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Beilage zu II III15.

Er begab sich in seine Schule; er wurde vom Hausdienerwartunterwürfigehrfurchtsvoll begrüßt; er fühlte sich willkommen, wenn er den Professoren begegnete, die ihm untergeben waren; in der Direktionskanzlei erwarteten ihn Akten, die sein Stellvertreter während seiner Abwesenheit (nicht) zu erledigen gewagt hatte; wenn er durch die Gänge eilte, begleitete ihn das Gefühl, daß sein Schritt das Haus beflügele, : Gottlieb Hagauer war eine Persönlichkeit und wußte es; Ermutigung und Frohsinn leuchteten von seiner Stirn durch das ihm unterstehende Erziehungsgebäude, und wenn er außerhalb der Schule nach Befinden und Aufenthalt seiner Frau Gemahlin befragt wurde, antwortete er mit der Seelenruhe

° Aber es soll der Mensch nicht das Glück und die Zufriedenheit scheuen. Es gibt Personen, die niemals einen Menschen, anvon dem ihnensie etwas liegtwollen, besonders reizend gewinnend und geneigt finden dürfen, sei es nun ein Vorgesetzter oder bloß ein Freund, denn schon am nächsten Tag führt dann die Freundschaft zum Riß oder der Vorgesetzte spricht einen unangenehmen Tadel aus. Es gibt Schüler, die ihre Lehrer nicht bewundern dürfen, und Liebhaber, denen jede kleine Gunst verderblich wird. Professor Hagauer gehörte allerdings nicht zu diesen Personen, vielleicht war er nicht genug leidenschaftlich oder bloß nicht nervös genug dazu, auf jeden Fall waren seinen menschlichen und dienstlichen Beziehungen alle Ungleichregelmäßigkeiten fern geblieben; aber er hatte ein Buch über den Erziehungswert der Naturwissenschaften verfaßt, als es noch eine Tat war, dem humanistischen Gymnasium dieses Beispiel zu geben, und er hätte eigentlichwenigstensbemerken müssen, Womit das zusammenhängt, ist unmöglich zu sagen, aber sicher wird es ein Gesetz sein, das mindestens ebenso wahr ist wie das der Schwere und dabei den Geist mehr anspricht als dieses, denn die Sitte, zur Abwehr dreimal auszuspucken oder auf Holz zu klopfen, ist ja auch allgemein verbreitet. Nun gehörte Professor Hagauer allerdings nicht zu den Personen, die empfindlich für das Schicksal sind, vielleicht war er nicht genug leidenschaftlich oder bloß nicht nervös genug dazu, auf jeden Fall waren seinen menschlichen und dienstlichen Beziehungen alle Ungleichregelmäßigkeiten fern geblieben; aber er hatte ein Buch über den Erziehungswert der Naturwissenschaften verfaßt, als es noch eine Tat war, dem humanistischen Gymnasium dieses Beispiel zu geben, und er hätte eigentlichwenigstensbemerken müssendaß es seither an der Zeit geworden sei, sich von der Nüchternheit wieder abzuwenden, die mit positivistischemengherzigem Hochmut in allem Unbeweisbaren nur einen Aberglauben fühlt neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Er besaß noch die Gewohnheit, über den Aberglauben der Masse zu lächeln, und noch nicht die neuere, über den Unglauben zu klagen der Wissenschaft zu beklagen und ihren positivistischen Hochmut damals längst schon ein Buch geschrieben haben müssen, worin auseinandergesetzt gewesen wäre, daß die Aufgabe der Wissenschaft in einem demokratischen Zeitalter nicht nur darin gelegen sei, die unersetzlichen klassischen Werte der KlassikVergangenheit zu pflegen wie die neue, noch nie dagewesene Entwicklung der Flugmenschen zu fördern, sondern auch auf das«40_3»

Später bei Berufung durch Gf L.

Legende
ABC: Streichung ABC: HinzufügungABC: Textvariante : Abkürzung, BegriffserklärungABC: Autorenkommentar
Datierung
Datierungsabschnitt 5-1: September 1928 - Januar 1929
Kapitelgruppen-Entwürfe, Frage; Heft 28/1-10 [Umfang: 475 Seiten]
Übergeordnete Einheit: Datierungsabschnitt 5: Der Mann ohne Eigenschaften: Ulrich (Band I und Band II)
Datierungsmethode: Datierungsabschnitt
Objektbeschreibung
Angaben zum Blatt: Kanzleiblatt cremefarben
Maße: 210x342mm
Typ des Blatts
Rohentwurf
Hauptbeschriftung: Tinte schwarz
Rohentwürfe sind in den frühen Produktionsphasen des "Mann ohne Eigenschaften" repräsentiert (1918-1928). Es handelt sich um Voraus-Entwürfe zur Skizzierung der Handlung noch ohne Kapiteltitel; es gibt kaum Korrekturen; Überarbeitungsspuren stammen vorwiegend aus späteren Arbeitsphasen.
Bezug
Der Mann ohne Eigenschaften
Der Mann ohne Eigenschaften. Band 2. Zweites Buch - Erster Teil | DRITTER TEIL - INS TAUSENDJÄHRIGE REICH (DIE VERBRECHER) | Professor Hagauer greift zur Feder
Band 2
Roman
Der Mann ohne Eigenschaften
Siglen
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Beilage zu II III15.

Er begab sich in seine Schule; er wurde vom Hausdienerwartunterwürfigehrfurchtsvoll begrüßt; er fühlte sich willkommen, wenn er den Professoren begegnete, die ihm untergeben waren; in der Direktionskanzlei erwarteten ihn Akten, die sein Stellvertreter während seiner Abwesenheit (nicht) zu erledigen gewagt hatte; wenn er durch die Gänge eilte, begleitete ihn das Gefühl, daß sein Schritt das Haus beflügele, : Gottlieb Hagauer war eine Persönlichkeit und wußte es; Ermutigung und Frohsinn leuchteten von seiner Stirn durch das ihm unterstehende Erziehungsgebäude, und wenn er außerhalb der Schule nach Befinden und Aufenthalt seiner Frau Gemahlin befragt wurde, antwortete er mit der Seelenruhe

° Aber es soll der Mensch nicht das Glück und die Zufriedenheit scheuen. Es gibt Personen, die niemals einen Menschen, anvon dem ihnensie etwas liegtwollen, besonders reizend gewinnend und geneigt finden dürfen, sei es nun ein Vorgesetzter oder bloß ein Freund, denn schon am nächsten Tag führt dann die Freundschaft zum Riß oder der Vorgesetzte spricht einen unangenehmen Tadel aus. Es gibt Schüler, die ihre Lehrer nicht bewundern dürfen, und Liebhaber, denen jede kleine Gunst verderblich wird. Professor Hagauer gehörte allerdings nicht zu diesen Personen, vielleicht war er nicht genug leidenschaftlich oder bloß nicht nervös genug dazu, auf jeden Fall waren seinen menschlichen und dienstlichen Beziehungen alle Ungleichregelmäßigkeiten fern geblieben; aber er hatte ein Buch über den Erziehungswert der Naturwissenschaften verfaßt, als es noch eine Tat war, dem humanistischen Gymnasium dieses Beispiel zu geben, und er hätte eigentlichwenigstensbemerken müssen, Womit das zusammenhängt, ist unmöglich zu sagen, aber sicher wird es ein Gesetz sein, das mindestens ebenso wahr ist wie das der Schwere und dabei den Geist mehr anspricht als dieses, denn die Sitte, zur Abwehr dreimal auszuspucken oder auf Holz zu klopfen, ist ja auch allgemein verbreitet. Nun gehörte Professor Hagauer allerdings nicht zu den Personen, die empfindlich für das Schicksal sind, vielleicht war er nicht genug leidenschaftlich oder bloß nicht nervös genug dazu, auf jeden Fall waren seinen menschlichen und dienstlichen Beziehungen alle Ungleichregelmäßigkeiten fern geblieben; aber er hatte ein Buch über den Erziehungswert der Naturwissenschaften verfaßt, als es noch eine Tat war, dem humanistischen Gymnasium dieses Beispiel zu geben, und er hätte eigentlichwenigstensbemerken müssendaß es seither an der Zeit geworden sei, sich von der Nüchternheit wieder abzuwenden, die mit positivistischemengherzigem Hochmut in allem Unbeweisbaren nur einen Aberglauben fühlt neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Er besaß noch die Gewohnheit, über den Aberglauben der Masse zu lächeln, und noch nicht die neuere, über den Unglauben zu klagen der Wissenschaft zu beklagen und ihren positivistischen Hochmut damals längst schon ein Buch geschrieben haben müssen, worin auseinandergesetzt gewesen wäre, daß die Aufgabe der Wissenschaft in einem demokratischen Zeitalter nicht nur darin gelegen sei, die unersetzlichen klassischen Werte der KlassikVergangenheit zu pflegen wie die neue, noch nie dagewesene Entwicklung der Flugmenschen zu fördern, sondern auch auf das«40_3»

Später bei Berufung durch Gf L.

Legende
ABC: Streichung ABC: HinzufügungABC: Textvariante : Abkürzung, BegriffserklärungABC: Autorenkommentar
Datierung
Datierungsabschnitt 5-1: September 1928 - Januar 1929
Kapitelgruppen-Entwürfe, Frage; Heft 28/1-10 [Umfang: 475 Seiten]
Übergeordnete Einheit: Datierungsabschnitt 5: Der Mann ohne Eigenschaften: Ulrich (Band I und Band II)
Datierungsmethode: Datierungsabschnitt
Objektbeschreibung
Angaben zum Blatt: Kanzleiblatt cremefarben
Maße: 210x342mm
Typ des Blatts
Rohentwurf
Hauptbeschriftung: Tinte schwarz
Rohentwürfe sind in den frühen Produktionsphasen des "Mann ohne Eigenschaften" repräsentiert (1918-1928). Es handelt sich um Voraus-Entwürfe zur Skizzierung der Handlung noch ohne Kapiteltitel; es gibt kaum Korrekturen; Überarbeitungsspuren stammen vorwiegend aus späteren Arbeitsphasen.
Bezug
Der Mann ohne Eigenschaften
Der Mann ohne Eigenschaften. Band 2. Zweites Buch - Erster Teil | DRITTER TEIL - INS TAUSENDJÄHRIGE REICH (DIE VERBRECHER) | Professor Hagauer greift zur Feder
Band 2
Roman
Der Mann ohne Eigenschaften
Siglen

Signatur: Cod. Ser. n. 15110

2 Konvolute (davon 1 mit Umschlag); 35 Blätter; 77 beschriebene Seiten; 6 Zeitungsausschnitte

Die Bezeichnung »Mappe Schreibtisch zuletzt (Diotima, Arnheim)« bezieht sich auf Musils Arbeitssituation am Mann ohne Eigenschaften im Sommer 1932. Offenbar hatte er die Manuskripte in ihr belassen, als er im September 1932 seinen Arbeitsurlaub in dem Ostseebadeort Brunshaupten abbrach, um nach Berlin zurück zu kehren. Der Schreibprozess, den der Mappeninhalt im Ausschnitt dokumentiert, nämlich die Niederschrift von Band 2/1 des Mann ohne Eigenschaften, war zu diesem Zeitpunkt praktisch abgeschlossen. Vorstufen finden sich in Form von Entwürfen aus den zwanziger Jahren, kapitelübergreifenden Planungsnotizen und Schmierblättern zu verschiedenen Kapiteln, die primär nicht dem Ulrich-Agathe-Komplex angehören; so auch das Exzerpt »Diotima-Lazarsfeld«, Musil hatte bereits im Frühsommer 1931 ein Buch der Sexualforscherin Sophie Lazarsfeld für Kapitel 2/17 des Romans exzerpiert. Die Materialien reichen inhaltlich über das Ende von Band 2/1 hinaus und umfassen auch Vorstufen zum Nationen-Kapitel, das 1932 noch einen Bestandteil der Sitzungs-Kapitel (Kapitel 2/35-38) bildete.

Zitiervorschlag

Robert Musil, Schreibtisch zuletzt D-Ah (Diotima, Arnheim) : Mappe VII/14, ediert von Walter Fanta, in: Musil Online, hrsg. v. RMI/KLA und ÖNB, Klagenfurt und Wien 2021, Version 0.1, März 2022. URL: https://edition.onb.ac.at/musil/o:mus.sn15110-07-14/methods/sdef:TEI/get?mode=p_6

Lizenzhinweis

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