einander nach Haus, und ich er-
widerte ihren Gruß mit ganz norma-
ler Stimme, die nur beim zweiten
Mal, in der höchsten Panik, schon
etwas belegt war

Wie Panik beschreiben? Äußerlich❬: Alle
Unarten jagen einander: am Hand-
rücken schnüffeln, in der Nase bohren,
kratzen, Haare ausreißen, dabei
sich in einem fort nach Stäubchen auf
dem Boden bücken ‒ eins gibt das
andre oder geht gleichzeitig vor sich,
wobei ich dauernd Andeutungen mache,
die Hände zu falten und Betfragmente
ausstoße; alles wird bedrohlich sym-
bolisch: der Abendstern, der mir
noch gerade als Offenbarung erschien,
wird nun nachträglich in seinem Auf-
glitzern
am Westhimmel das Zeichen
für den gerade passierten Todesfall,
Aufscheinen des geliebten Toten in die-
sem schon lang nicht mehr so offen-
sichtlichen, deutlichen Stern; sich
unablässig bewegen müssen; die
absolute Hilflosigkeit bei der Vorstel-
lung der Entfernungen in der auf einmal
ungeheuer großen Stadt, in der
man, der alles verloren hat in Gefahr ist, alles zu verlieren, nichts
109
einander nach Haus, und ich erwiderte ihren Gruß mit ganz normaler Stimme, die nur beim zweiten Mal, in der höchsten Panik, schon etwas belegt war​
Wie Panik beschreiben? Äußerlich: Alle Unarten jagen einander: am Handrücken schnüffeln, in der Nase bohren, kratzen, Haare ausreißen, sich in einem fort nach Stäubchen auf dem Boden bücken ‒ eins gibt das andre oder geht gleichzeitig vor sich, wobei ich dauernd Andeutungen mache, die Hände zu falten und Betfragmente ausstoße; alles wird bedrohlich symbolisch: der Abendstern, der mir noch gerade als Offenbarung erschien, wird nun nachträglich in seinem Aufglitzern am Westhimmel das Zeichen für den gerade passierten Todesfall, Aufscheinen des geliebten Toten in diesem schon lang nicht mehr so offensichtlichen, deutlichen Stern; sich unablässig bewegen müssen; die absolute Hilflosigkeit bei der Vorstellung der Entfernungen in der auf einmal ungeheuer großen Stadt, in der man, der in Gefahr ist, alles zu verlieren, nichts

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einander nach Haus, und ich er-
widerte ihren Gruß mit ganz norma-
ler Stimme, die nur beim zweiten
Mal, in der höchsten Panik, schon
etwas belegt war

Wie Panik beschreiben? Äußerlich❬: Alle
Unarten jagen einander: am Hand-
rücken schnüffeln, in der Nase bohren,
kratzen, Haare ausreißen, dabei
sich in einem fort nach Stäubchen auf
dem Boden bücken ‒ eins gibt das
andre oder geht gleichzeitig vor sich,
wobei ich dauernd Andeutungen mache,
die Hände zu falten und Betfragmente
ausstoße; alles wird bedrohlich sym-
bolisch: der Abendstern, der mir
noch gerade als Offenbarung erschien,
wird nun nachträglich in seinem Auf-
glitzern
am Westhimmel das Zeichen
für den gerade passierten Todesfall,
Aufscheinen des geliebten Toten in die-
sem schon lang nicht mehr so offen-
sichtlichen, deutlichen Stern; sich
unablässig bewegen müssen; die
absolute Hilflosigkeit bei der Vorstel-
lung der Entfernungen in der auf einmal
ungeheuer großen Stadt, in der
man, der alles verloren hat in Gefahr ist, alles zu verlieren, nichts
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einander nach Haus, und ich erwiderte ihren Gruß mit ganz normaler Stimme, die nur beim zweiten Mal, in der höchsten Panik, schon etwas belegt war​
Wie Panik beschreiben? Äußerlich: Alle Unarten jagen einander: am Handrücken schnüffeln, in der Nase bohren, kratzen, Haare ausreißen, sich in einem fort nach Stäubchen auf dem Boden bücken ‒ eins gibt das andre oder geht gleichzeitig vor sich, wobei ich dauernd Andeutungen mache, die Hände zu falten und Betfragmente ausstoße; alles wird bedrohlich symbolisch: der Abendstern, der mir noch gerade als Offenbarung erschien, wird nun nachträglich in seinem Aufglitzern am Westhimmel das Zeichen für den gerade passierten Todesfall, Aufscheinen des geliebten Toten in diesem schon lang nicht mehr so offensichtlichen, deutlichen Stern; sich unablässig bewegen müssen; die absolute Hilflosigkeit bei der Vorstellung der Entfernungen in der auf einmal ungeheuer großen Stadt, in der man, der in Gefahr ist, alles zu verlieren, nichts

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Zitiervorschlag

Handke, Peter: Notizbuch 16.09.1976-03.11.1976 (NB 008). Hg. von Anna Estermann und Katharina Pektor. In: Ders.: Notizbücher. Digitale Edition. Hg. von Katharina Pektor, Ulrich von Bülow und Bernhard Fetz. Deutsches Literaturarchiv Marbach und Österreichische Nationalbibliothek, Wien: Release 14.06.2024. Seite 111. URL: https://edition.onb.ac.at/fedora/objects/o:hnb.nb.197609-197611/methods/sdef:TEI/get?mode=p_111. Online abgerufen: 24.11.2024.

Transkription und Übersetzung fremdsprachiger oder stenographierter Textstellen

Ioannis Fykias (Altgriechisch), Ana Grigalashvili (Georgisch), Angelika Kolesnikow (Russisch), Anna Montané Forasté (Spanisch), Helmut Moysich (Italienisch, Französisch), Martin Springinklee (Steno), Dominik Srienc (Slowenisch) und Dorothea Weber (Latein).

Lizenzhinweis

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