Kastanienblüten in einer Öl-Lache
Ich traf eine Frau, die sagte, sie habe mich
vor zehn Jahren, sehr dünn, mit einer
schönen Samthose gesehen, und wir hätten
auch miteinander geredet. Es war eine
Frau, die schon überall gewesen war (und
überall mit den Einheimischen zusammen ge-
wesen war) und alles getan hatte (auch
Bücher geschrieben – womit sie Skripts für
Filme meinte). Jetzt war sie hier, um "Kon-
takte aufzunehmen""für einen Jungen, den
sie schon lange kennt". Sie lebt auf dem
Land, mit einem "Physiker" und einem "Sozio-
logen" zusammen; sie haben eine Henne; ich
wollte plötzlich , mit ihr zusammen, im Cafèé,
einen Schnaps trinken, und sie wollte Salat
einkaufen gehen, oder eine Avocado. Sie
hatte leider den Beteuerungsfimmel, im-
mer zu sagen, was sie alles getan hätte,
täte und tun wolle; als ich sie fragte, ob sie nicht vielleicht
"faul" herumlungere wäreherumlungere, war sie wie entrüstet, und
ich sagte ihr, daß es schade sei, wie viele,
oft auch durch Not, untätige Leute immer
sogleich und unablässig ihre tausend Be-
schäftigungen erwähnten, und erzählte ihr die
Geschichte mit R. Mitchum Mitchum, Robert
und seinem
Schwimmbecken, und daß ich es auch vor-
ziehen würde, auf alle Fragen, was ich ge-
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Kastanienblüten in einer Öl-Lache​
Ich traf eine Frau, die sagte, sie habe mich vor zehn Jahren, sehr dünn, mit einer schönen Samthose gesehen, und wir hätten auch miteinander geredet. Es war eine Frau, die schon überall gewesen war (und überall mit den Einheimischen zusammen gewesen war) und alles getan hatte (auch Bücher geschrieben – womit sie Skripts für Filme meinte). Jetzt war sie hier, um "Kontakte aufzunehmen", "für einen Jungen, den sie schon lange kennt". Sie lebt auf dem Land, mit einem "Physiker" und einem "Soziologen" zusammen; sie haben eine Henne; ich wollte plötzlich einen Schnaps trinken, und sie wollte Salat einkaufen gehen, oder eine Avocado. Sie hatte leider den Beteuerungsfimmel, immer zu sagen, was sie alles getan hätte, täte und tun wolle; als ich sie fragte, ob sie nicht vielleicht "faul" wäre, herumlungere, war sie wie entrüstet, und ich sagte ihr, daß es schade sei, wie viele, oft auch durch Not, untätige Leute sogleich und unablässig ihre tausend Beschäftigungen erwähnten, und erzählte ihr die Geschichte mit R. Mitchum Mitchum, Robert
und seinem Schwimmbecken, und daß ich es auch vorziehen würde, auf alle Fragen, was ich ge- ​

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Kastanienblüten in einer Öl-Lache
Ich traf eine Frau, die sagte, sie habe mich
vor zehn Jahren, sehr dünn, mit einer
schönen Samthose gesehen, und wir hätten
auch miteinander geredet. Es war eine
Frau, die schon überall gewesen war (und
überall mit den Einheimischen zusammen ge-
wesen war) und alles getan hatte (auch
Bücher geschrieben – womit sie Skripts für
Filme meinte). Jetzt war sie hier, um "Kon-
takte aufzunehmen""für einen Jungen, den
sie schon lange kennt". Sie lebt auf dem
Land, mit einem "Physiker" und einem "Sozio-
logen" zusammen; sie haben eine Henne; ich
wollte plötzlich , mit ihr zusammen, im Cafèé,
einen Schnaps trinken, und sie wollte Salat
einkaufen gehen, oder eine Avocado. Sie
hatte leider den Beteuerungsfimmel, im-
mer zu sagen, was sie alles getan hätte,
täte und tun wolle; als ich sie fragte, ob sie nicht vielleicht
"faul" herumlungere wäreherumlungere, war sie wie entrüstet, und
ich sagte ihr, daß es schade sei, wie viele,
oft auch durch Not, untätige Leute immer
sogleich und unablässig ihre tausend Be-
schäftigungen erwähnten, und erzählte ihr die
Geschichte mit R. Mitchum Mitchum, Robert
und seinem
Schwimmbecken, und daß ich es auch vor-
ziehen würde, auf alle Fragen, was ich ge-
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Ich traf eine Frau, die sagte, sie habe mich vor zehn Jahren, sehr dünn, mit einer schönen Samthose gesehen, und wir hätten auch miteinander geredet. Es war eine Frau, die schon überall gewesen war (und überall mit den Einheimischen zusammen gewesen war) und alles getan hatte (auch Bücher geschrieben – womit sie Skripts für Filme meinte). Jetzt war sie hier, um "Kontakte aufzunehmen", "für einen Jungen, den sie schon lange kennt". Sie lebt auf dem Land, mit einem "Physiker" und einem "Soziologen" zusammen; sie haben eine Henne; ich wollte plötzlich einen Schnaps trinken, und sie wollte Salat einkaufen gehen, oder eine Avocado. Sie hatte leider den Beteuerungsfimmel, immer zu sagen, was sie alles getan hätte, täte und tun wolle; als ich sie fragte, ob sie nicht vielleicht "faul" wäre, herumlungere, war sie wie entrüstet, und ich sagte ihr, daß es schade sei, wie viele, oft auch durch Not, untätige Leute sogleich und unablässig ihre tausend Beschäftigungen erwähnten, und erzählte ihr die Geschichte mit R. Mitchum Mitchum, Robert
und seinem Schwimmbecken, und daß ich es auch vorziehen würde, auf alle Fragen, was ich ge- ​

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Zitiervorschlag

Handke, Peter: Notizbuch 16.04.1976-08.05.1976 (NB 004). Hg. von Johanna Eigner und Katharina Pektor. In: Ders.: Notizbücher. Digitale Edition. Hg. von Katharina Pektor, Ulrich von Bülow und Bernhard Fetz. Deutsches Literaturarchiv Marbach und Österreichische Nationalbibliothek, Wien: Release 14.06.2024. Seite 82. URL: https://edition.onb.ac.at/fedora/objects/o:hnb.nb.197604-197605/methods/sdef:TEI/get?mode=p_82. Online abgerufen: 21.11.2024.

Transkription und Übersetzung fremdsprachiger oder stenographierter Textstellen

Ioannis Fykias (Altgriechisch), Ana Grigalashvili (Georgisch), Angelika Kolesnikow (Russisch), Anna Montané Forasté (Spanisch), Helmut Moysich (Italienisch, Französisch), Martin Springinklee (Steno), Dominik Srienc (Slowenisch) und Dorothea Weber (Latein).

Lizenzhinweis

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