Ich war gesellschaftsunfähig – weil ich wütend
war; ich wurde gesellschaftsfähig, als ich
traurig wurde (2.3.77)

So ungeübt, die Gefühle zu zeigen, daß man
sie spielen muß, obwohl man sie zugleich hat;
manchmal die Notwendigkeit, seine tatsächlichen
Gefühle ausdrücklich zu spielen; paradoxes Vor-
täuschen, Heucheln tatsächlicher Gefühle; die Wohl-
tat selbst solch einer Verstellung

A. Handke, Amina
❭, nachdem sie vor andern in einer Art über
mich geredet hatte, wie sie es gar nicht gewollt
hatte (ein Kind, das schon von der Sprache,
vom❬n❭ der Zuhörerwartung der Erwachsenen, der
Zuhörhypnose in eine völlig verkehrte Sprech-
richtung gezwungen wird!), weinte, als sie meine
Betroffenheit bemerkte (sie merkte auch, wie
falsch sie geredet hatte); und als ich sie fragte,
ob sie noch, wie gewöhnlich, im Bett lesen
wollte, schüttelte sie den Kopf und antwor-
tete, sie wollte jetzt lieber "denken"

Traum vom allseits still steigenden, flutenden
Wasser. Mein Seelengehäuse wurde ge-
mächlich weggeschwemmt. Ich fand mich
in der Urstromlandschaft wieder, Tausende
Jahre zuvor. Ein Assyrerheer hielt mich
Ich war gesellschaftsunfähig – weil ich wütend war; ich wurde gesellschaftsfähig, als ich traurig wurde (2.3.77)​
So ungeübt, die Gefühle zu zeigen, daß man sie spielen muß, obwohl man sie zugleich hat; manchmal die Notwendigkeit, seine tatsächlichen Gefühle ausdrücklich zu spielen; paradoxes Vortäuschen, Heucheln tatsächlicher Gefühle; die Wohltat selbst solch einer Verstellung​
A. Handke, Amina
, nachdem sie vor andern in einer Art über mich geredet hatte, wie sie es gar nicht gewollt hatte (ein Kind, das schon von der Sprache, von der Zuhörerwartung der Erwachsenen, der Zuhörhypnose in eine völlig verkehrte Sprechrichtung gezwungen wird!), weinte, als sie meine Betroffenheit bemerkte (sie merkte auch, wie falsch sie geredet hatte); und als ich sie fragte, ob sie noch, wie gewöhnlich, im Bett lesen wollte, schüttelte sie den Kopf und antwortete, sie wollte jetzt lieber "denken"​
Traum vom allseits still steigenden, flutenden Wasser. Mein Seelengehäuse wurde gemächlich weggeschwemmt. Ich fand mich in der Urstromlandschaft wieder, tausende Jahre zuvor. Ein Assyrerheer hielt mich ​

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Ich war gesellschaftsunfähig – weil ich wütend
war; ich wurde gesellschaftsfähig, als ich
traurig wurde (2.3.77)

So ungeübt, die Gefühle zu zeigen, daß man
sie spielen muß, obwohl man sie zugleich hat;
manchmal die Notwendigkeit, seine tatsächlichen
Gefühle ausdrücklich zu spielen; paradoxes Vor-
täuschen, Heucheln tatsächlicher Gefühle; die Wohl-
tat selbst solch einer Verstellung

A. Handke, Amina
❭, nachdem sie vor andern in einer Art über
mich geredet hatte, wie sie es gar nicht gewollt
hatte (ein Kind, das schon von der Sprache,
vom❬n❭ der Zuhörerwartung der Erwachsenen, der
Zuhörhypnose in eine völlig verkehrte Sprech-
richtung gezwungen wird!), weinte, als sie meine
Betroffenheit bemerkte (sie merkte auch, wie
falsch sie geredet hatte); und als ich sie fragte,
ob sie noch, wie gewöhnlich, im Bett lesen
wollte, schüttelte sie den Kopf und antwor-
tete, sie wollte jetzt lieber "denken"

Traum vom allseits still steigenden, flutenden
Wasser. Mein Seelengehäuse wurde ge-
mächlich weggeschwemmt. Ich fand mich
in der Urstromlandschaft wieder, Tausende
Jahre zuvor. Ein Assyrerheer hielt mich
Ich war gesellschaftsunfähig – weil ich wütend war; ich wurde gesellschaftsfähig, als ich traurig wurde (2.3.77)​
So ungeübt, die Gefühle zu zeigen, daß man sie spielen muß, obwohl man sie zugleich hat; manchmal die Notwendigkeit, seine tatsächlichen Gefühle ausdrücklich zu spielen; paradoxes Vortäuschen, Heucheln tatsächlicher Gefühle; die Wohltat selbst solch einer Verstellung​
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, nachdem sie vor andern in einer Art über mich geredet hatte, wie sie es gar nicht gewollt hatte (ein Kind, das schon von der Sprache, von der Zuhörerwartung der Erwachsenen, der Zuhörhypnose in eine völlig verkehrte Sprechrichtung gezwungen wird!), weinte, als sie meine Betroffenheit bemerkte (sie merkte auch, wie falsch sie geredet hatte); und als ich sie fragte, ob sie noch, wie gewöhnlich, im Bett lesen wollte, schüttelte sie den Kopf und antwortete, sie wollte jetzt lieber "denken"​
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Zitiervorschlag

Handke, Peter: Notizbuch 30.12.1976-09.04.1977 (NB 011). Hg. von Johanna Eigner und Katharina Pektor. In: Ders.: Notizbücher. Digitale Edition. Hg. von Katharina Pektor, Ulrich von Bülow und Bernhard Fetz. Deutsches Literaturarchiv Marbach und Österreichische Nationalbibliothek, Wien: Release 14.06.2024. Seite 69. URL: https://edition.onb.ac.at/fedora/objects/o:hnb.nb.197612-197704/methods/sdef:TEI/get?mode=p_69. Online abgerufen: 24.11.2024.

Transkription und Übersetzung fremdsprachiger oder stenographierter Textstellen

Ioannis Fykias (Altgriechisch), Ana Grigalashvili (Georgisch), Angelika Kolesnikow (Russisch), Anna Montané Forasté (Spanisch), Helmut Moysich (Italienisch, Französisch), Martin Springinklee (Steno), Dominik Srienc (Slowenisch) und Dorothea Weber (Latein).

Lizenzhinweis

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