Die Aufzeichnungen in Notizbuch 16.09.1976-03.11.1976 (NB 008) entstanden zum größten Teil in Paris. Am 1. Oktober zog Peter Handke gemeinsam mit seiner Tochter in ein Haus im Pariser Vorort Clamart. Davor lebten die beiden für ca. zwei Wochen in einem Hotel in Meudon, das in der Nähe von Aminas neuer Schule lag, die bereits am 20. September begann. Die Einträge in der ersten Notizbuchhälfte behandeln u.a. die Schulangst seiner Tochter, den Alltag im Hotel, schließlich das vorübergehende Zusammenleben mit der Eigentümerfamilie des Hauses in der rue Cécille-Dinant, die erst am 10. Oktober auszog. In der zweiten Hälfte kreisen die Einträge verstärkt um seine Ängste und um das Alleinsein. Viele Notizen beschäftigen sich außerdem mit (bürgerlichen) Formen des sozialen Handelns. Der am Vorsatz notierte Arbeitstitel "Ins tiefe Österreich" wurde von Handke durchgestrichen und durch "Phantasien der Ziellosigkeit" ersetzt: mit diesem Titel sollten fortan "all die Materialien seit 1975" bezeichnet werden; Handke verlagert also seine Aufmerksamkeit vom Schreibprojekt, für das die Notizen eigentlich Material liefern sollten, auf die Notizen selbst.
Material
Das hellgrüne, spiralgebundene Notizbuch der Marke Clairefontaine (14 x 8,7 cm) befindet sich im Original am Deutschen Literaturarchiv Marbach und in Kopie in der Sammlung Peter Handke/Leihgabe Widrich am Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek Wien. Auf der Vorderseite des Umschlags klebt ein quadratischer Werbesticker, das Markenlogo steht auf dem Kopf (Peter Handke hat das Notizbuch verkehrt herum verwendet, das Beschriftungsfeld befindet sich auf der Rückseite). Auf dem vorderen Umschlag klebte ursprünglich ein Datumszettel mit Handkes Datierung des Notizbuchs ("Sept. – Okt. 1976"); er ist nach Anfertigung der Scans abgefallen und liegt dem Original nun bei. Das Notizbuch umfasst 178 karierte Seiten, die von Handke in den linken bzw. rechten unteren Ecken paginiert wurden. Auf die Innenseite des vorderen Umschlags notierte er Namen, Adressen und Telefonnummern sowie die Titel von Arbeitsprojekten, auf der Innenseite des hinteren Umschlags befindet sich eine Zeichnung von Amina Handke. Auf den Editionsseiten 178 und 179 hat Handke nicht nur Notizen aufgeschrieben, er verwendete sie auch für diverse Adressen und Telefonnummern. Auf der letzten Seite (ES. 180) finden sich zudem Notizen zu seiner Rezension von Nicolas Borns Roman Die erdabgewandte Seite der Geschichte; über die Schrift auf dieser Seite hat Handke ein dichtes Netz aus roten und schwarzen Linien gezeichnet.
Aufenthaltsorte
Handke unternimmt Mitte September eine Reise, die sich mit Angaben im vorliegenden Notizbuch nur indirekt erschließen lässt. Aber im Vorgängernotizbuch (NB W12) gibt es in einer Notiz vom 15. September einen Hinweis darauf: "1000 km fliegen, nur um ein paar bekannte Leute mein ruhiges, trauriges Gesicht sehen zu lassen, als Beweis für was, und um meinerseits in ihre Augen zu schauen" (NB W12, ES. 88). Es handelte sich um eine "Lesung" bzw. einen "Vortrag" am 17. September (NB 008, ES. 7), wobei unklar ist, wo er stattfand und ob Handke als Lesender oder als Zuhörer daran teilnahm. Handke reiste jedenfalls am 16. September mit dem Flugzeug zu der Veranstaltung (ES. 4-9) und war am 20. September zurück in Frankreich (Meudon).
Danach dürfte er sich ausschließlich in Paris aufgehalten haben. Nachdem er in den Sommermonaten auf Reisen gewesen war, hatte sich Handke seit Ende August nach einer neuen Unterkunft umgesehen und nach mehrwöchiger Suche für sich und seine Tochter Amina ein Haus im Pariser Vorort Clamart gefunden (die Wohnungssuche ist vor allem in NB W12 dokumentiert, vgl. auch Pektor c). Der Einzug in das Haus in der rue Cécille-Dinant war für 1. Oktober geplant, der Unterricht an Aminas neuer Schule im Nachbarort Meudon begann jedoch bereits am 20. September. Aus diesem Grund wohnten Handke und seine Tochter für einige Zeit in einem nahe der Schule gelegenen Hotel, wie er Hermann Lenz in einem Brief vom 30. September 1976 schreibt: "[U]nd auch ein Blatt Papier war zur Hand, obwohl ich seit über 10 Tagen im Hotel wohne, etwas außerhalb von Paris, in einer Buchenallee, wo man auf Paris hinunterschauen kann wie auf einen Haufen glühender Kohlen am Abend. Amina geht hier (in Meudon) seit ein paar Tagen zur Schule, die aber eher zum Glück wie eine große Villa ausschaut, mit einem Garten dahinter, und vielen Büschen und Gebäum". (Handke/Lenz 2006, S. 101f.). Wahrscheinlich handelt es sich um das Hotel "La Martinière", das sich zum damaligen Zeitpunkt an der Adresse 38, Avenue de Château in Bellevue-Meudon befand; dieser Name ist Teil einer Liste mit Aufenthaltsorten am vorderen Vorsatz des Notizbuchs (ES. 2).
Ab 1. Oktober lebte Handke mit seiner Tochter in dem Haus in Clamart. An Hermann Lenz schreibt er am 30. September 1976: "[N]ur jetzt, die ersten 10 Tage, wird da noch ein jüdisches Ehepaar mit 2 Kindern mitwohnen, im 2. Stock, die Eigentümer, die dann als Lehrer in den Senegal gehen. Ich bin ein bißchen beklommen, wie das gehen wird, 10 Tage mit fremden Leuten. In ein paar Tagen werden sie, wie der Mann mich warnte, Jom Kippur begehen, fastend in den oberen Räumen. Nun, ich werde auch nichts kochen, schon, um sie nicht zu reizen." (Handke / Lenz 2006, S. 102, vgl. auch Pektor c) Aus den Einträgen geht hervor, dass sich Handke in dieser Wohnsituation nicht wohl fühlte (vgl. ES. 62).
Themen
Kurz nach dem Auszug der Eigentümerfamilie begann Peter Handke unter diffusen Ängsten zu leiden (vgl. ES. 62, 84, 90f. und passim). Katharina Pektor verweist auf das Prosawerk Mein Jahr in der Niemandsbucht (1994), in dem er diese Zeit rückblickend literarisch verarbeitete: "Die ersten Abende in dem Haus draußen im Vorort, außerhalb der Mauern, bemächtigte sich meiner freilich eine Bangigkeit, wie sie eher in die Kindheit gehörte, wenn da einer der Hausgenossen, auch nur wenig über die Zeit, abwesend war. Hier jetzt bekam ich diese Zustände, obwohl alle da waren. Ich räumte die fremden Gegenstände weg oder schob sie, wie die afrikanischen Maskenfiguren, zusammen in eine Ecke, schaltete in sämtlichen Räumen bei der ersten Dämmerung die Lichter ein, hatte Angst, hinunter in die vielverzweigten Keller zu gehen […], sägte mit Heftigkeit, über den Bedarf hinaus, Holz in der hintersten Gartenecke und machte an jenen lauen Septemberabenden Feuer in dem Kamin, und […] wurde […] müde und reizbar, ertrug mein […] gebanntes Nichtstun nicht." (MJN, S. 299, vgl. Pektor c). Im Notizbuch ist indessen nachzulesen, dass Handke weit mehr als eine "Bangigkeit" befiel, als seine Tochter einmal länger als erwartet abwesend war. In einer ganzen Reihe von Einträgen versuchte er nach dem Erlebnis die nackte Panik zu beschreiben, die ihn überfallen hatte, als Amina statt um 16 Uhr erst um 20 Uhr nachhause kam (vgl. ES. 110-126).
Neben dem Motiv der Angst wird das von Handke als problematisch erfahrene Alleinsein im Notizbuch an vielen Stellen thematisiert. In einem Eintrag vom 11. Oktober beschreibt er die "Katastrophe des Alleinseins" (ES. 176) als belastend und mit Gefühlen der Schuld verbunden: "Nach Monaten immer in Gesellschaft, oder, wenn allein, dann unterwegs: wieder wie üblich vergessen, wie lastend, nervös machend, gelinde gesagt, das Alleinleben ist; das Gefühl der Schwerhörigkeit am Tag, das Gefühl der Hellhörigkeit bei Nacht; Gespensterseherei Tag und Nacht; das Schuldgefühl des Alleinseins; trotz Lesens, Schauens, Arbeitens, Musikhörens, wie damals oft in der Studentenzeit, die Vorstellung, nichts zu erleben, müßig und dumm und faul außerhalb des Laufs der Dinge zu vegetieren" (ES. 84f.).
Aminas Wechsel auf eine Privatschule in Meudon bringt für Handke den Kontakt zu den bürgerlichen Eltern der Mitschüler*innen mit sich. Immer wieder reflektiert er habituelle Unterschiede und Gefühle der fehlenden (sozialen) Passung im Umgang mit ihnen: "Beim Kinderfest mit den 'liebenswürdigen', routinierten, ihr Lebens-Spiel absolvierenden bürgerlichen Frauen im Garten: das alte Gefühl meiner Beflissenheit in solcher Gesellschaft, und doch des immer falschen Handelns, unnötigen Zugreifens, gezwungenen Freundlichseins zu diesen Fremden und ihren noch fremderen Kindern, die da z.B. im Garten aufeinandersitzen und feindselig still und starr zueinander sich verhalten, immer wieder zwischendurch bei ihren Schieß- und Kampfspielen; wo wieder mein altes Gefühl (Nichtgefühl), einer unteren Schicht anzugehören, durchbricht, ein unstatthafter Emporkömmling aus KEINEM Milieu zu sein" (ES. 44). Handkes Sensorium für Formen und Funktionen des sozialen Handelns zeigt sich in Notizen wie dieser: "Die Absurdität für mich: mich plötzlich antreffen in einem Salon mit versierten umgangsfreudigen, meinetwegen 'großbürgerlichen' (?) Frauen, die alle Formen des Nebenbei vollkommen beherrschen: eine, deren Mutter Polin war, bereitete ein 'œuf à la Polonaise', und als, während ich zuschaute, ein Kind nichtsahnend dazwischentrat, zog die Frau das Kind wie zärtlich an sich (in Wahrheit zur Seite), damit ich weiter die Zubereitung des polnischen Eies verfolgen könnte; später, im SALON, in mir reglose Heiterkeit bei dem Gedanken, daß gerade ich, durch mein Kind, immer wieder in eine solche sogar meine A&Ω-Eigenheit, die Neugier, sofort abschneidende Gesellschaft (mehr Sippschaft) hineingewürfelt werde, eine winzige Alltags-Tragödie nebst freudlosem Lachen des Beteiligten; Vorstellungen, in ihre Gespräche hineinzufurzen; und als ich dann endlich unten aus der Haustür trat, habe ich wirklich sofort gegen den Sockel gepinkelt, mit großer Freude" (ES. 169f.).
Lektüren
NB 008 enthält zahlreiche Lektürespuren. So zitiert Peter Handke viele Passagen aus den Romanen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer und Stolz und Vorurteil von Jane Austen sowie auch Stellen aus Goethes Italienischer Reise. Er äußert sich zu Walter Benjamins Denkbild Moskau und notiert auf der letzten Notizbuchseite Gedankenfragmente zu seiner Lektüre von Nicolas Borns Die erdabgewandte Seite der Geschichte. Handke rezensierte den Debütroman seines Freundes; der Text erschien am 8. Oktober 1976 unter dem Titel Gegen den tiefen Schlaf in der Wochenzeitung Die Zeit. Am 11. Oktober kommentiert Handke Marcel Reich-Ranickis Verriss seiner Erzählung Die linkshändige Frau, auf den er mit "Fassungslosigkeit" und schließlich mit "Wut" reagiert habe, wie er schreibt (ES. 87f.). Das vorliegende Notizbuch enthält außerdem Zitate aus Artikeln von Walter Jens, Klaus Harpprecht und Wolf Biermann aus der Wochenzeitung Die Zeit bzw. dem Magazin Der Spiegel. Einen Satz aus Erwin Panofskys Essay Et in arcadia ego invertiert Handke in einer Notiz auf Editionsseite 132: "Der Tod: 'Et in arcadia ego' Panofsky: 'Was eine Bedrohung war, ist zu einer Erinnerung geworden.' ‒ Was eine Erinnerung war, ist wieder zu einer Bedrohung geworden."
Schreibprojekte
Viele der in NB 008 festgehaltenen Notizen wurden (zum Teil in überarbeiteter Form) in Peter Handkes erstem Journalband Das Gewicht der Welt (1977) publiziert. Während er die meisten Vorgängernotizbücher dem Schreibprojekt "Ins tiefe Österreich" zuordnete, streicht er diesen bereits notierten Arbeitstitel auf dem Vorsatzblatt wieder und ersetzt ihn durch "Phantasien der Ziellosigkeit" der fortan als "Titel für all die Materialien seit 1975" fungieren sollte, wie Handke anmerkt (vgl. ES. 2; siehe auch ES. 139, wo er Varianten dieser neuen Formulierung erprobt). Die Einführung dieses alternativen Titels markiert eine merkliche Verschiebung seiner Aufmerksamkeit vom geplanten Romanprojekt auf das Notiz-Material selbst, d.h. auf eine ihm "bis dahin unbekannte[] literarische[] Möglichkeit" (DGW, S. 5, vgl. dazu auch den in Pektor b, S. 125, abgedruckten Brief des Autors vom 18. November 1976 an den Verleger Wolfgang Schaffler). Handke nennt den neuen Titel auch im Nachfolgenotizbuch (NB 009, allerdings führt er dort auf dem Vorsatzblatt auch wieder den ursprünglichen Projekttitel "Ins tiefe Österreich" an (NB 009, ES. 2).
In einem Eintrag auf Editionsseite 98 erwähnt Handke den Titel "Über die Dörfer" und entwirft eine Gliederung des Stücks: "ÜBER DIE DÖRFER (Theaterstück in 5 Abschnitten, Kapiteln): Großstadt / Autobahncafé / Dorf / Autobahncafé / Großstadt)". Bei dieser Ideenskizze zum 1981 in Salzburg uraufgeführten Stück handelt es sich wie auch bei anderen vereinzelten frühen Notizen dieser Art (vgl. NB 002, ES. 3 und NB W 12, ES. 63) jedoch noch nicht um "systematische Projektnotizen", wie Katharina Pektor anmerkt: "Den Notizbuchaufzeichnungen nach zu schließen, müsste die Entwicklung von Über die Dörfer in der kurzen Zeitspanne von Sommer 1979 bis Sommer 1980 stattgefunden haben" (Pektor b).
Zeichnungen
Das Notizbuch enthält lediglich drei Zeichnungen Peter Handkes: durch kleine Pfeile und Punkte angedeutete "Pupillenbewegungen" (Z02/NB 008, ES. 64) sowie das Detail einer Balkonverzierung (Z03/NB 008, ES. 115) und ein nicht eindeutig identifizierbares Motiv (ev. drei Glocken, Z08/NB 008, ES. 180), außerdem eine Reihe von Zeichnungen, deren Urheber*innen nicht eindeutig identifiziert werden konnten; ein Teil dieser Zeichnungen dürfte von Handkes Tochter Amina stammen.
Literaturverzeichnis
Handke / Lenz 2006 = Handke, Peter / Lenz, Hermann: Berichterstatter des Tages. Briefwechsel. Hg. und mit einem Nachwort von Helmut Böttiger, Charlotte Brombach und Ulrich Rüdenauer. Mit einem Essay von Peter Hamm. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel 2006.
MJN = Handke, Peter: Mein Jahr in der Niemandsbucht. Ein Märchen aus den neuen Zeiten. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1994.
Kepplinger-Prinz, Christoph: Paris Auteuil, 77 Boulevard de Montmorency (1973–1976). In: Handkeonline. URL: https://handkeonline.onb.ac.at/node/1570. Online abgerufen: 02.10.2023.
Pektor a = Pektor, Katharina: Peter Handke. Dauerausstellung Stift Griffen. Salzburg/Wien: Jung und Jung 2017.
Pektor b = Pektor, Katharina: Entstehungskontext [ÜD]. In: Handkeonline. URL: https://handkeonline.onb.ac.at/node/602. Online abgerufen: 13.07.2023.
Pektor c = Pektor, Katharina: Clamart, 53 rue Cécille-Dinant (1976-1978). In: Handkeonline, URL: https://handkeonline.onb.ac.at/node/1567. Online abgerufen: 21.11.2022.
Aufbewahrungsort: Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA)
Notizbuch-Signatur: DLA, A:Handke, Peter: [HS00554393 ]
Material: Notizbuch (Marke Clairefontaine), kariert, Spiralbindung
Format: 14 x 8,7 cm
Umschlag: Hellgrüner Kartonumschlag (Leinenoptik); Vorderseite: Markenlogo, aufgeklebter Werbesticker (M01/NB 008) und eh. Datumszettel (Kugelschreiber: blau) (M02/NB 008); Rückseite: weißes Beschriftungsfeld und Markenlogo
Umfang: 178 Seiten; 184 Faksimiles (Editionsseiten) inklusive Umschlag, Vorsatz und Beilagen
Paginierung: I, 1-178, I*
Verwendete Schreibstoffe: Kugelschreiber (blau, schwarz), Fineliner (schwarz, rot, blau, braun), Bleistift
Zusätzlich beteiligte Schreiber*innen: /
Anmerkung: Peter Handke hat das Notizbuch verkehrt herum beschrieben, sodass die Rückseite die Vorderseite ist. Nach Anfertigung der Scans ist der aufgeklebte Datumszettel abgefallen und liegt dem Original nun bei.
Zeichnungen:
Eingeklebtes Material:
Beilagen: keine vorhanden
Handkeonline: https://handkeonline.onb.ac.at/node/288
Anzahl der erfassten Entitäten: 240
den plötzlich im Haus waren,
fehlte mir die Lederjacke ihnen
gegenüber; im
Pullover
Hemd fühlte ich
mich nicht "gewappnet"
)
"... das Gefühl eines belebenden Friedens ...,
welches mir der ungeschickte Führer durch
seine Gelehrsamkeit verkümmerte, um¬
ständlich erzählend, wie Hannibal hier vor¬
mals eine Schlacht geliefert .... ... Unfreund¬
lich verwies ich ihm das fatale Hervorrufen
solcher abgeschiedenen Gespenster ... Man
solle wenigstens die Einbildungskraft nicht
mit solchem Nachgetümmel aus ihrem
friedlichen Traume aufschrecken ... Ich
konnte ihm freilich nicht deutlich machen,
wie mir bei einer solchen Vermischung des
Vergangenen und des Gegenwärtigen zu¬
mute sei."
(4. April 1787 )
Eigentlich denke ich von morgens bis
abends, fast ohne Unterbrechung, meist
sehr leichtsinnig, unernst und ober¬
flächlich, wie in einer unablässig
erneuerten
Wette
frivolen Wette mit
mir selber, an den Tod
Meine "Feinde"
: kein Impuls, sie zu
beschimpfen, zu bekämpfen, zu ver¬
nichten ‒ nur die Befürchtung, sie
könnten mich überleben: das wäre
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den plötzlich im Haus waren,
fehlte mir die Lederjacke ihnen
gegenüber; im
Pullover
Hemd fühlte ich
mich nicht "gewappnet"
)
"... das Gefühl eines belebenden Friedens ...,
welches mir der ungeschickte Führer durch
seine Gelehrsamkeit verkümmerte, um¬
ständlich erzählend, wie Hannibal hier vor¬
mals eine Schlacht geliefert .... ... Unfreund¬
lich verwies ich ihm das fatale Hervorrufen
solcher abgeschiedenen Gespenster ... Man
solle wenigstens die Einbildungskraft nicht
mit solchem Nachgetümmel aus ihrem
friedlichen Traume aufschrecken ... Ich
konnte ihm freilich nicht deutlich machen,
wie mir bei einer solchen Vermischung des
Vergangenen und des Gegenwärtigen zu¬
mute sei."
(4. April 1787 )
Eigentlich denke ich von morgens bis
abends, fast ohne Unterbrechung, meist
sehr leichtsinnig, unernst und ober¬
flächlich, wie in einer unablässig
erneuerten
Wette
frivolen Wette mit
mir selber, an den Tod
Meine "Feinde"
: kein Impuls, sie zu
beschimpfen, zu bekämpfen, zu ver¬
nichten ‒ nur die Befürchtung, sie
könnten mich überleben: das wäre
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Handke, Peter: Notizbuch 16.09.1976-03.11.1976 (NB 008). Hg. von
Anna Estermann und Katharina Pektor. In:
Ders.: Notizbücher. Digitale Edition. Hg. von Katharina Pektor, Ulrich von Bülow und Bernhard Fetz. Deutsches Literaturarchiv Marbach und Österreichische Nationalbibliothek, Wien: Release
14.06.2024.
Seite 134.
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Ioannis Fykias (Altgriechisch), Ana Grigalashvili (Georgisch), Angelika Kolesnikow (Russisch), Anna Montané Forasté (Spanisch), Helmut Moysich (Italienisch, Französisch), Martin Springinklee (Steno), Dominik Srienc (Slowenisch) und Dorothea Weber (Latein).
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1992, S. 290 LV