Eine weitere Son deridiotie der
Woche
: In der L.F. Die linkshändige Frau
beobachtet das
Kind ein Zeitungsfoto vom Hochgebirge im Spätherbst
mit der Legende: "Auch um diese Zeit
noch locken, wenn das Wetter mitmacht,
die Gipfel." Das Kind versteht die
U? Zeitungs-Sprache der Legende nicht und fragt
die Mutter, was das heiße. Die Mutter
"übersetzt": "Auch im Spätherbst kann
man bei schönem Wetter noch auf die
Berge steigen." Diese simple Sprach-
kritikgeschichte versteht kriegt der Kritiker
W.S. nicht identifiziert
nicht mit (Ein Kind, das sich die
offizielle Zeitungssprache übersetzen
lassen muß), hört versteht bei der ganzen
Geschichte nur "Gipfel" und " Berge Besteigen"
und wirft dem Autor also "Symbo-
lismus" vor: Unfähigkeit einer kritisierenden
Figur, anders als symbolisch be-
fangen zu lesen, führt absurder-
weise dahin, daß er diese Figur dem Autor
symbolische Beengtheit vorhält;
Vorstellung, daß manche, die über
meine Sachen schreiben, diese gar nicht
lesen, auch nicht lesen wollen, sondern
sie nur rasch auf Indizien absuchen
für ihre vorgefertigte kleine "Tat-
hypothese"

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Eine weitere Son deridiotie der Woche: In der L.F. Die linkshändige Frau
beobachtet das Kind ein Zeitungsfoto vom Hochgebirge im Spätherbst mit der Legende: "Auch um diese Zeit noch locken, wenn das Wetter mitmacht, die Gipfel." Das Kind versteht die Zeitungs-Sprache der Legende nicht und fragt die Mutter, was das heiße. Die Mutter "übersetzt": "Auch im Spätherbst kann man bei schönem Wetter noch auf die Berge steigen." Diese Sprachkritikgeschichte kriegt der Kritiker W.S. nicht identifiziert
nicht mit (Ein Kind, das sich die offizielle Zeitungssprache übersetzen lassen muß), versteht bei der ganzen Geschichte nur "Gipfel" und "Besteigen" und wirft dem Autor also "Symbolismus" vor: Unfähigkeit einer kritisierenden Figur, anders als symbolisch befangen zu lesen, führt absurderweise dahin, daß diese Figur dem Autor symbolische Beengtheit vorhält; Vorstellung, daß manche, die über meine Sachen schreiben, diese gar nicht lesen, auch nicht lesen wollen, sondern sie nur rasch auf Indizien absuchen für ihre vorgefertigte kleine "Tathypothese"​

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beobachtet das
Kind ein Zeitungsfoto vom Hochgebirge im Spätherbst
mit der Legende: "Auch um diese Zeit
noch locken, wenn das Wetter mitmacht,
die Gipfel." Das Kind versteht die
U? Zeitungs-Sprache der Legende nicht und fragt
die Mutter, was das heiße. Die Mutter
"übersetzt": "Auch im Spätherbst kann
man bei schönem Wetter noch auf die
Berge steigen." Diese simple Sprach-
kritikgeschichte versteht kriegt der Kritiker
W.S. nicht identifiziert
nicht mit (Ein Kind, das sich die
offizielle Zeitungssprache übersetzen
lassen muß), hört versteht bei der ganzen
Geschichte nur "Gipfel" und " Berge Besteigen"
und wirft dem Autor also "Symbo-
lismus" vor: Unfähigkeit einer kritisierenden
Figur, anders als symbolisch be-
fangen zu lesen, führt absurder-
weise dahin, daß er diese Figur dem Autor
symbolische Beengtheit vorhält;
Vorstellung, daß manche, die über
meine Sachen schreiben, diese gar nicht
lesen, auch nicht lesen wollen, sondern
sie nur rasch auf Indizien absuchen
für ihre vorgefertigte kleine "Tat-
hypothese"

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beobachtet das Kind ein Zeitungsfoto vom Hochgebirge im Spätherbst mit der Legende: "Auch um diese Zeit noch locken, wenn das Wetter mitmacht, die Gipfel." Das Kind versteht die Zeitungs-Sprache der Legende nicht und fragt die Mutter, was das heiße. Die Mutter "übersetzt": "Auch im Spätherbst kann man bei schönem Wetter noch auf die Berge steigen." Diese Sprachkritikgeschichte kriegt der Kritiker W.S. nicht identifiziert
nicht mit (Ein Kind, das sich die offizielle Zeitungssprache übersetzen lassen muß), versteht bei der ganzen Geschichte nur "Gipfel" und "Besteigen" und wirft dem Autor also "Symbolismus" vor: Unfähigkeit einer kritisierenden Figur, anders als symbolisch befangen zu lesen, führt absurderweise dahin, daß diese Figur dem Autor symbolische Beengtheit vorhält; Vorstellung, daß manche, die über meine Sachen schreiben, diese gar nicht lesen, auch nicht lesen wollen, sondern sie nur rasch auf Indizien absuchen für ihre vorgefertigte kleine "Tathypothese"​

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Zitiervorschlag

Handke, Peter: Notizbuch 16.09.1976-03.11.1976 (NB 008). Hg. von Anna Estermann und Katharina Pektor. In: Ders.: Notizbücher. Digitale Edition. Hg. von Katharina Pektor, Ulrich von Bülow und Bernhard Fetz. Deutsches Literaturarchiv Marbach und Österreichische Nationalbibliothek, Wien: Release 14.06.2024. Seite 89. URL: https://edition.onb.ac.at/fedora/objects/o:hnb.nb.197609-197611/methods/sdef:TEI/get?mode=p_89. Online abgerufen: 21.11.2024.

Transkription und Übersetzung fremdsprachiger oder stenographierter Textstellen

Ioannis Fykias (Altgriechisch), Ana Grigalashvili (Georgisch), Angelika Kolesnikow (Russisch), Anna Montané Forasté (Spanisch), Helmut Moysich (Italienisch, Französisch), Martin Springinklee (Steno), Dominik Srienc (Slowenisch) und Dorothea Weber (Latein).

Lizenzhinweis

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