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Warum ....S 5

wird. Das klassische Beispiel dafür haben schon die fahrenden Ritter der Minne aufgestellt, die über jeden Gleichen, der ihnen begegnet ist, wie die tollen Hunde hergefallen sind, zu Ehren eines Zustands in ihren Herzen, der so weich und duftig war wie tropfendes Kirchenwachs. Aber auch die Gegenwart läßt sich an kleinen ZügenEigenheiten keinen Mangel, die damit verwandt sind. So etwa, daß sie Prachtfeste veranstaltet zur Linderung der Not. Im Namen der Einheit der Nation 49% von ihr vergewaltigen Oder die große Zahl der strengen Menschen, die auf der Durchführung öffentlicher Grundsätze bestehn, von denen sie sich ausgenommen wissen. Auch das Zugeständnis/Scheinzugeständnis/, daß der Zweck die Mittel heilige, gehört daher, denn in Wirklichkeit sind es gewöhnlich die immer bewegten, abwechslungsreichen Mittel, denen zuliebe gewöhnlich die Zwecke in Kauf genommen werden, die moralisch und reizlos sind. Und mögen solche Beispiele noch spielerisch aussehn, so verstummt dieser Einwand vor der unheimlichen Beobachtung, daß zweifellos das zivilisierte Leben zweifellosnur so sehr eine Neigung zu den rohesten Ausbrüchen hemmungsloser Roheit hat, wie wennund daß diese nie so heftig wieroher sind, als wenn sie zu Ehren großer und heiliger, ja sogar zarter Gefühle auftretenerfolgen! Werden sie da als besonders entschuldigt gefühlt?oOder nicht vielmehr am Endewerden sie als etwas gefühlt, das entschuldigen soll?, nämlich ist das Verhältnis nicht vielmehr das umgekehrte?

So läßt sich an kommt man auf vielerlei zusammenhängenden Wegen dahin, daß die Menschen nicht gut, schön u. wahrhaftig sind, sondern es lieber sein wollen, und ahnt, wie sie unter dem leicht=natürlichenanscheinenden einleuchtenden Vorwand, daß das Ideale seiner Natur nach unerreichbar sei, die bänglichereschwere Frage verschleiern, warum es so ist. Und ungefähr so sprach auch U. Ulrich
u. sparte nicht mit Ausfällen gegen Ld. Lindner
u. den Ld Lindner
schen. Gutsinn, die sich daraus von selbst ergaben. Es sei sicher, behauptete er, daß jener zehnmal gewisser vom Einmaleins oder von den Regeln der Sittlichkeit überzeugt sei als von seinem Gott, aber sich, indem er für seine Gottesüberzeugung wirke, dieser Schwierigkeit größtenteils entziehe. In diesem Zustand frage er nicht, ob er seine Vernunft keine Widersprüche hehle, sondern glaube, das heißt, er vermenge das, wovon er überzeugt sein möchte, so geschickt mit seinen Er bringe sich dazu in den Zustand des Glaubens, einer Verfassung, worin das, wovon maner überzeugt sein möchte, so geschickt mit dem vermengt ist, wovon er überzeugt sein kann, daß er es selbst nicht mehr zu trennen vermöge –

/Also Für hängt auch mit Glauben zusammen!/

Hier bemerkte Ag. Agathe
, daß alles Wirken fragwürdig sei. Sie erinnerte sich an die paradoxe Behauptung, daß wirklich und im Innersten gut nur solche Menschen bleiben, die nicht viel Gutes täten. Es schien ihr nun erweitert, und so neuerdings bestätigt, zu sein durch die ihr genehme Möglichkeit, daß der Zustand der Tätigkeit grundsätzlich einedie Verfälschung eines anderen Zustands sei, von dem er ausgehe u. dem er zu dienen vorgebe. U Ulrich
. bejahte es noch einmal. "Auf der einen Seite haben wir nun" wiederholte er es zusammenfassend "die Menschen, die für und – ohne das Wort genau zu nehmen – in etwas leben, die sich sich

Legende
ABC: Streichung ABC: HinzufügungABC: Textvariante : Abkürzung, BegriffserklärungABC: Autorenkommentar
Datierung
Datierungsabschnitt 7-2: Mitte 1933 - März 1934
Schmierblätter: Schm b Tge, Schm Aufb, F+L+H+VB, Schm M-K, Schm Ü, Schm ÜP [Umfang: 415 Seiten]
Übergeordnete Einheit: Datierungsabschnitt 7: Zwischenfortsetzung Band II, Teil 1
Datierungsmethode: Datierungsabschnitt
Objektbeschreibung
Angaben zum Blatt: Kanzleidoppelblatt cremefarben
Maße: 210x341mm
Typ des Blatts
Entwurfsfragment
Tinte schwarz
Entwurfsfragmente sind für die spätere Produktionsphase des "Mann ohne Eigenschaften" typisch (1933-1942). Es handelt sich um Zeugnisse der Umschreibprozeduren, in der Regel in Form unvollständiger Kapitelentwürfe, die keinen fixen Kapiteltitel und keine fixe Kapitelnummer haben; sie sind stark korrigiert und mit Notizen versehen.
Bezug
Der Mann ohne Eigenschaften
Fortsetzung 1933-1936 | Parallelaktion | Warum die Menschen nicht gut, schön und wahrhaftig sind, sondern es lieber sein wollen | Stufe 10
Siglen
SchmMK2_Warum_5
Sigle »Schm M-K«: Schm M-K II Warum … sind … wollen
identisch mit N Bl III 13, N Bl III 14, N Bl III 15, N Bl III 16; N Bl III 17, N Bl III 18 ; Notizen und Entwurfsansätze zum Kapitelprojekt »Warum die Menschen nicht gut, schön und wahrhaftig sind, sondern es lieber sein wollen«; I/4/13, I/4/14, I/4/15, I/4/16, I/4/17, I/4/18
NBl3_17
Sigle »N Bl III«: N Bl III 17
identisch mit Schm M-K II Warum … sind … wollen; Entwurf zum Kapitelprojekt »Warum die Menschen nicht gut, schön oder wahrhaftig sind, sondern es lieber sein wollen«; I/4/17
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wird. Das klassische Beispiel dafür haben schon die fahrenden Ritter der Minne aufgestellt, die über jeden Gleichen, der ihnen begegnet ist, wie die tollen Hunde hergefallen sind, zu Ehren eines Zustands in ihren Herzen, der so weich und duftig war wie tropfendes Kirchenwachs. Aber auch die Gegenwart läßt sich an kleinen ZügenEigenheiten keinen Mangel, die damit verwandt sind. So etwa, daß sie Prachtfeste veranstaltet zur Linderung der Not. Im Namen der Einheit der Nation 49% von ihr vergewaltigen Oder die große Zahl der strengen Menschen, die auf der Durchführung öffentlicher Grundsätze bestehn, von denen sie sich ausgenommen wissen. Auch das Zugeständnis/Scheinzugeständnis/, daß der Zweck die Mittel heilige, gehört daher, denn in Wirklichkeit sind es gewöhnlich die immer bewegten, abwechslungsreichen Mittel, denen zuliebe gewöhnlich die Zwecke in Kauf genommen werden, die moralisch und reizlos sind. Und mögen solche Beispiele noch spielerisch aussehn, so verstummt dieser Einwand vor der unheimlichen Beobachtung, daß zweifellos das zivilisierte Leben zweifellosnur so sehr eine Neigung zu den rohesten Ausbrüchen hemmungsloser Roheit hat, wie wennund daß diese nie so heftig wieroher sind, als wenn sie zu Ehren großer und heiliger, ja sogar zarter Gefühle auftretenerfolgen! Werden sie da als besonders entschuldigt gefühlt?oOder nicht vielmehr am Endewerden sie als etwas gefühlt, das entschuldigen soll?, nämlich ist das Verhältnis nicht vielmehr das umgekehrte?

So läßt sich an kommt man auf vielerlei zusammenhängenden Wegen dahin, daß die Menschen nicht gut, schön u. wahrhaftig sind, sondern es lieber sein wollen, und ahnt, wie sie unter dem leicht=natürlichenanscheinenden einleuchtenden Vorwand, daß das Ideale seiner Natur nach unerreichbar sei, die bänglichereschwere Frage verschleiern, warum es so ist. Und ungefähr so sprach auch U. Ulrich
u. sparte nicht mit Ausfällen gegen Ld. Lindner
u. den Ld Lindner
schen. Gutsinn, die sich daraus von selbst ergaben. Es sei sicher, behauptete er, daß jener zehnmal gewisser vom Einmaleins oder von den Regeln der Sittlichkeit überzeugt sei als von seinem Gott, aber sich, indem er für seine Gottesüberzeugung wirke, dieser Schwierigkeit größtenteils entziehe. In diesem Zustand frage er nicht, ob er seine Vernunft keine Widersprüche hehle, sondern glaube, das heißt, er vermenge das, wovon er überzeugt sein möchte, so geschickt mit seinen Er bringe sich dazu in den Zustand des Glaubens, einer Verfassung, worin das, wovon maner überzeugt sein möchte, so geschickt mit dem vermengt ist, wovon er überzeugt sein kann, daß er es selbst nicht mehr zu trennen vermöge –

/Also Für hängt auch mit Glauben zusammen!/

Hier bemerkte Ag. Agathe
, daß alles Wirken fragwürdig sei. Sie erinnerte sich an die paradoxe Behauptung, daß wirklich und im Innersten gut nur solche Menschen bleiben, die nicht viel Gutes täten. Es schien ihr nun erweitert, und so neuerdings bestätigt, zu sein durch die ihr genehme Möglichkeit, daß der Zustand der Tätigkeit grundsätzlich einedie Verfälschung eines anderen Zustands sei, von dem er ausgehe u. dem er zu dienen vorgebe. U Ulrich
. bejahte es noch einmal. "Auf der einen Seite haben wir nun" wiederholte er es zusammenfassend "die Menschen, die für und – ohne das Wort genau zu nehmen – in etwas leben, die sich sich

Legende
ABC: Streichung ABC: HinzufügungABC: Textvariante : Abkürzung, BegriffserklärungABC: Autorenkommentar
Datierung
Datierungsabschnitt 7-2: Mitte 1933 - März 1934
Schmierblätter: Schm b Tge, Schm Aufb, F+L+H+VB, Schm M-K, Schm Ü, Schm ÜP [Umfang: 415 Seiten]
Übergeordnete Einheit: Datierungsabschnitt 7: Zwischenfortsetzung Band II, Teil 1
Datierungsmethode: Datierungsabschnitt
Objektbeschreibung
Angaben zum Blatt: Kanzleidoppelblatt cremefarben
Maße: 210x341mm
Typ des Blatts
Entwurfsfragment
Tinte schwarz
Entwurfsfragmente sind für die spätere Produktionsphase des "Mann ohne Eigenschaften" typisch (1933-1942). Es handelt sich um Zeugnisse der Umschreibprozeduren, in der Regel in Form unvollständiger Kapitelentwürfe, die keinen fixen Kapiteltitel und keine fixe Kapitelnummer haben; sie sind stark korrigiert und mit Notizen versehen.
Bezug
Der Mann ohne Eigenschaften
Fortsetzung 1933-1936 | Parallelaktion | Warum die Menschen nicht gut, schön und wahrhaftig sind, sondern es lieber sein wollen | Stufe 10
Siglen
SchmMK2_Warum_5
Sigle »Schm M-K«: Schm M-K II Warum … sind … wollen
identisch mit N Bl III 13, N Bl III 14, N Bl III 15, N Bl III 16; N Bl III 17, N Bl III 18 ; Notizen und Entwurfsansätze zum Kapitelprojekt »Warum die Menschen nicht gut, schön und wahrhaftig sind, sondern es lieber sein wollen«; I/4/13, I/4/14, I/4/15, I/4/16, I/4/17, I/4/18
NBl3_17
Sigle »N Bl III«: N Bl III 17
identisch mit Schm M-K II Warum … sind … wollen; Entwurf zum Kapitelprojekt »Warum die Menschen nicht gut, schön oder wahrhaftig sind, sondern es lieber sein wollen«; I/4/17

Signatur: Cod. Ser. n. 15064

11 Blatt, 23 Seiten, 2 Konvolute

Die Mappenbezeichnung bezieht sich auf Pläne zur Fortsetzung des Romans, wie sie sich bis Anfang 1934 herauskristallisieren. Es finden sich Festlegungen von Anfang 1934 zur Verknüpfung des an Band 2/1 anschließenden Ulrich-Agathe-Komplexes mit den anderen Erzählsträngen sowie Studienblätter für einzelne Kapitelprojekte. Den Schwerpunkt bildet ein Kapitelentwurf mit dem Arbeitstitel „Warum ... sind ... wollen“ auf der Basis des Entwurfs „Für-In“ von 1928.

Zitiervorschlag

Robert Musil, Schlussblock : Mappe I/4, ediert von Walter Fanta, in: Musil Online, hrsg. v. RMI/KLA und ÖNB, Klagenfurt und Wien 2021, Version 0.1, März 2022. URL: https://edition.onb.ac.at/musil/o:mus.sn15064-01-04/methods/sdef:TEI/get?mode=p_18

Lizenzhinweis

Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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