12. Okt.Nachts aufwachen und eine
Zeitlang gar nichts fühlen: kein Geräusch,
keine Luft, kein Geruch, kein Eigengefühl –
dann endlich wenigstens ein kleines
Gefühl von Müdigkeit

Niedergeschlagenheit: langsam fließendes
Wasser in Fichtenurwäldern
(13. Okt.); und das Eeigenheit-durch-
stoßende "überweltliche" Rauschen des
Zuges

Ich versuchte, mir die schöne Welt
ohne mich vorzustellen – aber ohne
mich war kein Bild schön, hatte
die Welt keinen Glanz, keine Tiefe,
keine Weite, keine Wärme ()

Es ist einfach so, daß der Anblick der
Wolken (jedenfalls der erste am Tag) mir
oft erst das Lebensgefühl gibt: ich fühle
mich zu den Morgenwolken hinge-
zogen

Er ging mit überlangen Schritten, als
hätte er zu große Schuhe an

Warmer, stiller, riesenhafter, kurzer
Sog der Herbstwelt

Ich will nur noch dann zu Leuten
hinschauen, wenn ich sie dann
auch anschauen kann
180
12. Okt.
Nachts aufwachen und eine Zeitlang gar nichts fühlen: kein Geräusch, keine Luft, kein Geruch, kein Eigengefühl – dann endlich wenigstens ein kleines Gefühl von Müdigkeit​
Niedergeschlagenheit: langsam fließendes Wasser in Fichtenurwäldern (13. Okt.); und das eigenheit-durchstoßende "überweltliche" Rauschen des Zuges​
Ich versuchte, mir die schöne Welt ohne mich vorzustellen – aber ohne mich war kein Bild schön, hatte die Welt keinen Glanz, keine Tiefe, keine Weite, keine Wärme (❬zusammengefallen❭❬1❭)​
Es ist einfach so, daß der Anblick der Wolken (jedenfalls der erste am Tag) mir oft erst das Lebensgefühl gibt: ich fühle mich zu den Morgenwolken hingezogen​
Er ging mit überlangen Schritten, als hätte er zu große Schuhe an​
Warmer, stiller, riesenhafter, kurzer Sog der Herbstwelt​
Ich will nur noch dann zu Leuten hinschauen, wenn ich sie dann auch anschauen kann​
❬1❭ Steno-Übertragung: Martin Springinklee


12. Okt.Nachts aufwachen und eine
Zeitlang gar nichts fühlen: kein Geräusch,
keine Luft, kein Geruch, kein Eigengefühl –
dann endlich wenigstens ein kleines
Gefühl von Müdigkeit

Niedergeschlagenheit: langsam fließendes
Wasser in Fichtenurwäldern
(13. Okt.); und das Eeigenheit-durch-
stoßende "überweltliche" Rauschen des
Zuges

Ich versuchte, mir die schöne Welt
ohne mich vorzustellen – aber ohne
mich war kein Bild schön, hatte
die Welt keinen Glanz, keine Tiefe,
keine Weite, keine Wärme ()

Es ist einfach so, daß der Anblick der
Wolken (jedenfalls der erste am Tag) mir
oft erst das Lebensgefühl gibt: ich fühle
mich zu den Morgenwolken hinge-
zogen

Er ging mit überlangen Schritten, als
hätte er zu große Schuhe an

Warmer, stiller, riesenhafter, kurzer
Sog der Herbstwelt

Ich will nur noch dann zu Leuten
hinschauen, wenn ich sie dann
auch anschauen kann
180
12. Okt.
Nachts aufwachen und eine Zeitlang gar nichts fühlen: kein Geräusch, keine Luft, kein Geruch, kein Eigengefühl – dann endlich wenigstens ein kleines Gefühl von Müdigkeit​
Niedergeschlagenheit: langsam fließendes Wasser in Fichtenurwäldern (13. Okt.); und das eigenheit-durchstoßende "überweltliche" Rauschen des Zuges​
Ich versuchte, mir die schöne Welt ohne mich vorzustellen – aber ohne mich war kein Bild schön, hatte die Welt keinen Glanz, keine Tiefe, keine Weite, keine Wärme (❬zusammengefallen❭❬1❭)​
Es ist einfach so, daß der Anblick der Wolken (jedenfalls der erste am Tag) mir oft erst das Lebensgefühl gibt: ich fühle mich zu den Morgenwolken hingezogen​
Er ging mit überlangen Schritten, als hätte er zu große Schuhe an​
Warmer, stiller, riesenhafter, kurzer Sog der Herbstwelt​
Ich will nur noch dann zu Leuten hinschauen, wenn ich sie dann auch anschauen kann​
❬1❭ Steno-Übertragung: Martin Springinklee
Zitiervorschlag

Handke, Peter: Notizbuch 23.05.1977-14.10.1977 (NB 012). Hg. von Johanna Eigner und Katharina Pektor. In: Ders.: Notizbücher. Digitale Edition. Hg. von Katharina Pektor, Ulrich von Bülow und Bernhard Fetz. Deutsches Literaturarchiv Marbach und Österreichische Nationalbibliothek, Wien: Release 14.06.2024. Seite 184. URL: https://edition.onb.ac.at/fedora/objects/o:hnb.nb.197705-197710/methods/sdef:TEI/get?mode=p_184. Online abgerufen: 21.11.2024.

Transkription und Übersetzung fremdsprachiger oder stenographierter Textstellen

Ioannis Fykias (Altgriechisch), Ana Grigalashvili (Georgisch), Angelika Kolesnikow (Russisch), Anna Montané Forasté (Spanisch), Helmut Moysich (Italienisch, Französisch), Martin Springinklee (Steno), Dominik Srienc (Slowenisch) und Dorothea Weber (Latein).

Lizenzhinweis

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