Erster Gedanke am Morgen: Die
Wäsche ist noch in der Waschma-
schine

S.U. Unseld, Siegfried
❬1❭ mutet mir zu, ein schlecht❬es
Gedächtnis haben zu sollen, wäh-
rend ich doch von meinem Gedächtnis
lebe (die Frechheit, wenn jemand
einfach behauptet, sich besser zu
erinnern als der andre: denn
man kann ihn nicht widerle-
gen – man kann nur eine Gegen-
aussage machen)

Maximendrescher
Me❬E❭in Fehler: daß ich bei einem
andern, mit dem ich zusammenge-
rate, dazwischen an dessen Sterblich-
keit denke und mich deswegen
in jedem Fall schuldig fühle,
auch wenn sonst dazu kein Grund
wäre (meine eigene Sterblichkeit
fühle ich nie bei Auseinandersetzungen)

keine einzige Form am riesigen
hellen Himmel, der wie die Aus-
wirkung einer Augenkrankheit,
eine Sehstörung erscheint

"? "genossen sie jenes
Fernsein tieferer Befangenheit"❬2❭
39
Erster Gedanke am Morgen: Die Wäsche ist noch in der Waschmaschine​
S.U. Unseld, Siegfried
❬1❭ mutet mir zu, ein schlechtes Gedächtnis haben zu sollen, während ich doch von meinem Gedächtnis lebe (die Frechheit, wenn jemand einfach behauptet, sich besser zu erinnern als der andre: denn man kann ihn nicht widerlegen – man kann nur eine Gegenaussage machen)​
Maximendrescher​
Ein Fehler: daß ich bei einem andern, mit dem ich zusammengerate, dazwischen an dessen Sterblichkeit denke und mich deswegen in jedem Fall schuldig fühle, auch wenn sonst dazu kein Grund wäre (meine eigene Sterblichkeit fühle ich nie bei Auseinandersetzungen)​
keine einzige Form am riesigen hellen Himmel, der wie die Auswirkung einer Augenkrankheit, eine Sehstörung erscheint​
"genossen sie jenes Fernsein tieferer Befangenheit"❬2❭
❬1❭Die Abkürzung "S.U." steht sehr wahrscheinlich für Siegfried Unseld. Im Juni 1977 geriet dieser mit Handke in Unstimmigkeiten, nachdem er sein Journal Das Gewicht der Welt Das Gewicht der Welt
(1977) dem Salzburger Residenz Verlag Residenz Verlag, Salzburg
zur Veröffentlichung gegeben hatte; die ursprüngliche Idee Handkes, das Journal zusammen mit dem Residenz Verlag und dem Suhrkamp Verlag Suhrkamp Verlag, Frankfurt
zu veröffentlichen, war auf Grund von Missverständnissen gescheitert. (Vgl. Handke / Unseld: Der Briefwechsel. Der Briefwechsel
2012, S. 318-323 ) Am 19. Juni 1977 schrieb Handke an Unseld: "Lieber Siegfried, es ist immer dann eigentlich unmöglich, weiterzureden, wenn einer dem andern das falsche oder schlechte Gedächtnis vorhält, oder auch nur sagt, dass seine Erinnerung eben eine andre ist. Dabei lebe ich von meinem Gedächtnis: Ich weiss also (nicht 'genau', sondern ich weiss es nur), dass die zwei Telefongespräche anders waren, als Du es darstellst." (Handke / Unseld: Der Briefwechsel. Der Briefwechsel
2012, S. 320 LV)
❬2❭Doderer: Die Dämonen. Die Dämonen
1995, S. 636 LV


Erster Gedanke am Morgen: Die
Wäsche ist noch in der Waschma-
schine

S.U. Unseld, Siegfried
❬1❭ mutet mir zu, ein schlecht❬es
Gedächtnis haben zu sollen, wäh-
rend ich doch von meinem Gedächtnis
lebe (die Frechheit, wenn jemand
einfach behauptet, sich besser zu
erinnern als der andre: denn
man kann ihn nicht widerle-
gen – man kann nur eine Gegen-
aussage machen)

Maximendrescher
Me❬E❭in Fehler: daß ich bei einem
andern, mit dem ich zusammenge-
rate, dazwischen an dessen Sterblich-
keit denke und mich deswegen
in jedem Fall schuldig fühle,
auch wenn sonst dazu kein Grund
wäre (meine eigene Sterblichkeit
fühle ich nie bei Auseinandersetzungen)

keine einzige Form am riesigen
hellen Himmel, der wie die Aus-
wirkung einer Augenkrankheit,
eine Sehstörung erscheint

"? "genossen sie jenes
Fernsein tieferer Befangenheit"❬2❭
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Erster Gedanke am Morgen: Die Wäsche ist noch in der Waschmaschine​
S.U. Unseld, Siegfried
❬1❭ mutet mir zu, ein schlechtes Gedächtnis haben zu sollen, während ich doch von meinem Gedächtnis lebe (die Frechheit, wenn jemand einfach behauptet, sich besser zu erinnern als der andre: denn man kann ihn nicht widerlegen – man kann nur eine Gegenaussage machen)​
Maximendrescher​
Ein Fehler: daß ich bei einem andern, mit dem ich zusammengerate, dazwischen an dessen Sterblichkeit denke und mich deswegen in jedem Fall schuldig fühle, auch wenn sonst dazu kein Grund wäre (meine eigene Sterblichkeit fühle ich nie bei Auseinandersetzungen)​
keine einzige Form am riesigen hellen Himmel, der wie die Auswirkung einer Augenkrankheit, eine Sehstörung erscheint​
"genossen sie jenes Fernsein tieferer Befangenheit"❬2❭
❬1❭Die Abkürzung "S.U." steht sehr wahrscheinlich für Siegfried Unseld. Im Juni 1977 geriet dieser mit Handke in Unstimmigkeiten, nachdem er sein Journal Das Gewicht der Welt Das Gewicht der Welt
(1977) dem Salzburger Residenz Verlag Residenz Verlag, Salzburg
zur Veröffentlichung gegeben hatte; die ursprüngliche Idee Handkes, das Journal zusammen mit dem Residenz Verlag und dem Suhrkamp Verlag Suhrkamp Verlag, Frankfurt
zu veröffentlichen, war auf Grund von Missverständnissen gescheitert. (Vgl. Handke / Unseld: Der Briefwechsel. Der Briefwechsel
2012, S. 318-323 ) Am 19. Juni 1977 schrieb Handke an Unseld: "Lieber Siegfried, es ist immer dann eigentlich unmöglich, weiterzureden, wenn einer dem andern das falsche oder schlechte Gedächtnis vorhält, oder auch nur sagt, dass seine Erinnerung eben eine andre ist. Dabei lebe ich von meinem Gedächtnis: Ich weiss also (nicht 'genau', sondern ich weiss es nur), dass die zwei Telefongespräche anders waren, als Du es darstellst." (Handke / Unseld: Der Briefwechsel. Der Briefwechsel
2012, S. 320 LV)
❬2❭Doderer: Die Dämonen. Die Dämonen
1995, S. 636 LV
Zitiervorschlag

Handke, Peter: Notizbuch 23.05.1977-14.10.1977 (NB 012). Hg. von Johanna Eigner und Katharina Pektor. In: Ders.: Notizbücher. Digitale Edition. Hg. von Katharina Pektor, Ulrich von Bülow und Bernhard Fetz. Deutsches Literaturarchiv Marbach und Österreichische Nationalbibliothek, Wien: Release 14.06.2024. Seite 43. URL: https://edition.onb.ac.at/fedora/objects/o:hnb.nb.197705-197710/methods/sdef:TEI/get?mode=p_43. Online abgerufen: 07.10.2024.

Transkription und Übersetzung fremdsprachiger oder stenographierter Textstellen

Ioannis Fykias (Altgriechisch), Ana Grigalashvili (Georgisch), Angelika Kolesnikow (Russisch), Anna Montané Forasté (Spanisch), Helmut Moysich (Italienisch, Französisch), Martin Springinklee (Steno), Dominik Srienc (Slowenisch) und Dorothea Weber (Latein).

Lizenzhinweis

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