Es darf ... Blge b, 1 gleichzeitig.
Liebhaber kurzer oder gar keiner Betrachtungen werdenNun werden allerdings ungeduldig
erwidern, daßdoch, .. Blge b, 2seiwäre; Geduld, daraus ergeben sich viel größere VerwicklungenWortläufigkeiten! Denn gesetzt, es
wolle dann ungefähr ... Ursache, so weiß man zwar, daß der Ursprung alles Menschlichen Adam u.
Eva sind, aber anderseits hat man nichts davon, denn was ist dannjetzt der Ursprung seiner Verschiedenheiten? An jenem
Abend, der vielerlei Leute versammelte, würde zb. HS. - und
er war nicht der einzige seiner Art, im Gegenteil, es hatte ein leichter Andrang national
gesinnter Männer an die // Abkürzung im Nachlass: //-Aktion | // die ›Große Vaterländische Aktion‹ im
›Mann ohne Eigenschaften‹, die in Wien zum 70-jährigen Regierungsjubiläum
Kaiser Franz Josefs am 2. Dezember 1918 in Konkurrenz zum 30-jährigen
Regierungsjubiläum des deutschen Kaisers Wilhelm II. abgehalten werden soll
und um deren Vorbereitung sich die ›Geschehnisse‹ im Salon von Ermelinda
Tuzzi alias Diotima ranken. [Siehe: Kapitel 1/19]
würde
darauf geantwortet haben: das Verdienst, das heißt, die Menschen seien nach Verdienst
verschieden, ohne allerdings genau angeben zu können, was er darunter verstehe; es war eine
aus Erinnerungen an wirtschaftlicher und
moralischer Prosperität gemischte Vorstellung. Seine Erlaucht Leinsdorf
endlich, die sich auch wirklich
zu dieser Frage, u. zw. Ulrich Ulrich
gegenüber, mit
einigen Worten äußerte, meinte: "Einen 'Ursprung' haben überhaupt nur /höchstens/ alte adelige
Familien, wenn sie durch fünf, sechs Jahrhunderte in gerader Linie auf einen bestimmten Mann
zurückgehen und dazwischen sich ihrem Stand entsprechend gehalten haben. Wozu brauchen die
Bürgerlichen plötzlich einen Ursprung? Bisher haben sie sich darüber aufgehalten, daß wir von
einem Kämmerer 16 adelige Ahnen verlangen, daß es eine Arroganz sein soll, und jetzt leiten
sie sich selbst von den Germanen und Urslawen ab. Da muß ich schon sagen, was mehr als 16 ist,
halte ich einfach für einen Snobismus!"
Seine Erl. war gereizt. Alle waren an diesem Abend gereizt.
Seine Erl. war gereizt durch das Eindringen .. 3 Grad hatte dulden
müssen. Es widersprach seiner Konzeption, daß zu einem einheitlichen Staat ein einheitliches
Staatsvolk gehöre, zu einer Doppelmonarchie also höchstens 2, Österreicher u Magyaren. Die Neugekommenen waren gereizt, teils weil sie in den Vorgängen der letzten
Zeit einen panslawigermanistischen Vorstoß witterten,
teils weil sie darin eine panslawistischen witterten.AbervVerschiedene politische u gesellschaftliche Rücksichten hatten ihn Gf
L Leinsdorf
dazu gezwungen, mit denden Kreis der Einladungen in dieser Richtungtrotzdem auszudehnen. "Es schade doch nichts" hatten
ihm seine politischen Freunde geraten, wer nimmt denn das ernst, was einer in einer Rede sagt;
heute ist nun einmal modern, daß man nicht mehr von Humanität und solchen ausländischen
Revolutionstugendenbegriffen spricht, wenn man die Kuh handelt, sondern von ihrer Rasse!" Aber
Graf Leinsdorf Leinsdorf
war ein Mann von schwer zu
beugenden Grundsätzen, und was er im Vorbeigehn an Gesprächen an diesem Abend hören mußte,
ärgerte ihn sehr.
Und wie gewöhnlich hatte Se Erlaucht Leinsdorf
recht, aber dazu muß doch noch einmal auf die Ursprünge und Ursachen zurückgegriffen
werden.
Es darf ... Blge b, 1 gleichzeitig.
Liebhaber kurzer oder gar keiner Betrachtungen werdenNun werden allerdings ungeduldig
erwidern, daßdoch, .. Blge b, 2seiwäre; Geduld, daraus ergeben sich viel größere VerwicklungenWortläufigkeiten! Denn gesetzt, es
wolle dann ungefähr ... Ursache, so weiß man zwar, daß der Ursprung alles Menschlichen Adam u.
Eva sind, aber anderseits hat man nichts davon, denn was ist dannjetzt der Ursprung seiner Verschiedenheiten? An jenem
Abend, der vielerlei Leute versammelte, würde zb. HS. - und
er war nicht der einzige seiner Art, im Gegenteil, es hatte ein leichter Andrang national
gesinnter Männer an die // Abkürzung im Nachlass: //-Aktion | // die ›Große Vaterländische Aktion‹ im
›Mann ohne Eigenschaften‹, die in Wien zum 70-jährigen Regierungsjubiläum
Kaiser Franz Josefs am 2. Dezember 1918 in Konkurrenz zum 30-jährigen
Regierungsjubiläum des deutschen Kaisers Wilhelm II. abgehalten werden soll
und um deren Vorbereitung sich die ›Geschehnisse‹ im Salon von Ermelinda
Tuzzi alias Diotima ranken. [Siehe: Kapitel 1/19]
würde
darauf geantwortet haben: das Verdienst, das heißt, die Menschen seien nach Verdienst
verschieden, ohne allerdings genau angeben zu können, was er darunter verstehe; es war eine
aus Erinnerungen an wirtschaftlicher und
moralischer Prosperität gemischte Vorstellung. Seine Erlaucht Leinsdorf
endlich, die sich auch wirklich
zu dieser Frage, u. zw. Ulrich Ulrich
gegenüber, mit
einigen Worten äußerte, meinte: "Einen 'Ursprung' haben überhaupt nur /höchstens/ alte adelige
Familien, wenn sie durch fünf, sechs Jahrhunderte in gerader Linie auf einen bestimmten Mann
zurückgehen und dazwischen sich ihrem Stand entsprechend gehalten haben. Wozu brauchen die
Bürgerlichen plötzlich einen Ursprung? Bisher haben sie sich darüber aufgehalten, daß wir von
einem Kämmerer 16 adelige Ahnen verlangen, daß es eine Arroganz sein soll, und jetzt leiten
sie sich selbst von den Germanen und Urslawen ab. Da muß ich schon sagen, was mehr als 16 ist,
halte ich einfach für einen Snobismus!"
Seine Erl. war gereizt. Alle waren an diesem Abend gereizt.
Seine Erl. war gereizt durch das Eindringen .. 3 Grad hatte dulden
müssen. Es widersprach seiner Konzeption, daß zu einem einheitlichen Staat ein einheitliches
Staatsvolk gehöre, zu einer Doppelmonarchie also höchstens 2, Österreicher u Magyaren. Die Neugekommenen waren gereizt, teils weil sie in den Vorgängen der letzten
Zeit einen panslawigermanistischen Vorstoß witterten,
teils weil sie darin eine panslawistischen witterten.AbervVerschiedene politische u gesellschaftliche Rücksichten hatten ihn Gf
L Leinsdorf
dazu gezwungen, mit denden Kreis der Einladungen in dieser Richtungtrotzdem auszudehnen. "Es schade doch nichts" hatten
ihm seine politischen Freunde geraten, wer nimmt denn das ernst, was einer in einer Rede sagt;
heute ist nun einmal modern, daß man nicht mehr von Humanität und solchen ausländischen
Revolutionstugendenbegriffen spricht, wenn man die Kuh handelt, sondern von ihrer Rasse!" Aber
Graf Leinsdorf Leinsdorf
war ein Mann von schwer zu
beugenden Grundsätzen, und was er im Vorbeigehn an Gesprächen an diesem Abend hören mußte,
ärgerte ihn sehr.
Und wie gewöhnlich hatte Se Erlaucht Leinsdorf
recht, aber dazu muß doch noch einmal auf die Ursprünge und Ursachen zurückgegriffen
werden.
Signatur: Cod. Ser. n. 15110
2 Konvolute (davon 1 mit Umschlag); 35 Blätter; 77 beschriebene Seiten; 6 Zeitungsausschnitte
Die Bezeichnung »Mappe Schreibtisch zuletzt (Diotima, Arnheim)« bezieht sich auf Musils Arbeitssituation am Mann ohne Eigenschaften im Sommer 1932. Offenbar hatte er die Manuskripte in ihr belassen, als er im September 1932 seinen Arbeitsurlaub in dem Ostseebadeort Brunshaupten abbrach, um nach Berlin zurück zu kehren. Der Schreibprozess, den der Mappeninhalt im Ausschnitt dokumentiert, nämlich die Niederschrift von Band 2/1 des Mann ohne Eigenschaften, war zu diesem Zeitpunkt praktisch abgeschlossen. Vorstufen finden sich in Form von Entwürfen aus den zwanziger Jahren, kapitelübergreifenden Planungsnotizen und Schmierblättern zu verschiedenen Kapiteln, die primär nicht dem Ulrich-Agathe-Komplex angehören; so auch das Exzerpt »Diotima-Lazarsfeld«, Musil hatte bereits im Frühsommer 1931 ein Buch der Sexualforscherin Sophie Lazarsfeld für Kapitel 2/17 des Romans exzerpiert. Die Materialien reichen inhaltlich über das Ende von Band 2/1 hinaus und umfassen auch Vorstufen zum Nationen-Kapitel, das 1932 noch einen Bestandteil der Sitzungs-Kapitel (Kapitel 2/35-38) bildete.
Robert Musil, Schreibtisch zuletzt D-Ah (Diotima, Arnheim) : Mappe VII/14, ediert von Walter Fanta, in: Musil Online, hrsg. v. RMI/KLA und ÖNB, Klagenfurt und Wien 2021, Version 0.1, März 2022. URL: https://edition.onb.ac.at/musil/o:mus.sn15110-07-14/methods/sdef:TEI/get?mode=p_29
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