Graz 12 III 94
Lieber freund, Ihren brief zu beantworten fällt mir sehr schwer. Meine überzeugung ist: das Weimarer Jahrbuch und die VJS. gingen zu grunde, weil sie den freunden der neuen litt. nicht alles boten was sie brauchten: production und kritik und bibliographie. Ich verkenne nicht, dass auf die art der production es dabei auch ankommen kann, aber selbst die unmöglich erreichbare die allen gefällt wird eine zs. nicht gangbar machen ohne bücherwesen. Die Akad. bll. sind dagegen kein zeugnis: die bibliogr. war da zu schlecht und die ganze leitung elend. Der Anz. hat durch Strauch nicht wesentlich an abonnenten gewonnen, ist aber auch kein zeugnis dagegen: denn ¾ der Zs. interessirten eben doch die interessenten für neue litt. nicht; auch kam die bibliogr. zu spät. Die Göschenschen Jahresberichte sind kein ersatz u. werden durch Schmidts sicher nur nominellen zutritt nicht sicherer, nicht besser. Ich bin widerholt gefragt worden von geprüften germanisten, was sie als lehrer sich halten könnten um dadurch auf dem laufenden zu bleiben; ich habe jetzt auf den Euphorion verwiesen. Fällt die bibliographie weg, so schicke ich sie wider zum Literaturblatt, so wenig ich es mag.
Wäre ich an Ihrer stelle und dazu so amtsmüde wie Sie schon vor dem druckbeginn sind, so würde ich dem verleger schreiben: bitte suchen Sie sich einen andern redacteur. Sie sehen, dass meine stellung weit ab von der Ihren ist; so weit ab, dass ich Ihnen nun wirklich nicht raten kann. Es ist Ihnen bekannt, wie ich die verantwortlichkeit eines herausgebers auffasse; Sie haben recht, wenn Sie sie anders auffassen, denn meine art half der sache nicht zum bestand. Ich kann aber doch nicht aus meiner haut heraus und es gibt für mich eine grenze, wo ich auch die möglichkeit, es anders zu machen als ich durch meine natur gezwungen bin, nicht mehr verstehe.
Mir ist sehr leid, dass Sie so schnell üble erfahrungen am verleger machen und so schnell den druck der last spüren. Wollen Sie sich erinnern, was ich Ihnen über die redactionstätigkeit schrieb, ehe Sie trotzdem Ihre neigung dazu bekannten. Ich verkenne gar nicht, dass Sie sich durch kritik und bücherschau mehr last aufbürden, als mir aufgelegt war; aber Sie sagen ja Sie wollen sich die 2 ersten teile leichter machen als ich es tat; so gleicht es sich nahezu aus. Zudem sind Sie mit 600 M. sehr anständig honoriert, soweit ich die honorare wissenschaftlicher germani- stischer zss. kenne. Es ist sehr gut, wenn der Verleger das tragen kann. Eine umfangserhöhung der hefte halte ich für nicht rätlich*: zu viel verdaut der leser nicht u. vor allem, der preis muss niedrig bleiben. Sie haben bei diesem umfang es noch mehr als ich in der hand, nur das beste auszuwählen. Und ist des besten einmal zu viel, so geben Sie etwa wie andere zss. einen beiband zum aufräumen der bestände.
Ihr verleger legt nicht nur auf die bibliographie, sondern auch auf die recensionen keinen wert; d. h. also er will dasselbe was als VJS. zu grunde ging; er will es nur populärer. Das aber brauchen wir nicht. Angezeigt soll nur werden was als rec. ex. einläuft oder gar durch bezahltes inserat seiner kasse nützte: das ist für ein gelehrtes organ unmöglich; das ist der standpunkt der tagespresse.
Auf Ihre einzelfragen antworte ich nur knapp: die der bücherschau zugedachten notizen würde ich nicht unter die recensionen mengen, sondern hinterdrein stellen, lediglich aus der praktischen rücksicht, dass Sie dann gegen heftschluss bequeme kleine füllstücke haben.
Dem einlauf würde ich keine notizen beifügen. Die SA würde ich unter die bücher mischen und alles alphabetisch ordnen. Ich verstehe aber durchaus nicht, was dieser zufällige einlauf für einen anspruch hat, verzeichnet zu werden; jedenfalls verdient er keinen andern platz als den heftumschlag; denn ich bin nicht des glaubens dass „mit der zeit so ziemlich das meiste einlaufe“ und selbst wenn, so bliebe es „so ziemlich“ lückenhaft. Mein standpunkt ist eben wo anders; das braucht Sie nicht zu beirren. – Dank für die Lauchertanzeige; sie ist doch wesentlich von der meinen verschieden, so dass ich Ihnen anheimgebe in einer fussnote Ihre abweichende ansicht zu äussern oder auch meine anzeige zu kassieren.
In sachen der Litteraturdenkmale: den namensschwang auf dem titel hat mir Nast gegen meinen willen abgezwungen, ich habe ihn immer für töricht gehalten.** Auch meinen namen wollte ich beseitigt wissen und habe nur ungern seinem drängen nachgegeben, das den zusatz forderte. Mir geschieht also nur ein gefallen, wenn alles ausser Ihrem namen wegfällt; es geschieht damit was ich von allem anfang bestimmt als meinen willen Nast mitteilte.
Noch eines: Schönbach hält von der bibliographie als zugmittel nichts, er teilt meine ansicht nicht.
In treuen
Ihr
BSeuffert.
* Ich habe nie gemeint, dass Sie mit 10 bogen nicht auskommen könnten; ich war nur nicht für festlegung dreier bogen aufs allgemeine und nicht für zu umständliche bibliographie.
** habe ihm nur zugestanden, weil ihm mein name allein zu schlecht war und er ihm durch den Munckers glanz verleihen wollte.
Graz 12 III 94
Lieber freund, Ihren brief zu beantworten fällt mir sehr schwer. Meine überzeugung ist: das Weimarer Jahrbuch und die VJS. gingen zu grunde, weil sie den freunden der neuen litt. nicht alles boten was sie brauchten: production und kritik und bibliographie. Ich verkenne nicht, dass auf die art der production es dabei auch ankommen kann, aber selbst die unmöglich erreichbare die allen gefällt wird eine zs. nicht gangbar machen ohne bücherwesen. Die Akad. bll. sind dagegen kein zeugnis: die bibliogr. war da zu schlecht und die ganze leitung elend. Der Anz. hat durch Strauch nicht wesentlich an abonnenten gewonnen, ist aber auch kein zeugnis dagegen: denn ¾ der Zs. interessirten eben doch die interessenten für neue litt. nicht; auch kam die bibliogr. zu spät. Die Göschenschen Jahresberichte sind kein ersatz u. werden durch Schmidts sicher nur nominellen zutritt nicht sicherer, nicht besser. Ich bin widerholt gefragt worden von geprüften germanisten, was sie als lehrer sich halten könnten um dadurch auf dem laufenden zu bleiben; ich habe jetzt auf den Euphorion verwiesen. Fällt die bibliographie weg, so schicke ich sie wider zum Literaturblatt, so wenig ich es mag.
Wäre ich an Ihrer stelle und dazu so amtsmüde wie Sie schon vor dem druckbeginn sind, so würde ich dem verleger schreiben: bitte suchen Sie sich einen andern redacteur. Sie sehen, dass meine stellung weit ab von der Ihren ist; so weit ab, dass ich Ihnen nun wirklich nicht raten kann. Es ist Ihnen bekannt, wie ich die verantwortlichkeit eines herausgebers auffasse; Sie haben recht, wenn Sie sie anders auffassen, denn meine art half der sache nicht zum bestand. Ich kann aber doch nicht aus meiner haut heraus und es gibt für mich eine grenze, wo ich auch die möglichkeit, es anders zu machen als ich durch meine natur gezwungen bin, nicht mehr verstehe.
Mir ist sehr leid, dass Sie so schnell üble erfahrungen am verleger machen und so schnell den druck der last spüren. Wollen Sie sich erinnern, was ich Ihnen über die redactionstätigkeit schrieb, ehe Sie trotzdem Ihre neigung dazu bekannten. Ich verkenne gar nicht, dass Sie sich durch kritik und bücherschau mehr last aufbürden, als mir aufgelegt war; aber Sie sagen ja Sie wollen sich die 2 ersten teile leichter machen als ich es tat; so gleicht es sich nahezu aus. Zudem sind Sie mit 600 M. sehr anständig honoriert, soweit ich die honorare wissenschaftlicher germani- stischer zss. kenne. Es ist sehr gut, wenn der Verleger das tragen kann. Eine umfangserhöhung der hefte halte ich für nicht rätlich*: zu viel verdaut der leser nicht u. vor allem, der preis muss niedrig bleiben. Sie haben bei diesem umfang es noch mehr als ich in der hand, nur das beste auszuwählen. Und ist des besten einmal zu viel, so geben Sie etwa wie andere zss. einen beiband zum aufräumen der bestände.
Ihr verleger legt nicht nur auf die bibliographie, sondern auch auf die recensionen keinen wert; d. h. also er will dasselbe was als VJS. zu grunde ging; er will es nur populärer. Das aber brauchen wir nicht. Angezeigt soll nur werden was als rec. ex. einläuft oder gar durch bezahltes inserat seiner kasse nützte: das ist für ein gelehrtes organ unmöglich; das ist der standpunkt der tagespresse.
Auf Ihre einzelfragen antworte ich nur knapp: die der bücherschau zugedachten notizen würde ich nicht unter die recensionen mengen, sondern hinterdrein stellen, lediglich aus der praktischen rücksicht, dass Sie dann gegen heftschluss bequeme kleine füllstücke haben.
Dem einlauf würde ich keine notizen beifügen. Die SA würde ich unter die bücher mischen und alles alphabetisch ordnen. Ich verstehe aber durchaus nicht, was dieser zufällige einlauf für einen anspruch hat, verzeichnet zu werden; jedenfalls verdient er keinen andern platz als den heftumschlag; denn ich bin nicht des glaubens dass „mit der zeit so ziemlich das meiste einlaufe“ und selbst wenn, so bliebe es „so ziemlich“ lückenhaft. Mein standpunkt ist eben wo anders; das braucht Sie nicht zu beirren. – Dank für die Lauchertanzeige; sie ist doch wesentlich von der meinen verschieden, so dass ich Ihnen anheimgebe in einer fussnote Ihre abweichende ansicht zu äussern oder auch meine anzeige zu kassieren.
In sachen der Litteraturdenkmale: den namensschwang auf dem titel hat mir Nast gegen meinen willen abgezwungen, ich habe ihn immer für töricht gehalten.** Auch meinen namen wollte ich beseitigt wissen und habe nur ungern seinem drängen nachgegeben, das den zusatz forderte. Mir geschieht also nur ein gefallen, wenn alles ausser Ihrem namen wegfällt; es geschieht damit was ich von allem anfang bestimmt als meinen willen Nast mitteilte.
Noch eines: Schönbach hält von der bibliographie als zugmittel nichts, er teilt meine ansicht nicht.
In treuen
Ihr
BSeuffert.
* Ich habe nie gemeint, dass Sie mit 10 bogen nicht auskommen könnten; ich war nur nicht für festlegung dreier bogen aufs allgemeine und nicht für zu umständliche bibliographie.
** habe ihm nur zugestanden, weil ihm mein name allein zu schlecht war und er ihm durch den Munckers glanz verleihen wollte.
Wäre ich an Ihrer stelle und dazu so amtsmüde wie Sie schon vor dem druckbeginn sind, so würde ich dem verleger schreiben: bitte suchen Sie sich einen andern redacteur. [...] Mir ist sehr leid, dass Sie so schnell üble erfahrungen am verleger machen und so schnell den druck der last spüren. Wollen Sie sich erinnern, was ich Ihnen über die redactionstätigkeit schrieb, ehe Sie trotzdem Ihre neigung dazu bekannten.
Seuffert sah, wie erschöpft Sauer von der Tätigkeit als Redakteur war und empfahl ihm, auch einen Rückzug in Erwägung zu ziehen.
Schreibort: Graz
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)
Rohtranskription, Text teilweise getaggt
ZitiervorschlagBrief ID-8680 [Druckausgabe Nr. 141]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8680/methods/sdef:TEI/get
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