Notizbuch 30.12.1976-09.04.1977 (NB 011) enthält Aufzeichnungen, die während Peter Handkes USA-Aufenthalt über den Jahreswechsel 1976/77 und nach seiner Rückkehr nach Clamart entstanden sind. Das letzte Drittel der Notizen befasst sich mit der Verfilmung seiner Erzählung Die linkshändige Frau, bei der er Regie führte. Die Aufzeichnungszeiträume von NB 011 und NB 009 überlappen sich in geringem Maße – in beiden Notizbüchern findet man auf den 10. Jänner 1977 datierte Notizen (NB 009, ES. 74f.; NB 011, ES. 23). Mitten in den Aufzeichnungszeitraum von NB 011 fällt eine Israel-Reise Ende Februar 1977, die Handke separat in NB 010 dokumentierte. Weil dieses aber eine einzelne Notiz aus Dezember 1976 enthält, wurde es NB 011 vorgereiht. Nach seiner Rückkehr aus Israel kehrt Handke auch in den Notizen wieder zu NB 011 zurück.
Material
Das Notizbuch (Format 13,2 x 10,2 cm) befindet sich im Original am Deutschen Literaturarchiv Marbach und in Kopie in der Sammlung Peter Handke/Leihgabe Widrich am Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek Wien. Auf dem grauen Kartonumschlag klebt ein Papierstreifen mit eh. Datierung ("Dez 76 – März 77"). Der Aufdruck auf dem Umschlag zeigt eine dunkelgrau-schwarze Grafik des Royal Pavilion in Brighton mit im Stil des 19. Jahrhunderts gekleideten Passant*innen im Vordergrund. Im oberen Bereich des Covers sind Reste des Aufdrucks "THE PAVILLION [sic]" zu erkennen; die Buchstaben wurden (vermutlich von Handke) mit rotem Stift nachgezogen. Die Grafik ist verwittert, wie das Notizbuch insgesamt in einem stark abgenutzten Zustand ist: Die Klebebindung hat sich aufgelöst, sodass die 128 unlinierten Blätter nun mit Ausnahme des ersten und letzten Blattes, die noch mit dem vorderen und hinteren Vorsatz verbunden sind, lose im Umschlag liegen. Von einem der Notizbuchblätter ist nur ein schmaler Streifen übrig; die Textfragmente, die darauf noch zu sehen sind, lassen sich nicht mehr entziffern (vgl. ES. 130f.). Auf das vordere Vorsatz notierte Handke diverse Kontaktadressen und den Vermerk: "30.12.1976, begonnen im Trailways Bus von Denver nach Colorado Springs" (ES. 2f.). Das hintere Vorsatz besteht wie das vordere aus 3 roten Seiten; Handke notierte dort Daten vom Cover einer Vivaldi-LP, u.a. den Namen des Dirigenten Heinz Holliger.
Die durcheinandergeratene Ordnung der losen Blätter wurde mit der Digitalisierung des Notizbuchs im DLA dokumentiert; für die HNB-DE wurden die Seiten wieder in eine semantisch sinnvolle Reihenfolgte gebracht. Da lediglich sieben Seiten (ES. 5-11) des Notizbuchs eine eh. Paginierung aufweisen, die Einträge nicht konsequent von Handke datiert wurden und viele Stiftwechsel erfolgten, ist eine Rekonstruktion der ursprünglichen Abfolge mit letztgültiger Sicherheit nicht mehr möglich. Dies gilt vor allem für die zweite Notizbuchhälfte, wo Handke (überwiegend undatierte) Ideen für die Dreharbeiten von Die linkshändige Frau notierte (ES. 88ff.). Denkbar wäre auch, dass einzelne Seiten fehlen. Eine Datierung auf ES. 93 fällt aus der für die Neuordnung der Seiten rekonstruierten Chronologie heraus, bezieht sich allerdings nur auf eine Zeichnung, die möglicherweise seine Tochter Amina oder ein anderes Kind angefertigt hat.
Aufenthaltsorte
Handke flog am 29. Dezember 1976 vom JFK-Airport aus nach Denver, Colorado (vgl. NB 009, ES. 68); auf diesen Tag datieren die letzten Einträge in NB 009, ab dem 30. Dezember verwendete er NB 011. Handke dürfte in Colorado Springs übernachtet haben, jedenfalls hielt er sich dort noch am 31. Dezember tagsüber auf; den Silvesterabend könnte er dann in einem Hotel in Denver verbracht haben. – Diese Aufenthaltsorte legen jedenfalls zwei Postkarten nahe: Aus Colorado Springs schrieb Handke am 31. Dezember 1976 eine Karte an Alfred Kolleritsch: "Lieber Fredy, ich bin gerade in einem unmöglich schönen Ort in den Rocky Mountains, bin zwei Stunden zu Fuß in die Berge gegangen und habe mich jetzt am Straßenrand in den Staubschnee gesetzt und schaue in die Hochebene von Colorado Springs hinunter, die so weit geht, wie eine Ebene nur gehen kann. Die Sonne ist sehr warm, ich habe beim Gehen schon Mantel und Rock ausgezogen, am liebsten würde ich barfuß gehen oder ganz ohne was. Die Luft ist sehr dünn und macht einen unbestimmt geil (2500 m). Es ist mehr als das Paradies, jedenfalls heute, ½ 12: man braucht nichts." (Handke / Kolleritsch 2008, S. 101). Aus Clamart sandte Handke am 17. Jänner 1977 eine Postkarte an Nicolas Born, wo er schreibt: "Ich war zu Silvester in Denver, Colorado, und habe heroisch aus dem Hotelfenster geschaut." (Born / Handke 2005, hier S. 17). Auch Siegfried Unseld erhielt Post. Am 1. Jänner 1977 schrieb Handke auf einer Ansichtskarte mit dem Motiv "Unique Lobby of the famous Brown Palace Hotel Denver Colorado": "[...] kaum kam ich in die bis dahin schneelosen Rocky Mountains, fing es zu schneien an, und es war der schönste, weichste und leichteste Schnee, den ich je erlebt habe." (Handke / Unseld 2012, S. 313). Am 2. Jänner trat Handke die Rückreise nach Europa an. Er flog nach Frankfurt am Main (vgl. Handke / Unseld 2012, S. 313, Anm. 1), um am 8. Jänner beim 25-jährigen Arbeitsjubiläum von Siegfried Unseld teilzunehmen (vgl. ebd., S. 314, Anm. 1), im vorliegenden Notizbuch finden sich darauf jedoch keinerlei Hinweise.
Nach dem 10. Jänner dürfte sich Handke mit seiner Tochter Amina wieder in Clamart aufgehalten haben, wo er sich anscheinend nicht sehr wohl fühlte: "Noch nie wie hier: daß die Angst von allen Seiten zum Haus hereinschwillt, ruckartig" (ES. 24). Mit wenigen Ausnahmen datierte Handke die Notizen bis zum 19. Februar (ES. 62) regelmäßig; an diesem Tag brach er begleitet von seiner Tochter zu der eineinhalbwöchigen Reise nach Israel auf, die in NB 010 dokumentiert ist. Nach seiner Rückkehr nach Clamart am 27. Februar verwendet er wieder NB 011 (ES. 63). Die nun folgenden Eintragungen sind bis ES. 87 mit wenigen Ausnahmen durchgehend datiert (bis 29. März bzw. 1. April; auf ES. 88 steht außerdem ein Eintrag vom 9. April), danach vermerkt Handke keine Daten mehr, weswegen unklar ist, wie lange er NB 011 in Verwendung hatte: Wahrscheinlich sind sämtliche Notizen ab ES. 88 während der Dreharbeiten zu Die linkshändige Frau entstanden (ES. 90-128); der Dreh begann am 15. März (vgl. Born / Handke 2005, S. 18) und dauerte bis Ende April: Am 4. Mai schrieb Handke an Nicolas Born: "Mit dem Film bin ich seit einer guten Woche fertig." (Ebd., S. 19). Der Aufzeichnungszeitraum des Folgenotizbuchs NB 012 beginnt erst am "23. Mai 1977" (NB 012, ES. 4), es gibt also eine zeitliche Lücke von mehreren Wochen.
Themen
Handke beginnt seine Aufzeichnungen in NB 011 auf der Reise nach Colorado zum Jahreswechsel 1976/77, genauer während der Fahrt "im Trailways Bus von Denver nach Colorado Springs" (ES. 2f.) – die Einträge knüpfen unmittelbar an jene von NB 009 an. Diese Reisenotizen fallen durch ihre Länge und ihre Form auf: Sie gehen meist über mehrere Seiten und Handke scheint in ihnen möglichst unmittelbar alle Wahrnehmungen und Gedanken verzeichnen zu wollen, wie sie sich ihm auf der Fahrt ergeben (vgl. z.B. diesen Ausschnitt auf ES. 6f. aus einem Eintrag, der über mehrere Seiten geht: "verschütteter weißer Kaffee im Bus, Xmas, weit weg geht ein Pferd, dunkel, dann ein Pferd, das im Schnee grast, ein Pferd steht da, ein Bein vors andre gestellt, Wildlederhüte, von Frauen getragen, Wege, aber nirgends Fußspuren! SCHOOL BUS: Douglas County School Bus, gelb mit schwarzen Längsstreifen, steht leer vor einem kleinen Wohnhaus, GENERAL STORE, seltsam manchmal das Schild: CAUTION, PEDESTRIANS; hölzerne Hütte, im Vorbau Schaukelstuhl, jetzt schon richtige Schneelandschaft, der volle Bus in der leeren Landschaft, ein richtiger Straßengraben jetzt, schimmerndes Eis unter der Eisenbahnbrücke, pale sun, braune Büffelherde, gehend, einer steht mit gespreizten Hinterbeinen, mein Gefühl, etwas zu wollen, 'wirklich' zu wollen, PALMER LAKE, Country Garage, Italian Ravioli, Sorgers Holzhaus im Kiefernwald, vor einem Felsen, Wege, die im Bogen auf die Ranchen zuführen, Felsblöcke wie Burgen auf den Hügeln, Landschaft jetzt ohne Schnee: als ob es da nichts mehr zu sehen gäbe").
Hatte die USA-Reise Handke auch zeitweise aus seiner Bedrückung herausgeholfen, so stellten sich nach seiner Rückkehr rasch wieder alte Ängste ein. Bereits am 10. Jänner 1977 notierte er: "Angst: kein Zustand, sondern ein unablässiges Sich-Ereignen, eine sich ununterbrochen ereignende Unerträglichkeit" (ES. 23), und zwei Tage später ist zu lesen: "Immer noch aufwachen mit der schweren Fremdheit auf der Brust" (ES. 26). Wie schon in den früheren Notizbüchern thematisiert Handke sein Alleinsein: "Plötzlich fiel mir an mir das Alleinsein auf wie eine Schande, wie eine Widernatürlichkeit" (ES. 30). Ende März hellt sich seine Stimmung auf, jedoch nur sporadisch, Handkes Gemütslage ist volatil, wovon etwa die folgenden Notizen vom 24. und 27. März zeugen, die auf derselben Seite notiert sind: "Gestern Nacht: Im Glückszustand jeden Ortssinn verloren; nicht Allmachtsgefühl, sondern All-Gefühl" (ES. 86); "[n]eue Energie durch Traurigkeit"; "[i]n meiner Verbitterung gegen alles sehe ich im vorbeifahrenden Zug jemanden Zeitung lesen und denke: 'Was gibts denn da zu lesen?'" (Ebd.). Wie bereits in früheren Notizbüchern beschäftigte Handke sein Verhältnis zu anderen bzw. generell, gesellschaftliche Zusammenhänge, soziale Verhaltensweisen und zwischenmenschliche Beziehungen: "Allmählich in der Lage, das Soziale auch DENKEN zu können (das hieße, daß ich auch darüber schreiben könnte)" (ES. 48). Ein Problem, das ihn nach wie vor beschäftigte, war jenes der Herkunft und die (meist) dunklen und belastenden Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend: "Gestern großer Sog der Herkunft mit ihrer hoffnungslosen höllischen Lethargie" (ES. 54).
Das Porträt eines schwedischen Journalisten, der Handke im Jänner 1977 zuhause in Clamart besuchte, unterstreicht seine Entfremdung vom Literaturbetrieb: "seine Liebenswürdigkeit und Beflissenheit schienen immer wieder nur Ausdruck von Hülsen, Gehässigkeit, Haß zu sein, seine eifernde Gekränktheit, als ich nicht mit ihm, so wie es in Schweden üblich sei, auf Du und Du und mit Vornamen sein wollte: er nannte mich nur noch 'sehr geehrter Herr'." (ES. 38) Der Besuch des Journalisten beschäftigte Handke bis in die Nacht hinein: "Er wußte schließlich nicht, ob er überhaupt etwas über mich schreiben würde. Das war ws eine Drohung. Seine nächste Drohung war, daß er in einer deutschen Zeitung über mich schreiben würde. [...] Ein verhätschelter, sich verhätschelnder internationaler Kulturadabei, dessen Haupt-Trick es war, die Obsessionen seiner Schreibobjekte (in diesem Fall also meine) für die kurze Zeit seiner Anwesenheit als die schon seit jeher eigenen auszugeben. Bezüge zwischen den Einzelheiten stellte er her mit der Flinkheit eines Taschendiebs, nein, mit der Hektik eines Betrügers (22.1., 4h morgens)" (ES. 39f.). Wenige Wochen später reiste Handke nach Israel; auch die dort entstandenen Aufzeichnungen spiegeln seine Schwierigkeiten im Kontext von Begegnungen mit fremden Menschen innerhalb des Kulturbetriebs wider und geben seiner Unwilligkeit Ausdruck, als Person von öffentlichem Interesse bestimmte Erwartungshaltungen zu erfüllen (vgl. NB 010).
Lektüren
Das Notizbuch enthält mehrere Zitate aus Walter Benjamins Essay Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik (ES. 30f. und 45f.) sowie aus dessen Aufsatz zu Goethes Wahlverwandtschaften (ES. 80; Handke hatte seiner Erzählung Die linkshändige Frau ein Zitat aus Goethes Roman vorangestellt). Anhand seiner Benjamin-Lektüre reflektiert er sein Nachspüren philosophischer Denkbewegungen: "Daß ich das Denken eines andern (etwa: W. Benjamin) nie nachvollziehen kann, sondern höchstens, im Glücksfall, kräftig ahnen" (ES. 34). Zugleich setzt er Poesie und Philosophie ins Verhältnis und äußert sich auch hier zu seinem eigenen Schreiben: "Was ich aber von Benjamin lerne: daß man nicht so tun kann, als DÄCHTE MAN NICHT (daß Poesie sozusagen nicht dem Denken entgeht, fürs erste, so wie die Marianne aus den Geschichten aus dem Wienerwald nicht der Liebe des Schlächters 'entgeht')" (ES. 35).
Möglicherweise las Handke im Aufzeichnungszeitraum von NB 011 Henri Bergsons La pensée et le mouvant, jedenfalls übertrug er zwei Stellen daraus in sein Notizbuch. Seine Lektüre von Donald Richies Monografie über den japanischen Filmemacher Yasujirō Ozu, aus der sich einige Zitate im Notizbuch finden (ES. 108ff.), steht wohl im Zusammenhang mit der Regiearbeit an Die linkshändige Frau. In einem Spiegel-Artikel über die Dreharbeiten – der Journalist besuchte Handke in Clamart – ist zu lesen: "Spät abends ißt Handke drinnen in Paris, nachdem er Edith Clever mit Kinotips versorgt hat (er kennt jeden Film), in einem japanischen Restaurant. 'Der neben uns sieht ein bißchen aus wie Ozu, unser Patron', sagt er zu seinem Produktionsleiter und zeigt auf einen alten Japaner am Nachbartisch. Ozu war ein japanischer Regisseur, der, hinter der Kamera im Zen-Sitz hockend, in langmütigen und karg poetisch photographierten Filmen bevorzugt einsames und ereignisarmes Leben zeigte. Handke will in seinem Film ein paar Minuten aus einem Ozu-Werk zeigen." (Schober, S. 182).
Schreibprojekte
Peter Handke ordnet das Notizbuch auf dem Vorsatz dem Schreibprojekt "Ins tiefe Österreich" zu, aus dem später die Tetralogie Langsame Heimkehr hervorgehen sollte. Ebenfalls bereits am Vorsatz nennt er den Namen des Protagonisten der gleichnamigen Erzählung Valentin Sorger (ES. 3). In den Einträgen, die im ersten Teil des Notizbuchs während Handkes Reise nach Colorado entstanden, nennt er den Namen immer wieder und entwirft kleine Szenen im Präsens, in denen er eigene Erfahrungen mit jenen seines Protagonisten in eins setzt, etwa wenn er auf ES. 15 notiert: "[...] Schnee: Erleichterung für Sorger: er braucht keine Geheimarten zu erkennen [...]" (ES. 15). Den in NB 011 dokumentierten Aufenthalt im winterlichen Colorado und den Rocky Mountains wird Handke in Langsame Heimkehr verarbeiten: Sorger will einen Freund besuchen, der als Schilehrer in Colorado lebt, zwischenzeitlich aber verstorben ist (vgl. LH, S. 159-167).
Anfang 1977 gab es bereits konkrete Pläne für die Publikation einer Auswahl von Handkes Notizen, es bestanden aber noch Unsicherheiten hinsichtlich des Vorhabens, wie eine Stelle aus einem Brief an Nicolas Born vom 8. Februar zeigt: "Von dem Journal letzten Jahres habe ich zwei Drittel abgetippt. Und ich bin immer noch nicht sicher, ob was daraus wird." (Born / Handke 2005, S. 18.). Ist Ende Jänner noch drohend vom "aufgerissene[n] Rachen des Notizbuchs" (ES. 35) die Rede, so notiert Handke Anfang März befreit: "Durchschauen des Journals: erarbeitete, gewonnene Zeit (ES. 77)". Eine Notiz auf ES. 79 kann zudem in Zusammenhang mit Handkes "Vornotiz" zum ersten veröffentlichten Journalband Das Gewicht der Welt gebracht werden, das im September 1977 erscheinen sollte: "Reportage der Sprache, die sich in meinem Kopf abspielt (nicht nur im Kopf) = Journal" (vgl. DGW, S. 6: "Das Buch hier könnte man also eine Reportage nennen; es ist keine Erzählung von einem Bewußtsein, sondern die unmittelbare, simultan festgehaltene Reportage davon."). Die Notizen in der zweiten Hälfte des Notizbuchs betreffen ausschließlich die Dreharbeiten zur Verfilmung von Die linkshändige Frau.
Zeichnungen
Das Notizbuch enthält viele Zeichnungen, deren Urheber*innen nicht identifiziert werden konnten; es handelt sich um 'kindliche' Zeichnungen (Tiere, Tipi, Comic...), deren Machart aber in vielen Fällen nicht auf Amina Handke als Urheberin hindeuten; auch Handkes Autorschaft lässt sich für diese Zeichnungen nicht verifizieren. Eindeutig Handke zuzuschreibende Zeichnungen finden sich nur im Zusammenhang mit der Verfilmung von Die linkshändige Frau, z.B. ein Bogen (Z23/NB 011), dessen "Form des Durchblicks" sich "durch den ganzen Film" (ES. 101) hindurch wiederholen sollte, wie Handke anmerkte (vgl. auch Z24/NB 011). Auch die Wetterfahne (Z26/NB 011) steht in Zusammenhang mit dem Filmdreh; exakt dieselbe Ansicht kommt in einer Einstellung des Films vor.
(Anna Estermann und Johanna Eigner)
Literaturverzeichnis
Born / Handke 2005 = Born, Nicolas / Handke, Peter: Die Hand auf dem Brief. Briefwechsel 1974-1979. In: Schreibheft. Zeitschrift für Literatur. Hg. von Norbert Wehr. Essen: Rigodon, Nr. 65 (2005), S. 3-34.
DGW = Handke, Peter: Das Gewicht der Welt. Ein Journal (November 1975 – März 1977). Salzburg: Residenz 1977.
LH = Handke, Peter: Langsame Heimkehr. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1979.
Schober, Siegfried: "Es soll mythisch sein, mythisch!". In: Der Spiegel, Nr. 19/1977, 01.05.1977, S. 177-182 [http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/40915755].
Aufbewahrungsort: Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA)
Notizbuch-Signatur: DLA, A:Handke, Peter: [HS00554402 ]
Material: Notizbuch, (Marke nicht identifiziert), unliniert, Klebebindung
Format: 13,2 x 10,2 cm
Umschlag: Grauer Kartonumschlag mit schwarz-dunkelgrau Aufgedrucktem (Royal Pavillion in Brighton; Aufschrift "THE PAVILLION"), Vorderseite: aufgeklebter eh. Datumszettel (Kugelschreiber: blau) (M01/NB 011)
Umfang: 128 Seiten; 138 Faksimiles (Editionsseiten) inklusive Umschlag und Vorsatz
Paginierung: I-III, 1-7, (8-128 unpag.), I*-III*
Verwendete Schreibstoffe: Kugelschreiber (blau, schwarz), Fineliner (schwarz, rot), Bleistift, Filzstift (schwarz, blau, rot)
Zusätzlich beteiligte Schreiber*innen: /
Anmerkung: Die einfache Klebebindung hat sich aufgelöst, sodass die Blätter lose im Umschlag liegen. Die ursprüngliche Reihenfolge der Seiten wurde vom Editorinnenteam rekonstruiert. Das letzte Blatt (ES. 130 und 131) wurde im Original bis auf einen schmalen Streifen herausgerissen und war ursprünglich nach ES. 58 eingelegt.
Zeichnungen:
Eingeklebtes Material:
Beilagen: keine vorhanden
Handkeonline: https://handkeonline.onb.ac.at/node/308
Anzahl der erfassten Entitäten: 583
Haus
Blick auf das Notizbuch, und Zuver¬
sichtlichkeit, stärkende, ergreift mich,
von innen her, von der Mitte der Brust;
Stärkegefühl nur dadurch, daß in mir, an
dieser Stelle, etwas Sanftes geschieht
Eigentlich hatte ich gerade so wenig Illusionen
wie er, aber um mich von ihm zu unter¬
scheiden, spielte ich den Positiven, Welt¬
frommen, und alsbald
und
kam auch er
mit guten Meinungen, Wünschen usw. heraus;
da hatte ich Lust, nur noch zynisch zu sein
Ich sprach mein Mitleid
im stillen in ganzen Sätzen aus ("Sie tat mir
leid"
): das war ein Zeichen, daß ich das Mit¬
leid nicht wirklich fühlte, nur fühlen wollte
(Nachdem ich mir das klargemacht hatte,
konnte ich, aus Freude über den Gedanken,
zum nächstbesten freundlich, zuvorkommend
sein)
Versuch, eine Art Taylor-System für meine
Bewegungen zu errichten: mit möglichst wenig
Bewegungen das Maximum zu erreichen, z.B.
bei Tätigkeiten in der Küche: als ob mich das
bestätigen, stärken könnte (das Minimum
an Bewegungen, das für mich ein Zeichen großer
Schauspieler ist) – und dann merke ich, daß,
Haus
Blick auf das Notizbuch, und Zuver¬
sichtlichkeit, stärkende, ergreift mich,
von innen her, von der Mitte der Brust;
Stärkegefühl nur dadurch, daß in mir, an
dieser Stelle, etwas Sanftes geschieht
Eigentlich hatte ich gerade so wenig Illusionen
wie er, aber um mich von ihm zu unter¬
scheiden, spielte ich den Positiven, Welt¬
frommen, und alsbald
und
kam auch er
mit guten Meinungen, Wünschen usw. heraus;
da hatte ich Lust, nur noch zynisch zu sein
Ich sprach mein Mitleid
im stillen in ganzen Sätzen aus ("Sie tat mir
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): das war ein Zeichen, daß ich das Mit¬
leid nicht wirklich fühlte, nur fühlen wollte
(Nachdem ich mir das klargemacht hatte,
konnte ich, aus Freude über den Gedanken,
zum nächstbesten freundlich, zuvorkommend
sein)
Versuch, eine Art Taylor-System für meine
Bewegungen zu errichten: mit möglichst wenig
Bewegungen das Maximum zu erreichen, z.B.
bei Tätigkeiten in der Küche: als ob mich das
bestätigen, stärken könnte (das Minimum
an Bewegungen, das für mich ein Zeichen großer
Schauspieler ist) – und dann merke ich, daß,
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Sehr wahrscheinlich | aus dem unmittelbaren Kontext erschließbar |
Wahrscheinlich | nur durch Kontextwissen und Recherche erschließbar |
Möglicherweise | es gibt mehrere Bedeutungsmöglichkeiten |
Nicht identifiziert | es gibt höchstens Vermutungen |
Handke, Peter: Notizbuch 30.12.1976-09.04.1977 (NB 011). Hg. von
Johanna Eigner und Katharina Pektor. In:
Ders.: Notizbücher. Digitale Edition. Hg. von Katharina Pektor, Ulrich von Bülow und Bernhard Fetz. Deutsches Literaturarchiv Marbach und Österreichische Nationalbibliothek, Wien: Release
14.06.2024.
Seite 65.
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Ioannis Fykias (Altgriechisch), Ana Grigalashvili (Georgisch), Angelika Kolesnikow (Russisch), Anna Montané Forasté (Spanisch), Helmut Moysich (Italienisch, Französisch), Martin Springinklee (Steno), Dominik Srienc (Slowenisch) und Dorothea Weber (Latein).
LizenzhinweisDistributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License (CC BY-NC-ND 4.0)
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