L. F. Verzeihen Sie meine gestrige Kürze! Ich wollte Ihnen das Man. bestätigt haben, weil ich es schon einige Tage in Händen hatte u[n]d wollte mir das Versprechen möglichst [r]asch erbeten haben. Zum Brief war aber gestern nicht Zeit. – Ich hatte heuer stark verpfuschte Ferien. Ich war bis 18. August in Prag, weil ich meinen unglückseligen § Goedeke abschliessen u. für die Heinzel-Festschrift einen kleinen Beitrag zusammenschreiben mußte. Es was aber so drückend heiß, daß nichts ordentliches zu Stande kam. Dann waren wir 4 Wochen in St. Gilgen am Wolfgangsee. Es war nahe dran, daß ich Sie überfallen hätte, sogar der tag war schon festgesetzt. Meine Frau hatte eine Freundin in Ischl zu besuchen u. während dieser Zeit wollte ich zu Ihnen nach Goisern. Es kam aber schließlich so, daß ich selbst auch in Ischl bleiben mußte und zu einer 2. Fahrt reichte dann die Zeit nicht aus. Da ich nicht wußte, wann das Requiem für die Kaiserin stattfindet, kehrte ich früher zurück. Dann war ich einiger Collationen wegen noch 3 Tage in Wien u. vorige Woche besuchten wir Leitzmanns in Jena; ich lernte Michels und Eigenbrodt kennen, verkehrte mit Schlößer und den [Wei]maranern und hörte vieles von der Professorenfabrik am Acheufer (in der auch L. im Sommer angestellt war), aus der als neustes Erzeugnis Kösters Leipziger Professur hervorgegangen ist. Das nächste soll Kühnemanns Ernennung für Marburg sein. Auch will Brandl im „Archiv“ dem Euphorion Concurrenz machen, indem er mehr deutsche Artikel aufnehme[n w]ill als bisher u. mit Schmidt & Köster beginnt. Ich sehe dem Schicksal des Euphorion mit Ruhe entgegen. Vorderhand scheint Fromme an ein Ende noch nicht zu denken; er hat vielmehr auch heuer ein Ergänzungsheft concediert, das fast fertig ist. Dadurch bin ich in der Lage, daß ich mit Schluß des 5. Bandes alles alte Material an Aufsätzen, Recensionen & Miscellen [auf]gearbeitet habe und nun mit ganz frischen Kräften beginnen kann. Ich habe mir fest vorgenommen viel strenger in den Aufnahmen zu sein als bisher (denn Manuscriptmangel habe ich doch nicht) und wenn mich nur die aufrichtigen Freunde, vor allem Sie selbst, nicht im Stich lassen, so halte ich auch die Berliner Concurren noch aus. Im 1. Heft des neuen Jahrgangs kommt die Fortsetzung von Batka u. die von [Ru]bensohn (der junge Opitz); beides ergebnisreiche Untersuchungen. Auch die „alte“ Polemik hat hoffentlich eine Ende; wenigstens hat Niejahr eine Erklärung, die ihm seine Freunde aufzwingen wollten, wieder zurückgezogen. – Sie sehen, daß es mir an Ärger u. Sorgen nicht fehlt. Am meisten verdroß mich Fürsts Perfidie, der, obgleich er früher an diesen meinen Studien lebhaften Antheil genommen, mir seine eigenen Notizen zur Verfügung gestellt [un]d Nachträge eingefügt hatte, meinen § 298 in der „Zeit“ u. vermutlich auch in der „Gegenwart“ unqualificierbar verhöhnte und da Goetze durch seinen Umfang ohnehin schon kopfscheu geworden war u. zu streichen begonnen hatte, so habe ich zum Schaden noch den Spott zu ertragen. So drängt mich eigentlich alles dazu hin, mich vom publicistisch-betriebsam-litterarischen Leben ganz zurückzuziehen und wie Sie nur der Untersuchung zu leben und je früher dieser Tag, der mich mir selbst zurückgibt, einträte, desto besser wär es für mich, meine Gesundheit, meine Zukunft und mein Arbeiten. So bindet man sich selbst die Ruten, mit denen man todtgegeißelt wird. Alles Gute für das beginnende Semester. In steter Treue und Antheilnahme Ihr aufrichtig erg. AS.

L. F. Verzeihen Sie meine gestrige Kürze! Ich wollte Ihnen das Man. bestätigt haben, weil ich es schon einige Tage in Händen hatte u[n]d wollte mir das Versprechen möglichst [r]asch erbeten haben. Zum Brief war aber gestern nicht Zeit. – Ich hatte heuer stark verpfuschte Ferien. Ich war bis 18. August in Prag, weil ich meinen unglückseligen § Goedeke abschliessen u. für die Heinzel-Festschrift einen kleinen Beitrag zusammenschreiben mußte. Es was aber so drückend heiß, daß nichts ordentliches zu Stande kam. Dann waren wir 4 Wochen in St. Gilgen am Wolfgangsee. Es war nahe dran, daß ich Sie überfallen hätte, sogar der tag war schon festgesetzt. Meine Frau hatte eine Freundin in Ischl zu besuchen u. während dieser Zeit wollte ich zu Ihnen nach Goisern. Es kam aber schließlich so, daß ich selbst auch in Ischl bleiben mußte und zu einer 2. Fahrt reichte dann die Zeit nicht aus. Da ich nicht wußte, wann das Requiem für die Kaiserin stattfindet, kehrte ich früher zurück. Dann war ich einiger Collationen wegen noch 3 Tage in Wien u. vorige Woche besuchten wir Leitzmanns in Jena; ich lernte Michels und Eigenbrodt kennen, verkehrte mit Schlößer und den [Wei]maranern und hörte vieles von der Professorenfabrik am Acheufer (in der auch L. im Sommer angestellt war), aus der als neustes Erzeugnis Kösters Leipziger Professur hervorgegangen ist. Das nächste soll Kühnemanns Ernennung für Marburg sein. Auch will Brandl im „Archiv“ dem Euphorion Concurrenz machen, indem er mehr deutsche Artikel aufnehme[n w]ill als bisher u. mit Schmidt & Köster beginnt. Ich sehe dem Schicksal des Euphorion mit Ruhe entgegen. Vorderhand scheint Fromme an ein Ende noch nicht zu denken; er hat vielmehr auch heuer ein Ergänzungsheft concediert, das fast fertig ist. Dadurch bin ich in der Lage, daß ich mit Schluß des 5. Bandes alles alte Material an Aufsätzen, Recensionen & Miscellen [auf]gearbeitet habe und nun mit ganz frischen Kräften beginnen kann. Ich habe mir fest vorgenommen viel strenger in den Aufnahmen zu sein als bisher (denn Manuscriptmangel habe ich doch nicht) und wenn mich nur die aufrichtigen Freunde, vor allem Sie selbst, nicht im Stich lassen, so halte ich auch die Berliner Concurren noch aus. Im 1. Heft des neuen Jahrgangs kommt die Fortsetzung von Batka u. die von [Ru]bensohn (der junge Opitz); beides ergebnisreiche Untersuchungen. Auch die „alte“ Polemik hat hoffentlich eine Ende; wenigstens hat Niejahr eine Erklärung, die ihm seine Freunde aufzwingen wollten, wieder zurückgezogen. – Sie sehen, daß es mir an Ärger u. Sorgen nicht fehlt. Am meisten verdroß mich Fürsts Perfidie, der, obgleich er früher an diesen meinen Studien lebhaften Antheil genommen, mir seine eigenen Notizen zur Verfügung gestellt [un]d Nachträge eingefügt hatte, meinen § 298 in der „Zeit“ u. vermutlich auch in der „Gegenwart“ unqualificierbar verhöhnte und da Goetze durch seinen Umfang ohnehin schon kopfscheu geworden war u. zu streichen begonnen hatte, so habe ich zum Schaden noch den Spott zu ertragen. So drängt mich eigentlich alles dazu hin, mich vom publicistisch-betriebsam-litterarischen Leben ganz zurückzuziehen und wie Sie nur der Untersuchung zu leben und je früher dieser Tag, der mich mir selbst zurückgibt, einträte, desto besser wär es für mich, meine Gesundheit, meine Zukunft und mein Arbeiten. So bindet man sich selbst die Ruten, mit denen man todtgegeißelt wird. Alles Gute für das beginnende Semester. In steter Treue und Antheilnahme Ihr aufrichtig erg. AS.

Auch will Brandl im „Archiv“ dem Euphorion Concurrenz machen, indem er mehr deutsche Artikel aufnehme[n w]ill als bisher u. mit Schmidt & Köster beginnt. Ich sehe dem Schicksal des Euphorion mit Ruhe entgegen.

Sauer fürchtete die Konkurrenz anderer literaturwissenschaftlicher Zeitschriften. 

Sie sehen, daß es mir an Ärger u. Sorgen nicht fehlt. Am meisten verdroß mich Fürsts Perfidie, der, obgleich er früher an diesen meinen Studien lebhaften Antheil genommen, mir seine eigenen Notizen zur Verfügung gestellt [un]d Nachträge eingefügt hatte, meinen § 298 in der „Zeit“ u. vermutlich auch in der „Gegenwart“ unqualificierbar verhöhnte und da Goetze durch seinen Umfang ohnehin schon kopfscheu geworden war u. zu streichen begonnen hatte, so habe ich zum Schaden noch den Spott zu ertragen. So drängt mich eigentlich alles dazu hin, mich vom publicistisch-betriebsam-litterarischen Leben ganz zurückzuziehen und wie Sie nur der Untersuchung zu leben und je früher dieser Tag, der mich mir selbst zurückgibt, einträte, desto besser wär es für mich, meine Gesundheit, meine Zukunft und mein Arbeiten. So bindet man sich selbst die Ruten, mit denen man todtgegeißelt wird.

August Sauer verfasste für die zweite Auflage von Karl GoedekesGrundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung, der nach dem Tode des Verfassers von Edmund Götze fortgeführt wurde, einen Abschnitt, der sich mit österreichischen Dichtung zwischen 1770 und 1815 beschäftigte. Sauer hatte den § 298 in den Heftlieferungen 17 und 18 (1897) begonnen und in Heft 19 (1898) abgeschlossen. Sauers § 298 wurde wegen seines großen Umfangs oft kritisiert - das Zitat bezieht auf eine Rezension des Germanisten Rudolf Fürst.

Briefdaten

Schreibort:
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-359
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8897 [Druckausgabe Nr. 173]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8897/methods/sdef:TEI/get

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