Prag 20/1 09
Smichow 586

[L. F.] Ich danke Ihnen für Ihre Mitteilung. Die Hauptsache wäre im Reinen. Was nun die unbenannten Nebenpersonen anbetrifft, so ist deren Zusammenstellung ausserordentlich leerreich !. Ich glaube, dass Sie unrecht mit der Forderung haben, dass ein Register nicht mechanisch [h]ergestellt werden dürfe. Ein Register muss im Rahmen eines Prinzips doch bis zu gewissem Grad mechanisch hergestellt werden, weil man nie wissen kann, was ein andrer, der von andern Gesichtspunkten ausgeht darin sucht. Verzeichne ich überhaupt Nebenpersonen, dann muss ich alle verzeichnen; denn es ist technisch nicht unwichtig, ob viele [o]der wenige Nebenpersonen vorkommen. Sie werden staunen, wie viele Grossväter u. Urgroßväter Stifter aufbietet, die reinen Nachkommenschaften, wie eine seiner Novellen heisst. Die Detailschilderung u. bis zu gewissem Grad die Schilderung des überflüssigen Details zeigt sich auch hier. Berücksichtige ich die Technik im Register überhaupt, dann muss der Benützer verschiedener Register auch vergleichende Studien über die Technik daran anstellen können. Beobachtungen wie Sie sie über die Oheime bei Goethe machen, sind über vieles andre gleichfalls möglich, was wir jetzt noch gar nicht ahnen. Zur Aufklärung werde ich allerdings eine Anmerkung [hin]zufügen müssen, welche kurz sagt, was ich will und dass ich mich dem Spott böswilliger Ignoranten und Konkurrenten wie Fürst aussetze, weiss ich. Diese Herren spotten aber auch über die Lesarten, so lange, bis Sie selbst Lesarten fabrizieren. Ich wenigstens kann mir kaum vorstellen, dass die Börneausgabe aus der Fabrik Geiger, [Kl]aar, Fürst auf alle Lesarten verzichten wird.
Dass ich den Vorsitz der germ. Sektion auf dem Grazer Philologentag übernommen habe, reut mich bereits u. zwar deshalb, weil ich jedem einzelnen lange Aufklärungen über Schönbachs u. Ihre Abstinenz geben muss mit der Versicherung, dass Sie nichts gegen mich haben oder umgekehrt. Möchten Sie Erich Schmi[dt] nicht ein Wort darüber sagen. Er wäre gewiss gekommen, wenn Sie in Graz gewesen wären. Jetzt hält er sich vielleicht aus Rücksicht für Sie fern. Ich stehe aber doch noch immer auf dem Standpunkt, dass wir, da wir die Tagung selbst nicht verhindern konnten, verpflichtet sind, für ihre möglichste Blüte einzutre[t]en.
Der Kontrakt mit der Gemeinde Wien ist endlich perfekt geworden, zwar noch nicht unterschrieben, aber doch genehmigt. Die Arbeit ist unendlich langwierig u. subtil; doch sehr ergiebig.
Treulichst Ihr AS.

Prag 20/1 09
Smichow 586

[L. F.] Ich danke Ihnen für Ihre Mitteilung. Die Hauptsache wäre im Reinen. Was nun die unbenannten Nebenpersonen anbetrifft, so ist deren Zusammenstellung ausserordentlich leerreich !. Ich glaube, dass Sie unrecht mit der Forderung haben, dass ein Register nicht mechanisch [h]ergestellt werden dürfe. Ein Register muss im Rahmen eines Prinzips doch bis zu gewissem Grad mechanisch hergestellt werden, weil man nie wissen kann, was ein andrer, der von andern Gesichtspunkten ausgeht darin sucht. Verzeichne ich überhaupt Nebenpersonen, dann muss ich alle verzeichnen; denn es ist technisch nicht unwichtig, ob viele [o]der wenige Nebenpersonen vorkommen. Sie werden staunen, wie viele Grossväter u. Urgroßväter Stifter aufbietet, die reinen Nachkommenschaften, wie eine seiner Novellen heisst. Die Detailschilderung u. bis zu gewissem Grad die Schilderung des überflüssigen Details zeigt sich auch hier. Berücksichtige ich die Technik im Register überhaupt, dann muss der Benützer verschiedener Register auch vergleichende Studien über die Technik daran anstellen können. Beobachtungen wie Sie sie über die Oheime bei Goethe machen, sind über vieles andre gleichfalls möglich, was wir jetzt noch gar nicht ahnen. Zur Aufklärung werde ich allerdings eine Anmerkung [hin]zufügen müssen, welche kurz sagt, was ich will und dass ich mich dem Spott böswilliger Ignoranten und Konkurrenten wie Fürst aussetze, weiss ich. Diese Herren spotten aber auch über die Lesarten, so lange, bis Sie selbst Lesarten fabrizieren. Ich wenigstens kann mir kaum vorstellen, dass die Börneausgabe aus der Fabrik Geiger, [Kl]aar, Fürst auf alle Lesarten verzichten wird.
Dass ich den Vorsitz der germ. Sektion auf dem Grazer Philologentag übernommen habe, reut mich bereits u. zwar deshalb, weil ich jedem einzelnen lange Aufklärungen über Schönbachs u. Ihre Abstinenz geben muss mit der Versicherung, dass Sie nichts gegen mich haben oder umgekehrt. Möchten Sie Erich Schmi[dt] nicht ein Wort darüber sagen. Er wäre gewiss gekommen, wenn Sie in Graz gewesen wären. Jetzt hält er sich vielleicht aus Rücksicht für Sie fern. Ich stehe aber doch noch immer auf dem Standpunkt, dass wir, da wir die Tagung selbst nicht verhindern konnten, verpflichtet sind, für ihre möglichste Blüte einzutre[t]en.
Der Kontrakt mit der Gemeinde Wien ist endlich perfekt geworden, zwar noch nicht unterschrieben, aber doch genehmigt. Die Arbeit ist unendlich langwierig u. subtil; doch sehr ergiebig.
Treulichst Ihr AS.

Der Kontrakt mit der Gemeinde Wien ist endlich perfekt geworden, zwar noch nicht unterschrieben, aber doch genehmigt. Die Arbeit ist unendlich langwierig u. subtil; doch sehr ergiebig.

Der Vertrag mit der Gemeinde Wien über die Herausgabe einer historisch-kritischen Grillparzerausgabe wurde erst 1909 abgeschlossen.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 423/1-559
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-9270 [Druckausgabe Nr. 259]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.9270/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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