L. F. Meine das letzte Mal geäußerten Befürchtungen sind rasch zur Wahrheit geworden. Fromme hat den Euphorion für Ende d. Jahres gekündigt. Der Hptgrund ist der, daß ich die Öst. Lit. Gesch. [bis] jetzt nicht darin besprochen habe. Irregeführt durch s. Angabe, daß das Werk zu Weihnachten vorigen Jahres ganz abgeschlossen s. werde (während es doch nur scheinbar abgeschlossen ist u. 1 zweiter Bd. folgt), habe ich ihm versprochen, im 2. Hefte dieses Jg. eine Besprechg. zu liefern; dieses Versprechen aber sogleich zurückgenommen, als ich den fertigen Bd im Januar sah. Aber ich verhehle mir nicht daß eine erfolgte Besprechg. erst recht die Totengräberei der Zs. gewesen wäre, denn bei aller Zurückhaltg. hätte sie tadelnd ausfallen müssen u. das hätte Fromme nicht ruhig hingenommen. Die öst. Lit. Gesch. stand von Anfang an zwischen uns. Deren Verquickung mit der Zs. war eine höchst unglückselige Idee. Was nun beginnen. Folgte ich nur meinen eigenen Wünschen u. dächte ich nur an meine Zukunft, so benützte ich diese Gelegenheit um die Zs. eingehen zu lassen u. kehrte zu meinen eigenen Arbeiten zurück. Es wär eine Erlösg. für mich. Andererseits ärgert & kränkt es mich, daß ich elend auf der Strecke bleibe, während Koch scheinbar wenigstens gedeiht. Auch schien mir grade jetzt die Zs. consolidirt zu sein (innerlich). Die Einsendungen mehren sich, werden auch der Qualität nach besser. Ich bin gegen Mist unduldsamer u. habe das Handwerk nun grad erst weg. Nun ist mir nicht grade bang, zur Not einen Verleger zu finden. Die neue Palestra Schmidts & Brandls, Meyer & Müller thäte sich vielleicht auch mir auf. Vielleicht entschlösse sich Konegen zur Übernahme, was insofern nicht schlecht wäre, als er d. Druck weiter bei Fromme könnte besorgen lassen. Ellwanger, mein früherer Drucker hat sich mir, als Koch-Buchner gekündigt hatte, als Verleger angetragen u. wäre vielleicht auch jetzt zur Übernahme bereit. Aber alles das wär vielleicht doch wieder nur für 3 Jahre. Wie [w]ärs wenn ich sie Beer-Bock-Bloch, dem neuen Verleger d. Jbb. & DLD antrüge u. zwar derart, daß die Bibliographie in der gegenwärtigen Form zu Gunsten der Jbb. (die jetzt ohnehin rascher erscheinen sollen) wegfiele u. nur durch ein Verzeichnis der wirklich einlaufenden Bücher & Artikel ersetzt würde, über die ja gelegentlich ein paar kritische Worte gesagt werden könnten. Dann wäre ich die Hauptmühe u. Sorge los. Die Zs., der Druck käme billiger; ich brächte mehr Abhandl. u. Recensionen unter, wenn der Umfang sonst derselbe bliebe. Mit der Bibl. nemlich wird Bloch die Zs. kaum nehmen. Oder wenn sich sonst eine große, sichere Verlagsbuchh. bereit fände. Fromme hat sich wenigstens insofern anständig benommen, als er mir jetzt schon kündigte, während er kontraktlich erst am 1. Juli verpflichtet gewesen wäre, mir die Mitthl. zu machen. So oft ich mir die Sache auch vorgestellt hab[e,] so hat der Brief selbst doch eine gewaltige Depression bei mir hervorgerufen. Wäre mit E Schmidt was anzufangen, so sagte ich ihm, er soll in Berlin einen Herausgeber & einen Verleger suchen. Bei s. Einfluß fänd er vielleicht beides. Ob ich zu diesem Zweck nach Weimar fahren soll, zu Pfingsten. – Verzeihen Sie, daß der erste u. längste Notschrei zu Ihnen ertönt, der Sie mein Berater u. Schützer von Anfang an gewesen sind.
Wir hatten Donnerstag die 1. Comissionssitzung. Wir einigten uns an Schönbach & Seemüller zu schreiben, was bereits geschen ist, u. erst dann, wenn deren Antworten da sind, weiter zu beraten. Nur Lambel & Zingerle haben wir bereits ganz abgethan. – Die meisten Chancen dürfte weiterhin Detter haben, wenn er nicht gebunden ist. Das unter uns. Herzlichst & Treulichst Ihr AS.

weiter auf S. 1 In St. Gilgen ist der Wald ziemlich weit; nur die kühle feuchte Seite (Luegg) grenzt direkt an d. Wald, aber für Kinder kaum zu empfehlen.

L. F. Meine das letzte Mal geäußerten Befürchtungen sind rasch zur Wahrheit geworden. Fromme hat den Euphorion für Ende d. Jahres gekündigt. Der Hptgrund ist der, daß ich die Öst. Lit. Gesch. [bis] jetzt nicht darin besprochen habe. Irregeführt durch s. Angabe, daß das Werk zu Weihnachten vorigen Jahres ganz abgeschlossen s. werde (während es doch nur scheinbar abgeschlossen ist u. 1 zweiter Bd. folgt), habe ich ihm versprochen, im 2. Hefte dieses Jg. eine Besprechg. zu liefern; dieses Versprechen aber sogleich zurückgenommen, als ich den fertigen Bd im Januar sah. Aber ich verhehle mir nicht daß eine erfolgte Besprechg. erst recht die Totengräberei der Zs. gewesen wäre, denn bei aller Zurückhaltg. hätte sie tadelnd ausfallen müssen u. das hätte Fromme nicht ruhig hingenommen. Die öst. Lit. Gesch. stand von Anfang an zwischen uns. Deren Verquickung mit der Zs. war eine höchst unglückselige Idee. Was nun beginnen. Folgte ich nur meinen eigenen Wünschen u. dächte ich nur an meine Zukunft, so benützte ich diese Gelegenheit um die Zs. eingehen zu lassen u. kehrte zu meinen eigenen Arbeiten zurück. Es wär eine Erlösg. für mich. Andererseits ärgert & kränkt es mich, daß ich elend auf der Strecke bleibe, während Koch scheinbar wenigstens gedeiht. Auch schien mir grade jetzt die Zs. consolidirt zu sein (innerlich). Die Einsendungen mehren sich, werden auch der Qualität nach besser. Ich bin gegen Mist unduldsamer u. habe das Handwerk nun grad erst weg. Nun ist mir nicht grade bang, zur Not einen Verleger zu finden. Die neue Palestra Schmidts & Brandls, Meyer & Müller thäte sich vielleicht auch mir auf. Vielleicht entschlösse sich Konegen zur Übernahme, was insofern nicht schlecht wäre, als er d. Druck weiter bei Fromme könnte besorgen lassen. Ellwanger, mein früherer Drucker hat sich mir, als Koch-Buchner gekündigt hatte, als Verleger angetragen u. wäre vielleicht auch jetzt zur Übernahme bereit. Aber alles das wär vielleicht doch wieder nur für 3 Jahre. Wie [w]ärs wenn ich sie Beer-Bock-Bloch, dem neuen Verleger d. Jbb. & DLD antrüge u. zwar derart, daß die Bibliographie in der gegenwärtigen Form zu Gunsten der Jbb. (die jetzt ohnehin rascher erscheinen sollen) wegfiele u. nur durch ein Verzeichnis der wirklich einlaufenden Bücher & Artikel ersetzt würde, über die ja gelegentlich ein paar kritische Worte gesagt werden könnten. Dann wäre ich die Hauptmühe u. Sorge los. Die Zs., der Druck käme billiger; ich brächte mehr Abhandl. u. Recensionen unter, wenn der Umfang sonst derselbe bliebe. Mit der Bibl. nemlich wird Bloch die Zs. kaum nehmen. Oder wenn sich sonst eine große, sichere Verlagsbuchh. bereit fände. Fromme hat sich wenigstens insofern anständig benommen, als er mir jetzt schon kündigte, während er kontraktlich erst am 1. Juli verpflichtet gewesen wäre, mir die Mitthl. zu machen. So oft ich mir die Sache auch vorgestellt hab[e,] so hat der Brief selbst doch eine gewaltige Depression bei mir hervorgerufen. Wäre mit E Schmidt was anzufangen, so sagte ich ihm, er soll in Berlin einen Herausgeber & einen Verleger suchen. Bei s. Einfluß fänd er vielleicht beides. Ob ich zu diesem Zweck nach Weimar fahren soll, zu Pfingsten. – Verzeihen Sie, daß der erste u. längste Notschrei zu Ihnen ertönt, der Sie mein Berater u. Schützer von Anfang an gewesen sind.
Wir hatten Donnerstag die 1. Comissionssitzung. Wir einigten uns an Schönbach & Seemüller zu schreiben, was bereits geschen ist, u. erst dann, wenn deren Antworten da sind, weiter zu beraten. Nur Lambel & Zingerle haben wir bereits ganz abgethan. – Die meisten Chancen dürfte weiterhin Detter haben, wenn er nicht gebunden ist. Das unter uns. Herzlichst & Treulichst Ihr AS.

weiter auf S. 1 In St. Gilgen ist der Wald ziemlich weit; nur die kühle feuchte Seite (Luegg) grenzt direkt an d. Wald, aber für Kinder kaum zu empfehlen.

Meine das letzte Mal geäußerten Befürchtungen sind rasch zur Wahrheit geworden. Fromme hat den Euphorion für Ende d. Jahres gekündigt. Der Hptgrund ist der, daß ich die Öst. Lit. Gesch. [bis] jetzt nicht darin besprochen habe. [...] Aber ich verhehle mir nicht daß eine erfolgte Besprechg. erst recht die Totengräberei der Zs. gewesen wäre, denn bei aller Zurückhaltg. hätte sie tadelnd ausfallen müssen u. das hätte Fromme nicht ruhig hingenommen. Die öst. Lit. Gesch. stand von Anfang an zwischen uns.

Nachdem ihre Pläne zur Publikation eines Leitfaden und einer Zeitschrift zur österreichischen Literaturgeschichte gescheitert waren, kündigten Johann Willibald Nagl und Jakob Zeidler das Erscheinen einer mehrbändigen Literaturgeschichte im Verlag von Carl Fromme an. Die ersten Lieferungen ihrer Deutsch-Österreichischen Literaturgeschichte kamen ab 1897 heraus, der erste Band erschien 1899.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-367
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8913 [Druckausgabe Nr. 176]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8913/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

LinksInformation

Das Bildmaterial dieser Webseite sind Reproduktionen aus den Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek und des Staatsarchivs Würzburg. Für jede weitere Verwendung wenden Sie sich bitte an die jeweilige Institution.