als ob man sie schon tiefst berührt
hätte, intim
Eine wilde Traurigkeit hat ihn (ihn
durchpulsend), darüber, daß er einem Freund
nichts mehr sagen kann; daß er sich ver-
schweigen muß vor ihm, ab jetzt, für alle
Zeit

Das Kind erschauert über den einzigen Baum
in der Landschaft; daneben erglänzt schon
der rauchende Gletscher (Eiszeittraum)

Blind geworden, geriet er mit der Hand in
das Maul eines großen Hundes; sehend
und doch nicht sehend

Die letzte, rote Sonne in der Bahnhofssenke,
der Bahnsteig verlassen wie in der Nacht

S.'s Sorger, Valentin
Körper in der Umformung (F.-E.[1])

selbstbewußte Traurigkeit: er sorgt sich we-
nigstens nicht mehr

Er schreit sie an: "Ich will nicht nach mir ge-
fragt werden! Ich verbitte mir deine Sorge."

Ballspiel im Regen
"Ich kann denken: ich kritisiere" (oder
einfach nur: unterscheide)

Wieder Nachmittag: und die Zeit bricht alle
Beziehungen ab, überall ragen gerissene
Stahldrähte aus einem, in einen hinein

"Moi seul je sens mon coeur et je connais
les hommes"[2]

Ihr Mund, der nach Tierleber roch
Sie seufzte neben ihm als plötzlich altge-
wordene Frau

Sie bewegt sich nicht, als S. Sorger, Valentin
mit ihr
schläft, doch hat er das Gefühl einer schweren,
77
Legende
ABC: RegistereintragABC bzw. : weiterführende Informationen[n]: Stellenkommentar
als ob man sie schon tiefst berührt hätte, intim
Eine wilde Traurigkeit hat ihn (ihn durchpulsend), darüber, daß er einem Freund nichts mehr sagen kann; daß er sich verschweigen muß vor ihm, ab jetzt, für alle Zeit ​
Das Kind erschauert über den einzigen Baum in der Landschaft; daneben erglänzt schon der rauchende Gletscher (Eiszeittraum) ​
Blind geworden, geriet er mit der Hand in das Maul eines großen Hundes; sehend und doch nicht sehend ​
Die letzte, rote Sonne in der Bahnhofssenke, der Bahnsteig verlassen wie in der Nacht ​
S.'s Sorger, Valentin
Körper in der Umformung (F.-E.[1]) ​
selbstbewußte Traurigkeit: er sorgt sich wenigstens nicht mehr ​
Er schreit sie an: "Ich will nicht nach mir gefragt werden! Ich verbitte mir deine Sorge." ​
Ballspiel im Regen ​
"Ich kann denken: ich kritisiere" (oder einfach nur: unterscheide) ​
Wieder Nachmittag: und die Zeit bricht alle Beziehungen ab, überall ragen gerissene Stahldrähte aus einem, in einen hinein ​
"Moi seul je sens mon coeur et je connais les hommes"[2]
Ihr Mund, der nach Tierleber roch ​
Sie seufzte neben ihm als plötzlich altgewordene Frau ​
Sie bewegt sich nicht, als S. Sorger, Valentin
mit ihr schläft, doch hat er das Gefühl einer schweren, ​
Legende
ABC: RegistereintragABC bzw. : weiterführende Informationen[n]: Stellenkommentar
[1]F.-E.: Ein in den Notizbüchern häufig verwendetes Kürzel, das einem Hinweis von Peter Handke zufolge als "Form-Element" aufzulösen ist.
[2]Jean-Jacques Rousseau: Les Confessions. In: Ders.: Œuvres complètes, Bd. 1: Les Confessions. Autres textes autobiographiques. Hg. von Bernard Gagnebin und Marcel Raymond. Paris: Gallimard 1959 (= Bibliothèque de la Pléiade, 11), S. I-656, hier S. 5. Übersetzung: "Einzig und allein ich. Ich fühle mein Herz – und ich kenne die Menschen." (Jean-Jaques Rousseau: Bekenntnisse. Ungekürzte Ausgabe. Übertr. v. Ernst Hardt. Leipzig: Insel Verlag 1956, S. 7).



als ob man sie schon tiefst berührt
hätte, intim
Eine wilde Traurigkeit hat ihn (ihn
durchpulsend), darüber, daß er einem Freund
nichts mehr sagen kann; daß er sich ver-
schweigen muß vor ihm, ab jetzt, für alle
Zeit

Das Kind erschauert über den einzigen Baum
in der Landschaft; daneben erglänzt schon
der rauchende Gletscher (Eiszeittraum)

Blind geworden, geriet er mit der Hand in
das Maul eines großen Hundes; sehend
und doch nicht sehend

Die letzte, rote Sonne in der Bahnhofssenke,
der Bahnsteig verlassen wie in der Nacht

S.'s Sorger, Valentin
Körper in der Umformung (F.-E.[1])

selbstbewußte Traurigkeit: er sorgt sich we-
nigstens nicht mehr

Er schreit sie an: "Ich will nicht nach mir ge-
fragt werden! Ich verbitte mir deine Sorge."

Ballspiel im Regen
"Ich kann denken: ich kritisiere" (oder
einfach nur: unterscheide)

Wieder Nachmittag: und die Zeit bricht alle
Beziehungen ab, überall ragen gerissene
Stahldrähte aus einem, in einen hinein

"Moi seul je sens mon coeur et je connais
les hommes"[2]

Ihr Mund, der nach Tierleber roch
Sie seufzte neben ihm als plötzlich altge-
wordene Frau

Sie bewegt sich nicht, als S. Sorger, Valentin
mit ihr
schläft, doch hat er das Gefühl einer schweren,
77
Legende
ABC: RegistereintragABC bzw. : weiterführende Informationen[n]: Stellenkommentar
als ob man sie schon tiefst berührt hätte, intim
Eine wilde Traurigkeit hat ihn (ihn durchpulsend), darüber, daß er einem Freund nichts mehr sagen kann; daß er sich verschweigen muß vor ihm, ab jetzt, für alle Zeit ​
Das Kind erschauert über den einzigen Baum in der Landschaft; daneben erglänzt schon der rauchende Gletscher (Eiszeittraum) ​
Blind geworden, geriet er mit der Hand in das Maul eines großen Hundes; sehend und doch nicht sehend ​
Die letzte, rote Sonne in der Bahnhofssenke, der Bahnsteig verlassen wie in der Nacht ​
S.'s Sorger, Valentin
Körper in der Umformung (F.-E.[1]) ​
selbstbewußte Traurigkeit: er sorgt sich wenigstens nicht mehr ​
Er schreit sie an: "Ich will nicht nach mir gefragt werden! Ich verbitte mir deine Sorge." ​
Ballspiel im Regen ​
"Ich kann denken: ich kritisiere" (oder einfach nur: unterscheide) ​
Wieder Nachmittag: und die Zeit bricht alle Beziehungen ab, überall ragen gerissene Stahldrähte aus einem, in einen hinein ​
"Moi seul je sens mon coeur et je connais les hommes"[2]
Ihr Mund, der nach Tierleber roch ​
Sie seufzte neben ihm als plötzlich altgewordene Frau ​
Sie bewegt sich nicht, als S. Sorger, Valentin
mit ihr schläft, doch hat er das Gefühl einer schweren, ​
Legende
ABC: RegistereintragABC bzw. : weiterführende Informationen[n]: Stellenkommentar
[1]F.-E.: Ein in den Notizbüchern häufig verwendetes Kürzel, das einem Hinweis von Peter Handke zufolge als "Form-Element" aufzulösen ist.
[2]Jean-Jacques Rousseau: Les Confessions. In: Ders.: Œuvres complètes, Bd. 1: Les Confessions. Autres textes autobiographiques. Hg. von Bernard Gagnebin und Marcel Raymond. Paris: Gallimard 1959 (= Bibliothèque de la Pléiade, 11), S. I-656, hier S. 5. Übersetzung: "Einzig und allein ich. Ich fühle mein Herz – und ich kenne die Menschen." (Jean-Jaques Rousseau: Bekenntnisse. Ungekürzte Ausgabe. Übertr. v. Ernst Hardt. Leipzig: Insel Verlag 1956, S. 7).

Zitiervorschlag

Handke, Peter: Notizbuch 24.04.1978 - 26.08.1978 (NB 015), hg. von Anna Estermann, Vanessa Hannesschläger und Katharina Pektor. In: Ders.: Notizbücher. Digitale Edition, hg. von Ulrich von Bülow, Bernhard Fetz und Katharina Pektor. Deutsches Literaturarchiv Marbach und Österreichische Nationalbibliothek, Wien: Release 21.11.2022. Seite 79. URL: https://edition.onb.ac.at/fedora/objects/o:hnb.nb.197804-197808/methods/sdef:TEI/get?mode=p_79. Online abgerufen: 24.03.2023.

Lizenzhinweis

Distributed under the Creative Commons Attribution 4.0 International License (CC BY 4.0)

Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

Links