Würzburg 27 I 83

Geehrter herr kollege,

Vielen dank für die WND! Dass Sie gleich mit 3 stücken auf dem schauplatze erscheinen, ist gewiss vorteilhaft. Auch ist die wahl gewiss gelungen. Ich freue mich dieses unternehmens jetzt sehr, denn es hat entschiedene familienähnlichkeit mit meinen DLD. Schon darum muss es mir gefallen. Wir sehen uns ähnlicher als dem grosspapa Braune. Die farbe Ihres umschlages ist hübsch. die des meinen scheusslich; aber der Ihre ist dünn, meiner steifer. Auch ist Ihre schrift bedeutend kleiner – fast etwas klein fürs liebe grosse publikum sollte ich meinen. Sie haben 3 zeilen mehr auf der seite als ich. Endlich sind Sie um ein paar pfennig teurer; etwa 3 ₰ pro bogen, so viel sich bis jetzt berechnen lässt. Ich wünsche Ihnen von herzen gute aufnahme der WND. Man redigiert viel freudiger, wenns gut geht im laden u. in der kritik. An beidem kanns bei Ihnen nicht fehlen. Die Österr. kaufen mehr bücher als die Deutschen und der kritik werden Sie keine wunde stelle zeigen.
In beidem sind die DLD nicht gleich gut daran. Übrigens scher ich mich den teufel drum, so lang die verleger mutig bleiben.
Jetzt sind drei hefte im druck! aber unter uns! ich will Ihnen anvertrauen, dass Der Messias 1748 u. Bodmer 4 Krit. gedd. unter der presse liegen. Dass drittens der 2. tl. der Frkft. gel. anz. vollständig gesetzt ist bis auf einleitung u. register, darf alle welt wissen.
Ihrem wunsche gemäss werde ich den fortgang meiner sammlung so einzurichten suchen, dass ich Ihre beihilfe bis nächstes jahr entbehren kann. Dann aber hoffe ich wider auf dieselbe zählen zu dürfen.
Ich denke, dass Ihnen in den allernächsten tagen die freiex. u. das honorar zu DLD 10 zugehen.
Es scheint ja als ob Sie die WND ganz allein herausgeben wollen? ich schliesse das daraus, weil Sie die vorbemerkungen nicht unterzeichnet haben. Da müssen Sie eine eisernere arbeitskraft als ich besitzen, um das auf die dauer (‚rasch!‘) auszuhalten.
Ihr vorwort hat mir – ich darfs doch sagen, da Sie mich fragten – sehr gut gefallen. Eben so die vorbemerkungen. Ich empfand dabei eine gewisse genugtuung, dass Sie (gleich wie in den DLD geschieht) auch sehr verschiedenartige vorbemerkungen zu geben gezwungen sind. Das lässt sich nun einmal nicht meiden. Eine kritik, die sich hierüber aufhalten würde, verriete nur ihren eigenen unverstand. Anfangs freilich hatte ich an uniformierung der vorbemerkungen gedacht, sofort aber mich von der notwendigen differenzierung überzeugt.
Wenn ich nur einen herausgeber für Brentanos Gustav Wasa wüsste; kennen Sie einen in dieser zeit u. gegend der litteratur bewanderten und textkritisch erprobten mann?
Darf ich wissen wer u. was zunächst in den schriften der Wiener beiträger auftritt? Darin werden Sie ja die besten quellenstudien u. vorarbeiten zu Ihrer Littgesch. haben. Glück auf zu beidem.
Glück auf auch zur erhofften beförderung. Dass Creizenach nach Krakau kam, war mir das unerwarteteste von der welt. Der mann hat glück. Kurz zuvor erschoss sich ein kollege u. freund von ihm u. vermachte Creizenachen 50 000 m. Authentisch!
Die Prager stelle wird Ihnen nun Minor wegangeln. Sie Österreicher sind doch noch gut daran, Sie bekommen doch unterstützungen. Wie gerne wollte ich supplicieren, wenns was nützte. Ich werde jetzt der welt bald adieu sagen müssen und mich als assistent in eine kleine landstadt verflüchtigen, wenn nicht irgend ein hoffnungsstern sich bald zeigt. Ich hätte es schon getan, wenn mir das herz nicht blutete, dann meinen wissenschaftlichen nachlass auf abbruch versteigern zu müssen. – –
Den 2. tl. Faust sah ich vor 2 jj. in Dresden glänzend aufführen – aber ich besann mich ob dies ausstattungsstück Faust ist. Ich bin ein ketzer und glaube nicht an volle bühnenfähigkeit des Faust, weder des 1. noch des 2. tles.
Nochmals dank u. immer neuer u. treuer gruss
von Ihrem ergebenen
BSeuffert.

Würzburg 27 I 83

Geehrter herr kollege,

Vielen dank für die WND! Dass Sie gleich mit 3 stücken auf dem schauplatze erscheinen, ist gewiss vorteilhaft. Auch ist die wahl gewiss gelungen. Ich freue mich dieses unternehmens jetzt sehr, denn es hat entschiedene familienähnlichkeit mit meinen DLD. Schon darum muss es mir gefallen. Wir sehen uns ähnlicher als dem grosspapa Braune. Die farbe Ihres umschlages ist hübsch. die des meinen scheusslich; aber der Ihre ist dünn, meiner steifer. Auch ist Ihre schrift bedeutend kleiner – fast etwas klein fürs liebe grosse publikum sollte ich meinen. Sie haben 3 zeilen mehr auf der seite als ich. Endlich sind Sie um ein paar pfennig teurer; etwa 3 ₰ pro bogen, so viel sich bis jetzt berechnen lässt. Ich wünsche Ihnen von herzen gute aufnahme der WND. Man redigiert viel freudiger, wenns gut geht im laden u. in der kritik. An beidem kanns bei Ihnen nicht fehlen. Die Österr. kaufen mehr bücher als die Deutschen und der kritik werden Sie keine wunde stelle zeigen.
In beidem sind die DLD nicht gleich gut daran. Übrigens scher ich mich den teufel drum, so lang die verleger mutig bleiben.
Jetzt sind drei hefte im druck! aber unter uns! ich will Ihnen anvertrauen, dass Der Messias 1748 u. Bodmer 4 Krit. gedd. unter der presse liegen. Dass drittens der 2. tl. der Frkft. gel. anz. vollständig gesetzt ist bis auf einleitung u. register, darf alle welt wissen.
Ihrem wunsche gemäss werde ich den fortgang meiner sammlung so einzurichten suchen, dass ich Ihre beihilfe bis nächstes jahr entbehren kann. Dann aber hoffe ich wider auf dieselbe zählen zu dürfen.
Ich denke, dass Ihnen in den allernächsten tagen die freiex. u. das honorar zu DLD 10 zugehen.
Es scheint ja als ob Sie die WND ganz allein herausgeben wollen? ich schliesse das daraus, weil Sie die vorbemerkungen nicht unterzeichnet haben. Da müssen Sie eine eisernere arbeitskraft als ich besitzen, um das auf die dauer (‚rasch!‘) auszuhalten.
Ihr vorwort hat mir – ich darfs doch sagen, da Sie mich fragten – sehr gut gefallen. Eben so die vorbemerkungen. Ich empfand dabei eine gewisse genugtuung, dass Sie (gleich wie in den DLD geschieht) auch sehr verschiedenartige vorbemerkungen zu geben gezwungen sind. Das lässt sich nun einmal nicht meiden. Eine kritik, die sich hierüber aufhalten würde, verriete nur ihren eigenen unverstand. Anfangs freilich hatte ich an uniformierung der vorbemerkungen gedacht, sofort aber mich von der notwendigen differenzierung überzeugt.
Wenn ich nur einen herausgeber für Brentanos Gustav Wasa wüsste; kennen Sie einen in dieser zeit u. gegend der litteratur bewanderten und textkritisch erprobten mann?
Darf ich wissen wer u. was zunächst in den schriften der Wiener beiträger auftritt? Darin werden Sie ja die besten quellenstudien u. vorarbeiten zu Ihrer Littgesch. haben. Glück auf zu beidem.
Glück auf auch zur erhofften beförderung. Dass Creizenach nach Krakau kam, war mir das unerwarteteste von der welt. Der mann hat glück. Kurz zuvor erschoss sich ein kollege u. freund von ihm u. vermachte Creizenachen 50 000 m. Authentisch!
Die Prager stelle wird Ihnen nun Minor wegangeln. Sie Österreicher sind doch noch gut daran, Sie bekommen doch unterstützungen. Wie gerne wollte ich supplicieren, wenns was nützte. Ich werde jetzt der welt bald adieu sagen müssen und mich als assistent in eine kleine landstadt verflüchtigen, wenn nicht irgend ein hoffnungsstern sich bald zeigt. Ich hätte es schon getan, wenn mir das herz nicht blutete, dann meinen wissenschaftlichen nachlass auf abbruch versteigern zu müssen. – –
Den 2. tl. Faust sah ich vor 2 jj. in Dresden glänzend aufführen – aber ich besann mich ob dies ausstattungsstück Faust ist. Ich bin ein ketzer und glaube nicht an volle bühnenfähigkeit des Faust, weder des 1. noch des 2. tles.
Nochmals dank u. immer neuer u. treuer gruss
von Ihrem ergebenen
BSeuffert.

Sie Österreicher sind doch noch gut daran, Sie bekommen doch unterstützungen. Wie gerne wollte ich supplicieren, wenns was nützte. Ich werde jetzt der welt bald adieu sagen müssen und mich als assistent in eine kleine landstadt verflüchtigen, wenn nicht irgend ein hoffnungsstern sich bald zeigt. Ich hätte es schon getan, wenn mir das herz nicht blutete, dann meinen wissenschaftlichen nachlass auf abbruch versteigern zu müssen.

Auch Bernhard Seuffert, der sich 1877 an der Universität Würzburg habilitiert hatte und dort als Privatdozent tätig war, kritisierte die Arbeitsbedingungen für Philologen in Deutschland. Er kontrastierte diese mit der - seiner Meinung nach - besseren Situation in Österreich.

Vielen dank für die WND! Dass Sie gleich mit 3 stücken auf dem schauplatze erscheinen, ist gewiss vorteilhaft. Auch ist die wahl gewiss gelungen. Ich freue mich dieses unternehmens jetzt sehr, denn es hat entschiedene familienähnlichkeit mit meinen DLD. Schon darum muss es mir gefallen. Wir sehen uns ähnlicher als dem grosspapa Braune. [...] Ich wünsche Ihnen von herzen gute aufnahme der WND. Man redigiert viel freudiger, wenns gut geht im laden u. in der kritik. An beidem kanns bei Ihnen nicht fehlen. Die Österr. kaufen mehr bücher als die Deutschen und der kritik werden Sie keine wunde stelle zeigen.

Bevor August Sauer und Bernhard Seuffert ihre Projekte zu Neudrucken begannen, hatte Wilhelm Braune schon 1876 die erste neugermanistische Neudruckreihe mit den Neudrucken deutscher Literaturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts im Verlag von Max Niemeyer (Halle/S.) begründet. Bis 1957 erschienen in der Reihe unter wechselnden Herausgebern 325 Nummern.

Briefdaten

Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Lemberg
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8253 [Druckausgabe Nr. 25]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8253/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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