Graz Harrachg 1
6 XI 87

Lieber freund, was für eine dunkle laune haben Sie wider! Minor soll Ihnen die Austriaca entrissen haben, Werner werde ansprüche darauf erheben! Was liegt mir daran? Schmidt u. ich wollen Sie als referenten dafür und ich bitte Sie, s dabei zu belassen. Es kann Ihnen als arbeit, die Sie doch für Ihre Österr. LG. machen müssen, nur bequem sein. Minor wird an Schiller u. den romantikern genug zu referieren haben, Werner soll für Nicolai u. seinen kreis beschäftigt werden; beide wissen noch nichts davon. Sie hab ich mir zu anderem ausgesucht und ich bitte, diesen redactordespotismus zu ertragen, wenn Sie nicht stichhaltigere gründe dagegen haben, als die vorgebrachten.
Und dann beschwör ich Sie, fürs erste heft der Vjs. etwas Österreichisches zu liefern. Von Minor hab ich doch wol nur Schillerei zu erwarten und stehe mit keinem österr. kollegen so, dass ich ihn um etwas bestimmtes bitten könnte, wie mit Ihnen. Ich muss etwas gutes Österreichisches: denn nach dem 1. hefte soll das ministerium um unterstützung angegangen werden u. dazu muss betrieb der österr. litt. im hefte vorgelegt werden. Haben Sie ein einsehen und tun Sie dem gedeihen des unternehmens zu lieb, was Sie mir verweigern wollen. Geben Sie Ihre gewiss vorbereiteten anmerkungen zu Sonnenfels als geschlossene charakteristik: als eigenes heft passen sie so nicht gut in Neudrucke. Oder geben Sie Grillparzerisches was Sie nicht in der ausgabe verwerteten. Oder geben Sie was Sie wollen. Nur geben Sie! Warum wollen Sie nicht damit als der eigentliche verwalter der österr. litt. proklamiert sein? Mir scheint das möglich für Sie. Ja, wir geben auch material. Und was Sie anbieten, soll nach u. nach kommen. Nur fürs erste heft etwas anderes! U. dann das andere schön glossiert, so dass Ihre zutat mehr besagt als das material. Ich dränge alle urkunden in 2. stelle hinter die wissenschaftliche arbeit.
Ich setze bei all dem immer voraus, dass die Vjs. wird. Noch ist das nicht definitiv. Es sind nur unsanfte briefe von Böhlau gekommen. Ich darf jetzt bessere erwarten. Die hauptschwierigkeit bietet die einrichtung der jahresberichte. Aber ich setze alles daran, dass sie gelingt. Für Strauch können Sie jedenfalls ein gutes wort vortragen. Er wird vollständiger sein als mein Jahresber. Dieser wird womöglich nie nur titel nennen, sondern immer kritik; er wird nur das bleibende nennen. Die beiden, bibliogr. u. jahresbericht, ergänzen sich, schliessen sich nicht aus.
Ihre andere frage ist heikel. Rund heraus: ich glaube nicht, dass Steinm. Ihre Lessinganzeige noch nimmt. Er war verstimmt. U. gerade weil die lage heikel ist, möchte ich nicht ohne speciellen auftrag von Ihnen anfragen. Ich habe widerholt mit empfehlungen von referenten bei Steinm. kein glück gehabt (NB. dass er Ihnen Schmidts buch gab, geschah aber ohne mein wissen) und darum hüte ich mich seit einiger zeit, über seinen Anz. mit ihm zu reden. Beauftragen Sie mich aber, so werde ich sehr gerne u. zwar ohne ihm zu sagen dass ich beauftragt sei ihm die sache vorlegen. Nur müsste dann allerdings auf seine antwort, wenn sie bejahend lautete, Ihr ms. umgehend folgen können.
Darf ich so neugierig sein nach dem wie u. wo der Zs. zu fragen, deren redaktion Sie, klüger als ich, abgelehnt haben?
Ich werde möglichst wenig in die Vjs. geben, wenn ichs über mich gewinne: denn sie soll nicht meine zs. sein, sondern unsere. Wie so Ihre arbeiten in einleitungen versteckter sein sollen als in zss., begreife ich nicht, ausser dem Kürschnerischen unternehmen gegenüber. Das ist ja im ganzen so schlecht, dass Ihre guten und allein guten arbeiten dabei leiden. Ihren Voss freue ich mich sehr zu erhalten u. ebenso die Grillparzereinleitung, wenn Sie sie entraten können. Elster wird sein versprechen des Heinse halten: er ist nur in Glasgow u. da währt es länger. Aber es steht Ihnen noch längere zeit ein ex von mir mit vergnügen zu diensten. Ich lege es jetzt den seminarübungen zu grunde. Die verleger bewilligen für seminarzwecke besonderen rabatt. Vielleicht wählen Sie auch einmal etwas aus den DLD. für die übungen.
Von Ihrem Uz rede ich heute nicht, wo mir die Vjs. noch mehr am herzen liegt.
Dass wir zum Goethevereine uns gleichmässig stellten, freut mich. Minor wollte mich locken, indem er mir schrieb, Sie hätten gegen ersatz der reisekosten zugesagt.
Schönbach hat den predigtendruck unterbrochen und fabriciert – leider, fürcht ich – 3 vorträge über die allgemeine bildung und die lektüre. Ausfälle aufs zeitungswesen, das theater, eine liste dessen, was der gebildete gelesen haben soll. Ich hab so gar wenig verständnis für so ins weite gehende ideen. Seine Engländer verführen ihn. Die vorträge werden nächstens elegant gedruckt u. sollen um tage nach dem mündlichen verlesen um buchhandel sein. Mir ist, als ob er sein wissenschaftliches ansehen durch derlei schädigen könne. Aber ich kanns nicht hindern. Denn Sie kennen seinen enthusiasmus.
Gurlitts sind frisch, Bauer im augenblick weniger heiter als sonst, Zwiedinecks sah ich selten, die einführung des frl Greta scheint nun die hauptsache. Wir sind in geselligkeit etwas zurückgezogener, weil meine frau öfter unwol ist. Sie verträgt den hiesgen winter schlecht. U. auch ich leide unter den langen südwinden unglaublich.
Meine frau grüsst Sie bestens.
Und nun lassen Sie mich bald hören, dass Sie auch mit taten Ihre guten wünsche für die Vjs. beweisen wollen.
Treulich
Ihr
BSeuffert

Erinnern Sie sich einer erwähnung der Genovefalegende bei Abraham a St. Clara?

Graz Harrachg 1
6 XI 87

Lieber freund, was für eine dunkle laune haben Sie wider! Minor soll Ihnen die Austriaca entrissen haben, Werner werde ansprüche darauf erheben! Was liegt mir daran? Schmidt u. ich wollen Sie als referenten dafür und ich bitte Sie, s dabei zu belassen. Es kann Ihnen als arbeit, die Sie doch für Ihre Österr. LG. machen müssen, nur bequem sein. Minor wird an Schiller u. den romantikern genug zu referieren haben, Werner soll für Nicolai u. seinen kreis beschäftigt werden; beide wissen noch nichts davon. Sie hab ich mir zu anderem ausgesucht und ich bitte, diesen redactordespotismus zu ertragen, wenn Sie nicht stichhaltigere gründe dagegen haben, als die vorgebrachten.
Und dann beschwör ich Sie, fürs erste heft der Vjs. etwas Österreichisches zu liefern. Von Minor hab ich doch wol nur Schillerei zu erwarten und stehe mit keinem österr. kollegen so, dass ich ihn um etwas bestimmtes bitten könnte, wie mit Ihnen. Ich muss etwas gutes Österreichisches: denn nach dem 1. hefte soll das ministerium um unterstützung angegangen werden u. dazu muss betrieb der österr. litt. im hefte vorgelegt werden. Haben Sie ein einsehen und tun Sie dem gedeihen des unternehmens zu lieb, was Sie mir verweigern wollen. Geben Sie Ihre gewiss vorbereiteten anmerkungen zu Sonnenfels als geschlossene charakteristik: als eigenes heft passen sie so nicht gut in Neudrucke. Oder geben Sie Grillparzerisches was Sie nicht in der ausgabe verwerteten. Oder geben Sie was Sie wollen. Nur geben Sie! Warum wollen Sie nicht damit als der eigentliche verwalter der österr. litt. proklamiert sein? Mir scheint das möglich für Sie. Ja, wir geben auch material. Und was Sie anbieten, soll nach u. nach kommen. Nur fürs erste heft etwas anderes! U. dann das andere schön glossiert, so dass Ihre zutat mehr besagt als das material. Ich dränge alle urkunden in 2. stelle hinter die wissenschaftliche arbeit.
Ich setze bei all dem immer voraus, dass die Vjs. wird. Noch ist das nicht definitiv. Es sind nur unsanfte briefe von Böhlau gekommen. Ich darf jetzt bessere erwarten. Die hauptschwierigkeit bietet die einrichtung der jahresberichte. Aber ich setze alles daran, dass sie gelingt. Für Strauch können Sie jedenfalls ein gutes wort vortragen. Er wird vollständiger sein als mein Jahresber. Dieser wird womöglich nie nur titel nennen, sondern immer kritik; er wird nur das bleibende nennen. Die beiden, bibliogr. u. jahresbericht, ergänzen sich, schliessen sich nicht aus.
Ihre andere frage ist heikel. Rund heraus: ich glaube nicht, dass Steinm. Ihre Lessinganzeige noch nimmt. Er war verstimmt. U. gerade weil die lage heikel ist, möchte ich nicht ohne speciellen auftrag von Ihnen anfragen. Ich habe widerholt mit empfehlungen von referenten bei Steinm. kein glück gehabt (NB. dass er Ihnen Schmidts buch gab, geschah aber ohne mein wissen) und darum hüte ich mich seit einiger zeit, über seinen Anz. mit ihm zu reden. Beauftragen Sie mich aber, so werde ich sehr gerne u. zwar ohne ihm zu sagen dass ich beauftragt sei ihm die sache vorlegen. Nur müsste dann allerdings auf seine antwort, wenn sie bejahend lautete, Ihr ms. umgehend folgen können.
Darf ich so neugierig sein nach dem wie u. wo der Zs. zu fragen, deren redaktion Sie, klüger als ich, abgelehnt haben?
Ich werde möglichst wenig in die Vjs. geben, wenn ichs über mich gewinne: denn sie soll nicht meine zs. sein, sondern unsere. Wie so Ihre arbeiten in einleitungen versteckter sein sollen als in zss., begreife ich nicht, ausser dem Kürschnerischen unternehmen gegenüber. Das ist ja im ganzen so schlecht, dass Ihre guten und allein guten arbeiten dabei leiden. Ihren Voss freue ich mich sehr zu erhalten u. ebenso die Grillparzereinleitung, wenn Sie sie entraten können. Elster wird sein versprechen des Heinse halten: er ist nur in Glasgow u. da währt es länger. Aber es steht Ihnen noch längere zeit ein ex von mir mit vergnügen zu diensten. Ich lege es jetzt den seminarübungen zu grunde. Die verleger bewilligen für seminarzwecke besonderen rabatt. Vielleicht wählen Sie auch einmal etwas aus den DLD. für die übungen.
Von Ihrem Uz rede ich heute nicht, wo mir die Vjs. noch mehr am herzen liegt.
Dass wir zum Goethevereine uns gleichmässig stellten, freut mich. Minor wollte mich locken, indem er mir schrieb, Sie hätten gegen ersatz der reisekosten zugesagt.
Schönbach hat den predigtendruck unterbrochen und fabriciert – leider, fürcht ich – 3 vorträge über die allgemeine bildung und die lektüre. Ausfälle aufs zeitungswesen, das theater, eine liste dessen, was der gebildete gelesen haben soll. Ich hab so gar wenig verständnis für so ins weite gehende ideen. Seine Engländer verführen ihn. Die vorträge werden nächstens elegant gedruckt u. sollen um tage nach dem mündlichen verlesen um buchhandel sein. Mir ist, als ob er sein wissenschaftliches ansehen durch derlei schädigen könne. Aber ich kanns nicht hindern. Denn Sie kennen seinen enthusiasmus.
Gurlitts sind frisch, Bauer im augenblick weniger heiter als sonst, Zwiedinecks sah ich selten, die einführung des frl Greta scheint nun die hauptsache. Wir sind in geselligkeit etwas zurückgezogener, weil meine frau öfter unwol ist. Sie verträgt den hiesgen winter schlecht. U. auch ich leide unter den langen südwinden unglaublich.
Meine frau grüsst Sie bestens.
Und nun lassen Sie mich bald hören, dass Sie auch mit taten Ihre guten wünsche für die Vjs. beweisen wollen.
Treulich
Ihr
BSeuffert

Erinnern Sie sich einer erwähnung der Genovefalegende bei Abraham a St. Clara?

Und dann beschwör ich Sie, fürs erste heft der Vjs. etwas Österreichisches zu liefern. Von Minor hab ich doch wol nur Schillerei zu erwarten und stehe mit keinem österr. kollegen so, dass ich ihn um etwas bestimmtes bitten könnte, wie mit Ihnen. Ich muss etwas gutes Österreichisches: denn nach dem 1. hefte soll das ministerium um unterstützung angegangen werden u. dazu muss betrieb der österr. litt. im hefte vorgelegt werden.

Seuffert wollte in der Vierteljahrschrift auch Beiträge zu österreichischen Themen bringen. Er erhoffte sich dadurch, die Chancen auf eine Subvention des österreichischen Unterrichtsministeriums zu steigern.

Briefdaten

Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Rohtranskription, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8395. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8395/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

LinksInformation

Das Bildmaterial dieser Webseite sind Reproduktionen aus den Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek und des Staatsarchivs Würzburg. Für jede weitere Verwendung wenden Sie sich bitte an die jeweilige Institution.