beständig regen, die streben, die weben, ackern, säen u. ernten, mit einem Wort die Idealisten, denn alle diese heutigen Idealisten leben doch wohl für ihre Ideale. Und auf der andern Seite befinden sich jene, die in einer Weise in ihren Göttern leben möchten, für die es noch nicht einmal ein Wort gibt –"
"Was ist dieses In?" forderteforschte Ag. Agathe
nachdrücklich.
U. Ulrich
zuckte die Achseln, dann machte
er ein paar Andeutungen. "Vielleicht istMan könnte Für und In mit dem verwandtmit dem in Beziehung bringen, was man Konvex= und Konkaverleben genannt
hat. Vielleicht gehtist die psychoanalytische Legende von der intrauterinen Regression
darauf zurück. Vielleicht ist In die geahnte Herkunft aller Moral von
Gott.BehauptungLegende, daß die Menschenseele in den zärtlich geschützten
intrauterinen Zustand vor der Geburt zurückstrebe, ein Mißverständnis
davondes In, vielleicht auch nicht. Vielleicht ist In die geahnte Herkunft
aller Moral/alles Lebens/ von Gott.
Vielleicht ist die Erklärung aber auch einfach die in der Psychologie
zu finden; denn jeder Affekt trägt den Totalitätsanspruch in sich, allein zu
herrschen und gleichsam das In zu bilden, worin alles andere getaucht sei, kein
Affekt vermag sich aber lange in der Herrschaft zu halten, ohne sich schon dadurch
zu verändern, und so verlangt er geradezu nach widerstrebenden Affekten, sich an
ihnen neu zu beleben, was ein ziemliches Spiegelbild unseres unentbehrlichen Für
ist – Genug , g! Gewiß ist das eine, daß alles gesellige Leben aus dem Für entsteht
und die Menschheit ein Zweckverband ist, scheinbar für etwas zu leben; sie
verteidigt diese Zwecke unerbittlich; was wir heute an politischer Entwicklung
sehen, sind alles Versuche, an die Stelle der verlorenen religiösen Gemeinschaft
andere Für zu bringen, das Für etwas leben des einzelnen Menschen ist mit der
Hausvater= und Göthezeit zurückgeblieben, die bürgerliche Religion der Zukunft
wird sich vielleicht begnügen, die Massen zu einem Glauben zusammenzufassen, wobei
der Inhalt des Glaubens völlig wird fehlen können, um desto mächtiger das
Gleichgerichtetsein werden wird –"
Es war zweifellos, daß U. Ulrich
einer
Entscheidung (der Frage) auswich, denn was kümmerte Agathe die politische
Entwicklung!
beständig regen, die streben, die weben, ackern, säen u. ernten, mit einem Wort die Idealisten, denn alle diese heutigen Idealisten leben doch wohl für ihre Ideale. Und auf der andern Seite befinden sich jene, die in einer Weise in ihren Göttern leben möchten, für die es noch nicht einmal ein Wort gibt –"
"Was ist dieses In?" forderteforschte Ag. Agathe
nachdrücklich.
U. Ulrich
zuckte die Achseln, dann machte
er ein paar Andeutungen. "Vielleicht istMan könnte Für und In mit dem verwandtmit dem in Beziehung bringen, was man Konvex= und Konkaverleben genannt
hat. Vielleicht gehtist die psychoanalytische Legende von der intrauterinen Regression
darauf zurück. Vielleicht ist In die geahnte Herkunft aller Moral von
Gott.BehauptungLegende, daß die Menschenseele in den zärtlich geschützten
intrauterinen Zustand vor der Geburt zurückstrebe, ein Mißverständnis
davondes In, vielleicht auch nicht. Vielleicht ist In die geahnte Herkunft
aller Moral/alles Lebens/ von Gott.
Vielleicht ist die Erklärung aber auch einfach die in der Psychologie
zu finden; denn jeder Affekt trägt den Totalitätsanspruch in sich, allein zu
herrschen und gleichsam das In zu bilden, worin alles andere getaucht sei, kein
Affekt vermag sich aber lange in der Herrschaft zu halten, ohne sich schon dadurch
zu verändern, und so verlangt er geradezu nach widerstrebenden Affekten, sich an
ihnen neu zu beleben, was ein ziemliches Spiegelbild unseres unentbehrlichen Für
ist – Genug , g! Gewiß ist das eine, daß alles gesellige Leben aus dem Für entsteht
und die Menschheit ein Zweckverband ist, scheinbar für etwas zu leben; sie
verteidigt diese Zwecke unerbittlich; was wir heute an politischer Entwicklung
sehen, sind alles Versuche, an die Stelle der verlorenen religiösen Gemeinschaft
andere Für zu bringen, das Für etwas leben des einzelnen Menschen ist mit der
Hausvater= und Göthezeit zurückgeblieben, die bürgerliche Religion der Zukunft
wird sich vielleicht begnügen, die Massen zu einem Glauben zusammenzufassen, wobei
der Inhalt des Glaubens völlig wird fehlen können, um desto mächtiger das
Gleichgerichtetsein werden wird –"
Es war zweifellos, daß U. Ulrich
einer
Entscheidung (der Frage) auswich, denn was kümmerte Agathe die politische
Entwicklung!
Signatur: Cod. Ser. n. 15064
11 Blatt, 23 Seiten, 2 Konvolute
Die Mappenbezeichnung bezieht sich auf Pläne zur Fortsetzung des Romans, wie sie sich bis Anfang 1934 herauskristallisieren. Es finden sich Festlegungen von Anfang 1934 zur Verknüpfung des an Band 2/1 anschließenden Ulrich-Agathe-Komplexes mit den anderen Erzählsträngen sowie Studienblätter für einzelne Kapitelprojekte. Den Schwerpunkt bildet ein Kapitelentwurf mit dem Arbeitstitel „Warum ... sind ... wollen“ auf der Basis des Entwurfs „Für-In“ von 1928.
Robert Musil, Schlussblock : Mappe I/4, ediert von Walter Fanta, in: Musil Online, hrsg. v. RMI/KLA und ÖNB, Klagenfurt und Wien 2021, Version 0.1, März 2022. URL: https://edition.onb.ac.at/musil/o:mus.sn15064-01-04/methods/sdef:TEI/get?mode=p_19
LizenzhinweisWeitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.
Links