Besitz und Bildung. Undankbarerweise nannten die andern das
Germanisierung.Wenn man durch die Straßen von B. B Abkürzung im Nachlass: Kknien | Kknier | kk; Bezeichnung für die
österreichisch-ungarische Monarchie im ›Mann ohne Eigenschaften‹ [siehe
Kapitel I/8]
ging,
konnte man das daran erkennen, daß die erhalten gebliebenen schönen
baulichen Zeugnisse der Renaissance, ja der GotikVergangenheit, von denen es zum Stolz einige gab, zum Stolz
der wohlhabenden Bürger zwischen vielen Zeugnissen der Neuzeit standen, die sich
nicht bloß damit begnügten mußten, gotisch, Renaissance oder
Barock zu sein, sondern von der Möglichkeit Gebrauch machten, alles zugleich zu
haben. Unter den großen Städten Kkniens.
eine der reichsten und
drückte das auch baulich aus, so daß , schon aus der Ferne gesehn
selbst die Umgebung, dort wo sie waldig und romantisch war, die
roten Türmchen, schieferblauen Zackendächer und
schußschartenähnlichen Mauerkränze wohlhabender Villen
abbekam. "Und welche Umgebung!" dachte u. sagte U. Ulrich
, heimatfeindlich=angeheimelt. Dieses B. B
lag in der Gabel zweier Flüsse, aber das war eine sehr
weite weite u. lockere Gabel, u. die Flüsse waren auch nicht so
recht Flüsse, sondern an machen Stellen waren es breite, gemäßigte Bäche, u.
wieder an anderen waren es stehende Wasser, die dennoch insgeheim flossen. Auch
die Landschaft war ja nicht einfach, sondern bestand, sah man von dem zuerst
bedachten Bauernland ab, noch aus drei weiteren Teilen. Auf der einen Seite eine
weite, sich sehnsüchtig eröffnende Ebene, die an manchen Abenden von zarten
Silber= und Orangefarben überhaucht war; auf der anderen buschiges, wipfliges,
treudeutsches Waldhügelland (aber gerade das war nicht die deutsche Seite), von
nahem Grün in fernes Blau führend; auf der dritten eine heroische, nazarenisch
karge Landschaft von fast großartiger Eintönigkeit, mitSteinbuchen, graugrünen, von Schafen beweideten Hügelkuppen u. braunen
Ackerbreiten, über denendie etwas murmlag wie das murmelnde Singen des Tischgebets der Bauern über sich
hatten, das aus niedrigen Fenstern dringt.
Also ließe sich zwar rühmen, daß diese traulich=kakanische Gegend, in
deren Mitte die Stadt B. B
lag, sowohl bergig
wieals auch eben, sowohlnicht weniger waldig wieals.. als auch .. sonnig und sowohlebenso heldisch .. nicht weniger heldisch als
.. wie demütig großartig war, aber es fehlte doch wohl überall
daran ein wenig, so daß sie im ganzen weder so noch so ,
dafür aber gerade dadurch eine überaus traulich kakanische Landschaft
wardarstellte.war. Es ließ sich denn auch niemals entscheiden, ob die Bewohner dieser
Stadt sie schön oder häßlich fanden. Sagte man zu einem von ihnen, B. B
sei häßlich, so antwortete er bestimmt: "Aber
schauen Sie, der rRote Berg, er ist doch
rechtganz hübsch, und gar der schwarzeGelbe Berg .. und die Schwarzen Felder ..!" u. schon, wenn
er soallein diese sinnlichen Namen
aufzählte, mußte man zugeben, daß sich die Landschaft schonwohl hören lassenkönne. Sagte man aber gleich, sie sei schön, so
lachte ein gebildeter B B
'er. und erzählte
einem, daß er soeben ausvon der Schweiz zurückkäme oder von Trouvilleaus den Pyrenäenoder aus Singapore und daß B. B
ein armes Nest sei, das sich nicht
einmal mit nichtsden Vergleich mit Braunschweig vergleichen lasse.Bukarest aushalte. Aber auch das
Besitz und Bildung. Undankbarerweise nannten die andern das
Germanisierung.Wenn man durch die Straßen von B. B Abkürzung im Nachlass: Kknien | Kknier | kk; Bezeichnung für die
österreichisch-ungarische Monarchie im ›Mann ohne Eigenschaften‹ [siehe
Kapitel I/8]
ging,
konnte man das daran erkennen, daß die erhalten gebliebenen schönen
baulichen Zeugnisse der Renaissance, ja der GotikVergangenheit, von denen es zum Stolz einige gab, zum Stolz
der wohlhabenden Bürger zwischen vielen Zeugnissen der Neuzeit standen, die sich
nicht bloß damit begnügten mußten, gotisch, Renaissance oder
Barock zu sein, sondern von der Möglichkeit Gebrauch machten, alles zugleich zu
haben. Unter den großen Städten Kkniens.
eine der reichsten und
drückte das auch baulich aus, so daß , schon aus der Ferne gesehn
selbst die Umgebung, dort wo sie waldig und romantisch war, die
roten Türmchen, schieferblauen Zackendächer und
schußschartenähnlichen Mauerkränze wohlhabender Villen
abbekam. "Und welche Umgebung!" dachte u. sagte U. Ulrich
, heimatfeindlich=angeheimelt. Dieses B. B
lag in der Gabel zweier Flüsse, aber das war eine sehr
weite weite u. lockere Gabel, u. die Flüsse waren auch nicht so
recht Flüsse, sondern an machen Stellen waren es breite, gemäßigte Bäche, u.
wieder an anderen waren es stehende Wasser, die dennoch insgeheim flossen. Auch
die Landschaft war ja nicht einfach, sondern bestand, sah man von dem zuerst
bedachten Bauernland ab, noch aus drei weiteren Teilen. Auf der einen Seite eine
weite, sich sehnsüchtig eröffnende Ebene, die an manchen Abenden von zarten
Silber= und Orangefarben überhaucht war; auf der anderen buschiges, wipfliges,
treudeutsches Waldhügelland (aber gerade das war nicht die deutsche Seite), von
nahem Grün in fernes Blau führend; auf der dritten eine heroische, nazarenisch
karge Landschaft von fast großartiger Eintönigkeit, mitSteinbuchen, graugrünen, von Schafen beweideten Hügelkuppen u. braunen
Ackerbreiten, über denendie etwas murmlag wie das murmelnde Singen des Tischgebets der Bauern über sich
hatten, das aus niedrigen Fenstern dringt.
Also ließe sich zwar rühmen, daß diese traulich=kakanische Gegend, in
deren Mitte die Stadt B. B
lag, sowohl bergig
wieals auch eben, sowohlnicht weniger waldig wieals.. als auch .. sonnig und sowohlebenso heldisch .. nicht weniger heldisch als
.. wie demütig großartig war, aber es fehlte doch wohl überall
daran ein wenig, so daß sie im ganzen weder so noch so ,
dafür aber gerade dadurch eine überaus traulich kakanische Landschaft
wardarstellte.war. Es ließ sich denn auch niemals entscheiden, ob die Bewohner dieser
Stadt sie schön oder häßlich fanden. Sagte man zu einem von ihnen, B. B
sei häßlich, so antwortete er bestimmt: "Aber
schauen Sie, der rRote Berg, er ist doch
rechtganz hübsch, und gar der schwarzeGelbe Berg .. und die Schwarzen Felder ..!" u. schon, wenn
er soallein diese sinnlichen Namen
aufzählte, mußte man zugeben, daß sich die Landschaft schonwohl hören lassenkönne. Sagte man aber gleich, sie sei schön, so
lachte ein gebildeter B B
'er. und erzählte
einem, daß er soeben ausvon der Schweiz zurückkäme oder von Trouvilleaus den Pyrenäenoder aus Singapore und daß B. B
ein armes Nest sei, das sich nicht
einmal mit nichtsden Vergleich mit Braunschweig vergleichen lasse.Bukarest aushalte. Aber auch das
Signatur: Cod. Ser. n. 15068
29 Blatt, 67 Seiten, 4 Konvolute
Die Mappe enthält Materialien zur Fortsetzung des ›Mann ohne Eigenschaften‹ nach der Teilveröffentlichung des Zweiten Buchs von 1932. Musil konzentrierte diese Fortsetzung in einer Entwurfsfolge mit der ›Sigle H‹ = ›Handschrift‹ (Fortsetzungshandschrift, Zweite Fassung, H 3 = Mappe I/7). Das daraus stammende Konvolut ›H 401-435‹ ist zusammen mit weiteren ersten Entwürfen von 1933 in die Mappe VII/9 gelangt. Eine Neufassung des Manuskripts (H 425-445) von 1934 aber bildet den Schwerpunkt des vorliegenden ›alten blauen Faszikels‹, in den auch das aktuelle Kapitelverzeichnis der Romanfortführung eingelegt wurde. Dazu kommen drei weitere unfertige Kapitelentwürfe von 1933/1934 aus älteren Kapitelprojekten zur Parallelaktions- und Rahmenerzählung, noch in keine endgültige Kapitelsukzession gereiht. Teils liefern die Entwürfe Vorstufen der Druckfahnenkapitel von Ende 1937, teils bleiben sie außerhalb des später angestrebten Erzählkontinuums.
Robert Musil, Altes blaues Faszikel (a. bl. Fa.) : Mappe I/8, ediert von Walter Fanta, in: Musil Online, hrsg. v. RMI/KLA und ÖNB, Klagenfurt und Wien 2021, Version 0.1, März 2022. URL: https://edition.onb.ac.at/musil/o:mus.sn15068-01-08/methods/sdef:TEI/get?mode=p_7
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