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Intellektuelle Biographie und wissenschaftliches Netzwerk

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Beziehung zu Wilhelm Scherer

August Sauer und Bernhard Seuffert waren durch den Berliner Germanisten Wilhelm Scherer geprägt, der als Fundament literaturgeschichtlicher Forschung die umfassende Erschließung von Leben, Werk und Wirkung eines Autors sah. Diesen Anspruch erfüllten beide auf unterschiedliche Weise: Seuffert verschrieb sich lebenslang der intensiven Erforschung Christoph Martin Wielands, Sauer der Edition und Erforschung der Werke Adalbert Stifters und Franz Grillparzers.
KorrespondenzZitatKommentar
Bernhard Seuffert
Bernhard Seuffert an August Sauer in Lemberg
Würzburg, 20. Juni 1882 (Dienstag)

Ich habe mit Scherer ein programm von 50–60 nummern festgestellt, dessen kleinsten teil ich jetzt vorlege.

Wilhelm Scherer nahm lebhaften Anteil an der Konzeption und inhaltlichen Ausrichtung von Seufferts Neudruckreihe DLD. Er befürwortete den Neudruck von Texten, die sowohl selten als auch literaturgeschichtlich bedeutsam waren. Zugleich waren Seuffert und er um ein abwechslungsreiches Programm bemüht, das den Absatz sichern sollte.

Bernhard Seuffert
Bernhard Seuffert an August Sauer in Lemberg
Würzburg, 11. Juni 1883 (Montag)

Bis mitte juli kommen 5 hefte DLD, vorausgesetzt dass Scherers einleitung endlich, endlich eintrifft.

Wilhelm Scherer steuerte zum Neudruck der Frankfurter Gelehrten Anzeigen vom Jahr 1772 in Seufferts Neudruckreihe (DLD 7/8) die Einleitung bei.

Bernhard Seuffert
Bernhard Seuffert an August Sauer in Graz
Würzburg, 2. Juni 1884 (Montag)

Das ist überhaupt der fluch meiner universitätszeit: es fehlte mir ein lehrer mit überwältigendem eindrucke. Ich naschte da und dort, trieb bald sanskrit und vergleichende sprachwissenschaft, bald archäologie, bald antike litteratur, bald romanisch, bald germanisch und hauptsächlich geschichte. Von allen meinen lehrern hat keiner – auch Scherer nicht, den ich darnach in Strassburg hörte, noch Schmidt, dessen initien ich hier mitmachte – einen ähnlichen einfluss auf mich gehabt wie der historiker Wegele.

Bernhard Seuffert reflektierte seine universitäre Ausbildung. Als wichtigsten Einfluss sah er jedoch nicht Wilhelm Scherer, sondern den Historiker Franz Xaver Wegele.

August Sauer
August Sauer an Bernhard Seuffert in Würzburg
Graz, 4. September 1884 (Donnerstag)

Zum Glück gab er [Richard Heinzel] wenig eigenes, sondern es waren wörtlich & buchstäblich Scherers Collegien, die er uns mittheilte u. so bin ich indirect vom ersten Semester an Scherers Schüler gewesen. Und er erfüllte uns mit solchem Enthusiasmus zu seinem gleichaltrigen, [b]egabteren Freunde, sprach mit solcher Ehrfurcht und doch wieder mit solcher Liebe und Hingebung von ihm und seinen Arbeiten, daß wir Scherer als den Mittelpunkt unserer Wissenschaft ansahen, uns auf alles stürzten, was aus seinem Munde kam und ihm uns mit Leib und Seele zu eigen gaben. Scherer persönlich kennen zu lernen, war das sehnsüchtigste Ziel meiner ganzen Studentenzeit; [die] Griechen können nicht erhabener von Delphi gedacht haben als ich damals von Strßbrg. Es war ein Fieber, an dem ich förmlich krank lag.

Für August Sauer hingegen war Wilhelm Scherer ein großes Vorbild im Lauf seiner wissenschaftlichen Ausbildung. Bereits während seines Studiums in Graz kam er über die Vorlesungen bei Richard Heinzel in Kontakt mit Scherers wissenschaftlichen Arbeiten. Im Wintersemester 1877/78 sowie im Sommersemester 1878 studierte Sauer, ausgestattet mit einem Stipendium des österreichischen Unterrichtsministeriums, bei Scherer in Berlin.

August Sauer
August Sauer an Bernhard Seuffert in Würzburg
Graz, 12. April 1886 (Montag)

Heinzel will Ihnen sehr wohl, Scherer desgleichen; Schmidt hat zwar nicht mehr vielen, aber doch einigen Einfluß. Wenn diese drei sich beim Ministerium f[est] ansetzen; dann erreichen sie es auch. Für mich haben sie es nicht gethan. Wäre es schon entschieden!

August Sauer bekam 1886 ein Extraordinariat für Neuere deutsche Literaturgeschichte an der Universität Prag. Er vermutete, dass sich Scherer für Seuffert einsetzen würde, der an der Nachbesetzung der frei werdenden Stelle an der Universität Graz interessiert war.

Bernhard Seuffert
Bernhard Seuffert an August Sauer in Prag
Würzburg, 17. Mai 1886 (Montag)

Ich war in Weimar beim Goethetag [...]. Viele alte und neue bekannte, viel zu viel getöse für meine jetzige stimmung und einsame lebensart. [...] Aber Scherer fehlte und fehlte sehr.

Wilhelm Scherer hatte am 18.11.1885 einen Schlaganfall erlitten, von dessen Folgen er sich nur langsam erholte. Er kam deshalb nicht zum Goethetag nach Weimar.

August Sauer
August Sauer an Bernhard Seuffert in Würzburg
Wien, 24. August 1886 (Dienstag)

Mich hat Scherers Tod halb krank gemacht; [s]. arme 70jährige Mutter, bei der ich einige Mal schon Stunden lang gesessen, ist schwer krank – ein rechter Jammer! Was wird nun in Berlin werden!

Wilhelm Scherer starb am 6. August 1886. Für seine Nachfolge auf dem Ordinariat für Neuere deutsche Literaturgeschichte schlug die Philosophische Fakultät nach nur kurzer Beratung Scherers Schüler Erich Schmidt vor, der bereits am 6. Dezember 1886 ernannt wurde, sein Amt aber – mit Rücksicht auf die Abwicklung seiner Verpflichtungen als Direktor des Goethe-Archivs – erst zum Sommersemester 1887 antrat.

Bernhard Seuffert
Bernhard Seuffert an August Sauer in Wien
Würzburg, 28. August 1886 (Samstag)

Scherers tod geht uns allen mit dem gefühle der verwaisung nach. Was in Berlin werden wird, weiss wol noch niemand.

Auch Seuffert bedauerte den Tod Scherers.

Bernhard Seuffert
Bernhard Seuffert an August Sauer in Prag
Graz, 5. März 1894 (Montag)

Dass Sie mit Scherer eröffnen, gibt ein parteiansehen; aber Sie wollen das, und mir ist [sic] gewiss sehr lieb.

Nach aufwändigen Vorbereitungen, an denen auch Seuffert intensiv beteiligt war, gründete Sauer 1894 im Bamberger Verlag C. C. Buchner (Inhaber Rudolf Koch) die noch heute bestehende Zeitschrift Euphorion. Vierteljahrschrift für Literaturgeschichte, die er – in den letzten Lebensjahren durch seine Schüler Josef Nadler und Georg Stefansky unterstützt – bis zu seinem Tode 1926 herausgab. Das erste Heft wurde mit Wilhelm Scherers nachgelassenem Text Wissenschaftliche Pflichten eröffnet.

PersonZeitraumWerdegang
Bernhard Seuffert
1871 - 1874Studium Klassische Philologie, Geschichte und Germanistik an der Universität Würzburg
August Sauer
1873 - 1877Studium Deutsche Philologie, Geschichte und Klassische Philologie an der Universität Wien
Bernhard Seuffert
1875 - 1876Studium an der Universität Straßburg bei Wilhelm Scherer
Bernhard Seuffert
1876Promotion an der Universität Würzburg
Bernhard Seuffert
1877Habilitation an der Universität Würzburg
August Sauer
1877 - 1878Studienaufenthalt an der Universität Berlin bei Wilhelm Scherer
Bernhard Seuffert
1877 - 1886Priv.-Doz. für Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Würzburg
August Sauer
1878Promotion an der Universität Wien
August Sauer
1879Habilitation an der Universität Wien
August Sauer
1879 - 1883Supplent an der Universität Lemberg
Bernhard Seuffert
1881 - 1890Herausgabe der Neudruckreihe "Deutsche Literaturdenkmale" (DLD)
August Sauer
1883 - 1886Herausgabe der Neudruckreihe "Wiener Neudrucke" (WND)
August Sauer
1883 - 1884Herausgabe der "Beiträge zur Geschichte der deutschen Litteratur und des geistigen Lebens in Österreich"
August Sauer
1883 - 1886ao. Prof. für Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Graz
Bernhard Seuffert
1886 - 1887Generalkorrektor der Weimarer Goetheausgabe
Bernhard Seuffert
18.1.1886Tod von Seufferts Mutter
Bernhard Seuffert
1886 - 1892ao. Prof. für Neuere Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Graz
Bernhard Seuffert
14.10.1886Heirat mit Anna Rothenhöfer
August Sauer
1886 - 1891ao. Prof. für Deutsche Sprache und Literatur an der Deutschen Universität Prag
Bernhard Seuffert
1887 - 1919Mitglied im Redaktionskommitte der Weimarer Goetheausgabe
Bernhard Seuffert
1888 - 1893Herausgabe der "Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte"
Bernhard Seuffert
25.03.1888Geburt der Tochter Gertraud
Bernhard Seuffert
19.07.1890Tod der Tochter Gertraud
August Sauer
1891 - 1926Mitglied der "Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen“
August Sauer
1891 - 1904Übernahme und Herausgabe der Neudruckreihe DLD
Bernhard Seuffert
23.07.1891Geburt des Sohnes Lothar
August Sauer
1892 - 1926o. Prof. für Deutsche Sprache und Literatur an der Deutschen Universität Prag
Bernhard Seuffert
1892 - 1924o. Prof. für Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Graz
August Sauer
08.09.1892Heirat mit Hedda Rzach
August Sauer
1894 - 1926Herausgabe der Zeitschrift "Euphorion"
Bernhard Seuffert
27.05.1894Geburt des Sohnes Burkhard
Bernhard Seuffert
1896 - 1897Dekan an der Universität Graz
August Sauer
1897 - 1898Dekan an der Deutschen Universität Prag
August Sauer
1898Tod von Sauers Vater
August Sauer
1901 - 1918Herausgeber der Zeitschrift "Deutsche Arbeit"
August Sauer
03.08.1903Aufnahme in die Österreichische Akademie der Wissenschaften
August Sauer
August 1904Reise in die USA
Bernhard Seuffert
1904 - 1938Mitarbeit an der Wielandausgabe
August Sauer
1907 - 1908Rektor der Deutschen Universität Prag
August Sauer
18.11.1907Rektoratsrede "Literaturgeschichte und Volkskunde"
August Sauer
1908 - 1909Prorektor der Deutschen Universität Prag
August Sauer
Juli 1908Tod des jüngeren Bruders
August Sauer
Mai 1911Tod von Julius Sauer (Bruder)
Bernhard Seuffert
1913 - 1914Rektor der Universität Graz
Bernhard Seuffert
19./20.12.1916Tod von Lothar Seuffert (Sohn)
August Sauer
17.09.1926August Sauer stirbt in Prag
Bernhard Seuffert
15.05.1938Bernhard Seuffert stirbt in Graz

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