Würzburg Herzogeng. 5
28 VII 86

Lieber freund,

Dank für Ihre wünsche. Ich habe Schönbach zweimal in Erlangen besucht und nach der zweiten zwiesprache gestern meine annahme der berufung bedingungslos erklärt. Hoffentlich fällt nun kein stein mehr aufs geleise und kommt die ernennung ohne allzu starke geduldprüfung.
Schönbach erklärte mein jetziges erscheinen in Wien für ganz überflüssig und so komme ich nicht dahin. Aber ich treffe Sie doch noch dort, wenn wenigstens meine braut von ihrem scharlach so weit erholt ist, dass ende september die hochzeit u. dann die übersiedelung nach Graz statt finden kann. Ich werde dann zuvor in Wien besuche machen müssen.
Haben Sie unter Ihren Grillparzerarbeiten eine müssige und zerstreute stunde, die sie dem praktischen alltag opfern mögen, so erinnern Sie sich Ihres versprechens, mich über Grazer personen und verhältnisse zu unterrichten. Für das äusserlichste und doch wichtige werden Sie freilig wenig rat spenden können. Schönbach wünschte, dass ich selbst zum wohnungmieten vorher komme; aber das ist mir zu kostspielig. Lässt er oder ein anderer hilfreicher mann – den ich nicht kenne – sich nicht darauf ein, für mich zu mieten, so nehme ich, was ich eben sofort haben kann, im oktober. Haben Sie junggeselle erfahrung, ob ich etwa 5 zimmer für höchstens 500 fl. haben kann und in welchem stadtteile ich am besten bescheiden unterkommen, so enthalten Sie mir sie nicht vor.
Schönbach empfiehlt eine antrittsvorlesung zu halten. Da ist wol kürze das beste, der gehalt nebensache. Oder darf man eine glockenstunde sprechen? Sie schrieben von einer kommerse rede ! gelehrten inhaltes. Werde ich auch in diese ganz ungewohnte verlegenheit kommen? Derlei kommerse kennen wir hier gar nicht.
Wie ist das gesellige leben? Rege u. nahe und einfach, oder sprungweise, steif und üppig? Familiär oder nur im bierhause?
Ich hätte so viel zu fragen, aber es ginge fragen u. antworten mündlich so viel leichter, und ich darf Ihre arbeitszeit nicht schädigen. Sonst fragte ich, ob die kleidungspreise hoch sind – dann staffierte ich mich hier vorsorglich aus –, ob schreinerarbeiten hoch bezahlt werden – dann liesse ich mir hier noch büchergestelle machen totz der transportkosten.
Wie viel haben Sie umzugsentschädigung nach Prag erhalten? Wissen Sie etwas davon, ob versetzungs- und brautgut frei von zoll eingeht?
– – – –
Scherers tod geht uns allen mit dem gefühle der verwaisung nach. Was in Berlin werden wird, weiss wol noch niemand. Schmidt, Steinmeyer, Schönbach, Martin, Lexer wissen so viele vermutungen wie Sie und ich, aber nicht mehr. Mit Martin, Steinmeyer u. Schönbach war ich jüngst in Bamberg beisammen. Dass ich bei Schmidt war und die generalkorrektur u. mitredaktion der Weimarschen ausgabe übernahm, schrieb ich wol schon.
Ich bin zerstreut, hastig, freue und fürchte mich. Wir wollen nun die staatliche gemeinschaft zu doppelt guter freundschaft ausnützen. Das ist mir einer der wenigen festen punkte der zukunft und ein lieber punkt.
Lassen Sie mich abbrechen. Ich habe zu viel am herzen, um gemütlich zu plaudern.
Grüssend
Ihr
BSeuffert

Würzburg Herzogeng. 5
28 VII 86

Lieber freund,

Dank für Ihre wünsche. Ich habe Schönbach zweimal in Erlangen besucht und nach der zweiten zwiesprache gestern meine annahme der berufung bedingungslos erklärt. Hoffentlich fällt nun kein stein mehr aufs geleise und kommt die ernennung ohne allzu starke geduldprüfung.
Schönbach erklärte mein jetziges erscheinen in Wien für ganz überflüssig und so komme ich nicht dahin. Aber ich treffe Sie doch noch dort, wenn wenigstens meine braut von ihrem scharlach so weit erholt ist, dass ende september die hochzeit u. dann die übersiedelung nach Graz statt finden kann. Ich werde dann zuvor in Wien besuche machen müssen.
Haben Sie unter Ihren Grillparzerarbeiten eine müssige und zerstreute stunde, die sie dem praktischen alltag opfern mögen, so erinnern Sie sich Ihres versprechens, mich über Grazer personen und verhältnisse zu unterrichten. Für das äusserlichste und doch wichtige werden Sie freilig wenig rat spenden können. Schönbach wünschte, dass ich selbst zum wohnungmieten vorher komme; aber das ist mir zu kostspielig. Lässt er oder ein anderer hilfreicher mann – den ich nicht kenne – sich nicht darauf ein, für mich zu mieten, so nehme ich, was ich eben sofort haben kann, im oktober. Haben Sie junggeselle erfahrung, ob ich etwa 5 zimmer für höchstens 500 fl. haben kann und in welchem stadtteile ich am besten bescheiden unterkommen, so enthalten Sie mir sie nicht vor.
Schönbach empfiehlt eine antrittsvorlesung zu halten. Da ist wol kürze das beste, der gehalt nebensache. Oder darf man eine glockenstunde sprechen? Sie schrieben von einer kommerse rede ! gelehrten inhaltes. Werde ich auch in diese ganz ungewohnte verlegenheit kommen? Derlei kommerse kennen wir hier gar nicht.
Wie ist das gesellige leben? Rege u. nahe und einfach, oder sprungweise, steif und üppig? Familiär oder nur im bierhause?
Ich hätte so viel zu fragen, aber es ginge fragen u. antworten mündlich so viel leichter, und ich darf Ihre arbeitszeit nicht schädigen. Sonst fragte ich, ob die kleidungspreise hoch sind – dann staffierte ich mich hier vorsorglich aus –, ob schreinerarbeiten hoch bezahlt werden – dann liesse ich mir hier noch büchergestelle machen totz der transportkosten.
Wie viel haben Sie umzugsentschädigung nach Prag erhalten? Wissen Sie etwas davon, ob versetzungs- und brautgut frei von zoll eingeht?
– – – –
Scherers tod geht uns allen mit dem gefühle der verwaisung nach. Was in Berlin werden wird, weiss wol noch niemand. Schmidt, Steinmeyer, Schönbach, Martin, Lexer wissen so viele vermutungen wie Sie und ich, aber nicht mehr. Mit Martin, Steinmeyer u. Schönbach war ich jüngst in Bamberg beisammen. Dass ich bei Schmidt war und die generalkorrektur u. mitredaktion der Weimarschen ausgabe übernahm, schrieb ich wol schon.
Ich bin zerstreut, hastig, freue und fürchte mich. Wir wollen nun die staatliche gemeinschaft zu doppelt guter freundschaft ausnützen. Das ist mir einer der wenigen festen punkte der zukunft und ein lieber punkt.
Lassen Sie mich abbrechen. Ich habe zu viel am herzen, um gemütlich zu plaudern.
Grüssend
Ihr
BSeuffert

Ich bin zerstreut, hastig, freue und fürchte mich. Wir wollen nun die staatliche gemeinschaft zu doppelt guter freundschaft ausnützen. Das ist mir einer der wenigen festen punkte der zukunft und ein lieber punkt.

Bernhard Seuffert trat im Herbst 1886 die Nachfolge Sauers als ao. Professor für Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Graz an, während Sauer an die Universität Prag wechselte. Beide waren nun als Germanisten in Ländern der Habsburgermonarchie tätig.

Scherers tod geht uns allen mit dem gefühle der verwaisung nach. Was in Berlin werden wird, weiss wol noch niemand.

Auch Seuffert bedauerte den Tod Scherers.

Briefdaten

Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Wien
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8365 [Druckausgabe Nr. 68]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8365/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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