dank doch etwas verdiene, ein bedenken vorzutragen, das Sie in ganz freie erwägung nehmen mögen. Verstehe ich recht, so soll der titel sein ‚Neue VJS f lg.‘ Das halte ich für unzweckmässig. Die freunde der VJS erwerben Sie auch durch einen andern titel, ihre gegner oder vielleicht richtiger: die, denen die VJS. nicht passte nach inhalt und art des inhalts, werden Sie durch den gleichen titel von vorn herein abschrecken. Tatsächlich stellen Sie ja das unternehmen doch nicht auf das gleiche programm; schon durch das – nach meiner meinung für den absatz sehr nützliche – beifügen von recensionen ist das programm weiter. Auch kommt der eine grössere allgemeinere einleitungsartikel dann nicht zur geltung; man könnte sagen er sei ein lockvogel, aber der gleiche titel beweise, dass er nichts als das sei, dass doch das neue unternehmen so philologisch eng sein werde wie das absterbende, sonst würden Sie nicht den titel beibehalten haben. Ich muss Sie darauf aufmerksam machen. Mir wäre ja das beibehalten des titels natürlich sehr schmeichelhaft, aber das darf mich nicht gegen die gefahr blenden, die Sie dabei laufen könnten.
Dann möchte ich zu gunsten der absatzfähigkeit bezw. der materiellen unterstützung noch anderes – nicht anregen, aber Ihrer erwägung nahe legen. Wie wäre es mit einem beiblatt: Mitteilungen aus dem Goethe- u. Schiller-archiv? Die redaktion davon dürften Sie nicht übernehmen, denn keiner täte Suphan genug mit lobsprüchen für seine person und devotion für serenissima. Ferner wären beilagen möglich: Chronik der Berliner litterarischen gesellschaft und der ähnlichen Wiener. Natürlich würde die verantwortung dafür den vorsitzenden ESchmidt u. JMinor zufallen. So würde die zs. nebenbei vereinsorgan und würde also an abnehmern gewinnen können. Da Sie durch die recensionen doch aus dem rein productiven kreise der VJS. heraustreten, halte ich solche beilagen für möglich.
Endlich würden die recensionen gut ergänzt werden durch eine bibliographie im stile des Behaghelschen Litbl.
Das alles sind nur unmassgebliche vorschläge, die Sie nur dann ernst nehmen dürften, wenn ihre erfüllung die finanzielle seite des organs sichern undIhre alleinige redactionsfreiheit nicht schmälert.
Sie fragen nach dem korrekturlauf; bei mir war er – und zwar zu meiner zufriedenheit – so eingerichtet: der mitarbeiter erhielt zwei fahnenkorrekturen nebst mscpt, eine behielt er, eine sandte er nebst mscpt. an mich, der auch gleichzeitig eine fahne erhalten hatte. Ich korrigirte die mitarbeiterkorrektur und erhielt dann eine umgebrochene korrekturrevision, die ich allein las und mit imprimatur versah. Die mitarbeiter erhielten – bis auf 2 oder 3 ausnahmen in allen 6 bänden – niemals eine zweimalige korrektur. Zuerst auf fahnen korrigiren zu lassen, stellte sich als nötig heraus, um die kosten der sog. autorkorrekturen zu vermindern.
Laden Sie ja Creizenach ein. Ich will zunächst im hintergrund bleiben: das neue unternehmen darf durch meinen namen nicht discreditiert werden, ich bin ein zu prononcierter philologe. Später bitte ich allerdings um unterschlupf.
Alles gute immer wieder.
Treu
Ihr
BSeuffert.
Graz Harrachg. 1
8 XII 93
Lieber freund Ich muss Ihnen sofort nach dem eintreffen Ihrer nachricht, also auch ehe ich Schönbach davon unterrichten konnte, meine freude und meinen glückwunsch aussprechen. Möge Ihnen das unternehmen so viel freude machen, als mir die Vierteljahrschrift hinterdrein bereitet. Denn zu manchfachen ! briefen, deren lob ich ja jetzt, wo die verfasser von mir keinerlei gefälligkeit mehr erwarten können, ernst nehmen darf, zu bedauernden briefen recht ferne stehender kam gestern auch eine anzeige des 2. u. 3. bandes (!) von Muncker, die mich befriedigen kann (Bl. f. gymnasialwesen). Muncker hat mit mir nach meiner anzeige seines Klopstock gebrochen, es ist seine erste sendung seit jener zeit; und Muncker ist in der VJS. ohne mein zutun übler weggekommen als irgend ein anderer. So ist mir seine anerkennung wirklich erfreulich.
Gewiss werden Sie die gleiche und lebhaftere finden und hoffentlich rechtzeitiger.
Nun aber erlauben Sie mir, damit ich Ihren allzu gütigen dank doch etwas verdiene, ein bedenken vorzutragen, das Sie in ganz freie erwägung nehmen mögen. Verstehe ich recht, so soll der titel sein ‚Neue VJS f lg.‘ Das halte ich für unzweckmässig. Die freunde der VJS erwerben Sie auch durch einen andern titel, ihre gegner oder vielleicht richtiger: die, denen die VJS. nicht passte nach inhalt und art des inhalts, werden Sie durch den gleichen titel von vorn herein abschrecken. Tatsächlich stellen Sie ja das unternehmen doch nicht auf das gleiche programm; schon durch das – nach meiner meinung für den absatz sehr nützliche – beifügen von recensionen ist das programm weiter. Auch kommt der eine grössere allgemeinere einleitungsartikel dann nicht zur geltung; man könnte sagen er sei ein lockvogel, aber der gleiche titel beweise, dass er nichts als das sei, dass doch das neue unternehmen so philologisch eng sein werde wie das absterbende, sonst würden Sie nicht den titel beibehalten haben. Ich muss Sie darauf aufmerksam machen. Mir wäre ja das beibehalten des titels natürlich sehr schmeichelhaft, aber das darf mich nicht gegen die gefahr blenden, die Sie dabei laufen könnten.
Dann möchte ich zu gunsten der absatzfähigkeit bezw. der materiellen unterstützung noch anderes – nicht anregen, aber Ihrer erwägung nahe legen. Wie wäre es mit einem beiblatt: Mitteilungen aus dem Goethe- u. Schiller-archiv? Die redaktion davon dürften Sie nicht übernehmen, denn keiner täte Suphan genug mit lobsprüchen für seine person und devotion für serenissima. Ferner wären beilagen möglich: Chronik der Berliner litterarischen gesellschaft und der ähnlichen Wiener. Natürlich würde die verantwortung dafür den vorsitzenden ESchmidt u. JMinor zufallen. So würde die zs. nebenbei vereinsorgan und würde also an abnehmern gewinnen können. Da Sie durch die recensionen doch aus dem rein productiven kreise der VJS. heraustreten, halte ich solche beilagen für möglich.
Endlich würden die recensionen gut ergänzt werden durch eine bibliographie im stile des Behaghelschen Litbl.
Das alles sind nur unmassgebliche vorschläge, die Sie nur dann ernst nehmen dürften, wenn ihre erfüllung die finanzielle seite des organs sichern undIhre alleinige redactionsfreiheit nicht schmälert.
Sie fragen nach dem korrekturlauf; bei mir war er – und zwar zu meiner zufriedenheit – so eingerichtet: der mitarbeiter erhielt zwei fahnenkorrekturen nebst mscpt, eine behielt er, eine sandte er nebst mscpt. an mich, der auch gleichzeitig eine fahne erhalten hatte. Ich korrigirte die mitarbeiterkorrektur und erhielt dann eine umgebrochene korrekturrevision, die ich allein las und mit imprimatur versah. Die mitarbeiter erhielten – bis auf 2 oder 3 ausnahmen in allen 6 bänden – niemals eine zweimalige korrektur. Zuerst auf fahnen korrigiren zu lassen, stellte sich als nötig heraus, um die kosten der sog. autorkorrekturen zu vermindern.
Laden Sie ja Creizenach ein. Ich will zunächst im hintergrund bleiben: das neue unternehmen darf durch meinen namen nicht discreditiert werden, ich bin ein zu prononcierter philologe. Später bitte ich allerdings um unterschlupf.
Alles gute immer wieder.
Treu
Ihr
BSeuffert.
Verstehe ich recht, so soll der titel sein ‚Neue VJS f lg.‘ Das halte ich für unzweckmässig. Die freunde der VJS erwerben Sie auch durch einen andern titel, ihre gegner oder vielleicht richtiger: die, denen die VJS. nicht passte nach inhalt und art des inhalts, werden Sie durch den gleichen titel von vorn herein abschrecken.
Seuffert riet Sauer davon ab, mit dem Titel der neuen literaturgeschichtlichen Zeitschrift an die Vierteljahrschrift anzuknüpfen.
Verstehe ich recht, so soll der titel sein ‚Neue VJS f lg.‘ Das halte ich für unzweckmässig. Die freunde der VJS erwerben Sie auch durch einen andern titel, ihre gegner oder vielleicht richtiger: die, denen die VJS. nicht passte nach inhalt und art des inhalts, werden Sie durch den gleichen titel von vorn herein abschrecken.
Seuffert riet Sauer davon ab, mit dem Titel der neuen literaturgeschichtlichen Zeitschrift an die Vierteljahrschrift anzuknüpfen.
Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)
Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8643 [Druckausgabe Nr. 129]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8643/methods/sdef:TEI/get
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