"Ja, das Referat 'D' – das war der Deckname für die Vorgänge bei Leinsdorf und Tuzzis – haben sie mir weggenommen, wieals dann auch noch unerwartet der Friedenskongreß aufgekommen ist" berichtete der General. "Aber ich darf sagen, es ist nicht unehrenvoll geschehen" fügte er würdig hinzu.und zeigte sich durchaus bereit, wohlgelaunt weiter zu erzählen. "Der Chef des Generalstabes hat ein eigenes Referat für den Weltfriedenskongreß und alles, was damit zusammenhängt, einrichten lassen, " berichtete er " das direkt der Nachrichtenabteilung ? des Operationsbüros
untersteht: Hohe Politik, ich bitte dich! Nach dem wenigen, was ich davon im Haus noch höre, scheint unser seliges Konzil ja rein ein Idyll gewesen zu sein. Wenn wir früher jeden Tag ein neues Komitee bekommen haben, so entstehen oder verschwinden jetzt sechs am Tag; interministerielle und internationale und Interessent,: das Wort inter soll geradezu ansteckend geworden sein:.uUnd es ist ja auch verständlich, es muß eben einer auf den andern aufpassen, damit ihm nichts entgeht. Und alles meldet sich eben zu Wort; und weil das nicht pazifistisch wäre, darf man niemandem n nein sagen! Schließlich kennen wir das doch, mit unserer langen Erfahrung, und wissen es, wie sich der Geist einer Idee in Argumente und Gegenargumente auflöst; aber der Unterschied ist freilichnoch dazu der, daß jetzt nicht mehr bloß Ixe und Ypsilons mit ihren Wünschen und Anregungen kommen, sondern Staaten und Großmächte. Das einzige, wovor ich mich fürchte, ist bloß,deshalb bloß, daß sie mich noch einmal werden hervor hervorholen müssen wegen meiner alten Sachkenntnis; denn es ist mir tausendmal lieber, wenn ich mit Diotima in bewährter Verehrung nur bespreche, ob man in den Festzug auch eine Gruppe Wiener Schnitzel und Rostbratel aufnehmen soll oder nicht; und sie ist mir auch dankbar dafür, weil sie doch im ganzen sehr viel Terrain verloren hat. ev eventuell : und bei ihr finde ich auch den Dank, der mir schließlich gebührt" "Dafür hat es Tuzzi gewonnen sagst du?" wandte Ulrich zerstreut und nebenläufig ein. "Das natürlich. Aber übermäßig entzückt ist sie, glaube ich, nicht davon. Sie wehrt sich gegen seinen Einfluß" ergänzte Stumm. Er sah nach der Uhr und erhob sich. "Um dir das alles zu erzählen, bin ich eigens hergekommen, und es war also gar nicht nötig, daß du mich wie ein Inquisitor ins Gebet genommen hastzu nehmen; du solltestkönntest wirklich schon wissen, daß ich keine Geheimnisse vor dir keine Geheimnisse hab:.aAber es ist interessant, daß diese Vorgänge doch so fesselnd sind, daß daß du darüber ganz deine hinterhältige Frage vergessen hast, nämlich was ich jetzt eigentlich tue! Schnitzel und Rostbratel ist schließlich doch keine ganz ausreichende dienstliche Beschäftigung für einen General!" "Entschuldige es!" bat Ulrich:. Und wenn du so freundlich sein willst, eröffne mir alsoalso noch die Hintergründe deines Engagements als Meuchelmörder an dem guten Leinsdorf." "Nichts von Meuchelmord!" rief der General lachend aus. "Du erinnerst dich doch, daß die Erlaucht den letzten Kultusminister"Ja, das Referat 'D' – das war der Deckname für die Vorgänge bei Leinsdorf und Tuzzis – haben sie mir weggenommen, wieals dann auch noch unerwartet der Friedenskongreß aufgekommen ist" berichtete der General. "Aber ich darf sagen, es ist nicht unehrenvoll geschehen" fügte er würdig hinzu.und zeigte sich durchaus bereit, wohlgelaunt weiter zu erzählen. "Der Chef des Generalstabes hat ein eigenes Referat für den Weltfriedenskongreß und alles, was damit zusammenhängt, einrichten lassen, " berichtete er " das direkt der Nachrichtenabteilung ? des Operationsbüros
untersteht: Hohe Politik, ich bitte dich! Nach dem wenigen, was ich davon im Haus noch höre, scheint unser seliges Konzil ja rein ein Idyll gewesen zu sein. Wenn wir früher jeden Tag ein neues Komitee bekommen haben, so entstehen oder verschwinden jetzt sechs am Tag; interministerielle und internationale und Interessent,: das Wort inter soll geradezu ansteckend geworden sein:.uUnd es ist ja auch verständlich, es muß eben einer auf den andern aufpassen, damit ihm nichts entgeht. Und alles meldet sich eben zu Wort; und weil das nicht pazifistisch wäre, darf man niemandem n nein sagen! Schließlich kennen wir das doch, mit unserer langen Erfahrung, und wissen es, wie sich der Geist einer Idee in Argumente und Gegenargumente auflöst; aber der Unterschied ist freilichnoch dazu der, daß jetzt nicht mehr bloß Ixe und Ypsilons mit ihren Wünschen und Anregungen kommen, sondern Staaten und Großmächte. Das einzige, wovor ich mich fürchte, ist bloß,deshalb bloß, daß sie mich noch einmal werden hervor hervorholen müssen wegen meiner alten Sachkenntnis; denn es ist mir tausendmal lieber, wenn ich mit Diotima in bewährter Verehrung nur bespreche, ob man in den Festzug auch eine Gruppe Wiener Schnitzel und Rostbratel aufnehmen soll oder nicht; und sie ist mir auch dankbar dafür, weil sie doch im ganzen sehr viel Terrain verloren hat. ev eventuell : und bei ihr finde ich auch den Dank, der mir schließlich gebührt" "Dafür hat es Tuzzi gewonnen sagst du?" wandte Ulrich zerstreut und nebenläufig ein. "Das natürlich. Aber übermäßig entzückt ist sie, glaube ich, nicht davon. Sie wehrt sich gegen seinen Einfluß" ergänzte Stumm. Er sah nach der Uhr und erhob sich. "Um dir das alles zu erzählen, bin ich eigens hergekommen, und es war also gar nicht nötig, daß du mich wie ein Inquisitor ins Gebet genommen hastzu nehmen; du solltestkönntest wirklich schon wissen, daß ich keine Geheimnisse vor dir keine Geheimnisse hab:.aAber es ist interessant, daß diese Vorgänge doch so fesselnd sind, daß daß du darüber ganz deine hinterhältige Frage vergessen hast, nämlich was ich jetzt eigentlich tue! Schnitzel und Rostbratel ist schließlich doch keine ganz ausreichende dienstliche Beschäftigung für einen General!" "Entschuldige es!" bat Ulrich:. Und wenn du so freundlich sein willst, eröffne mir alsoalso noch die Hintergründe deines Engagements als Meuchelmörder an dem guten Leinsdorf." "Nichts von Meuchelmord!" rief der General lachend aus. "Du erinnerst dich doch, daß die Erlaucht den letzten KultusministerSignatur: Cod. Ser. n. 15068
29 Blatt, 67 Seiten, 4 Konvolute
Die Mappe enthält Materialien zur Fortsetzung des ›Mann ohne Eigenschaften‹ nach der Teilveröffentlichung des Zweiten Buchs von 1932. Musil konzentrierte diese Fortsetzung in einer Entwurfsfolge mit der ›Sigle H‹ = ›Handschrift‹ (Fortsetzungshandschrift, Zweite Fassung, H 3 = Mappe I/7). Das daraus stammende Konvolut ›H 401-435‹ ist zusammen mit weiteren ersten Entwürfen von 1933 in die Mappe VII/9 gelangt. Eine Neufassung des Manuskripts (H 425-445) von 1934 aber bildet den Schwerpunkt des vorliegenden ›alten blauen Faszikels‹, in den auch das aktuelle Kapitelverzeichnis der Romanfortführung eingelegt wurde. Dazu kommen drei weitere unfertige Kapitelentwürfe von 1933/1934 aus älteren Kapitelprojekten zur Parallelaktions- und Rahmenerzählung, noch in keine endgültige Kapitelsukzession gereiht. Teils liefern die Entwürfe Vorstufen der Druckfahnenkapitel von Ende 1937, teils bleiben sie außerhalb des später angestrebten Erzählkontinuums.
Robert Musil, Altes blaues Faszikel (a. bl. Fa.) : Mappe I/8, ediert von Walter Fanta, in: Musil Online, hrsg. v. RMI/KLA und ÖNB, Klagenfurt und Wien 2021, Version 0.1, März 2022. URL: https://edition.onb.ac.at/musil/o:mus.sn15068-01-08/methods/sdef:TEI/get?mode=p_30
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